José Eduardo Agualusa: "Die Frauen meines Vaters"
Afrikanische
Symphonie in vier Sätzen
José Eduardo Agualusas zweiter im A1 Verlag erschienener
Roman "Die Frauen meines Vaters" ist ein groß angelegtes,
sehr ambitioniertes literarisches Porträt des
südlichen Afrikas. Eine bewegende Spurensuche durch Angola,
Südafrika, Namibia und Mozambique.
Als die portugiesische Filmemacherin Laurentina von ihren Eltern
erfährt, dass ihr leiblicher Vater niemand anders als der
berühmte angolanische Musiker Faustino Manso ist, der nicht
weniger als sieben Frauen und achtzehn Kinder hinterlässt,
ist, begibt sie sich mit ihrem Freund und zwei weiteren Mitreisenden
auf eine spannende Reise, die nicht nur ein Forschen nach Fakten und
Erzählungen aus und über das Leben ihres Vaters ist,
sondern auch ihr Leben entscheidend verändern wird.
José Eduardo Agualusa erzählt seinen Roman aus
ständig abwechselnden Perspektiven, wobei nicht immer gleich
oder eindeutig klar ist, wer gerade am Wort ist, bzw. auch
größeren Zeitsprüngen, die sich erst mit
Verlauf des Romans in ein mehr oder weniger geordnetes Ganzes
fügen.
Zusätzlich unterteilt Agualusa "Die Frauen meines Vaters" in
vier quasi musikalische Sätze, die mit von der klassischen
Symphonie abgeleiteten Satz- bzw. Tempobezeichnungen
überschrieben sind und auch der traditionellen formellen
Anlage (schnell, langsam, Scherzo oder Menuett, rasantes Finale)
entsprechen: allegro ma non troppo, andante, menuett und
presto e finale.
Das ist eine interessante Idee, die sich jedoch paradoxerweise nicht
auf die innere Unterteilung oder gar den Verlauf des Romans auswirkt
und daher fast aufgesetzt wirkt und leider wirkungslos verpufft. Da der
musikalische Kontext dieses Romans im Bereich des afrikanischen Jazz zu
finden ist, ist dem Rezensenten auch der Bezug zur klassischen
Symphonie etwas schleierhaft.
José Eduardo Agualusas Prosa ist sehr abwechslungsreich, an
vielen Stellen wunderbar inspiriert und mitreißend, treffend
und extrem präzise die Stimmungen und Zustände der
Protagonisten und des Landes weitergebend und zeichnend,
während sie an anderen Stellen von dialogbedingten
Durchhängern und Stilblüten geprägt ist, wie
zum Beispiel eine vergleichende Anspielung auf einen aktuellen
Kinofilm.
"Erinnern Sie sich an Gloria, das sympathische
Nilpferd aus Madagaskar, dem Animationsfilm von DreamWorks?
Elisa Mucavele erinnert mich an Gloria."
Die subtile Verknüpfung der fiktiven Geschichte mit einer
realen Reise, die der Autor mit der englischen Dokumentarfilmerin Karen
Boswall und dem Fotografen Jordi Burch unternommen hat, trägt
zur flirrenden, etwas sprunghaften und doch sehr stringenten
Entwicklung dieses Romans bei.
Große Momente hat der Autor in den Passagen, in denen er
Angola oder das Leben in Angola beschreibt, in denen er
beiläufig afrikanische Stimmungen und Momente aus dem
Ärmel schüttelt, die schlichtweg beeindruckend sind;
auch die emotionalen Verstrickungen und Irrungen seiner Protagonisten
gelingen ihm überzeugend, oft mit einem latent mitschwingenden
erotischen Unterton.
"Langsam öffne ich meine rechte Hand, dann die linke.
Rieche an ihnen. Der einzige Beweis, dass sie hier war, ist das
beiläufige Brennen eines süßlichen
Parfüms auf meiner Haut, in den Laken und Kissen. Der
Widerhall eines Satzes: Deine Hände geschaffen
für die Kelche meiner Brüste. Die
verschwommene Erinnerung an glühende Lippen und einen leichten
Körper, der auf meinem ruht."
Agualusa unterläuft der häufig anzutreffende Fehler
der Talentierten, zu viel Aussage, zu viele Themen in sein Werk
einarbeiten zu wollen, seinem Werk zu viel Gewicht mit auf den Weg
geben zu wollen. "Die Frauen meines Vaters" ist ein Roman, der sowohl
die Geschichte des Scheiterns einer Liebe als auch ein Liebesroman ist,
der aber auch ein Roman über das südliche Afrika, die
Musik Afrikas, Eros und Leidenschaft, sowie Politik ist, der die
geschichtsbedingten Brücken zu Portugal und der Entwicklung
Angolas gekonnt schlägt und zuguterletzt für den
Verlauf des Romans überflüssigerweise
Kinderpornografie ins Boot der Themen holt und somit gegen eben diese
ein Zeichen setzt. Ein paar Themen und Anliegen weniger wären
hier möglicherweise mehr gewesen.
Dennoch dominiert am Ende das wohltuende Gefühl, eine wichtige
Entdeckungsreise ins Innere gemacht zu haben, und der Wunsch, das
südliche Afrika selbst (wieder) zu bereisen und die
Gewissheit, auch wenn die Qualität dieses Textes hie und da
etwas abstürzt, einen starken, beeindruckenden Roman gelesen
und einen äußerst talentierten Autor für
sich entdeckt zu haben.
(Roland Freisitzer; 02/2010)
José
Eduardo Agualusa: "Die Frauen meines Vaters"
Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler.
A1 Verlag, 2010. 374 Seiten.
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José
Eduardo Agualusa, geboren 1960 in Huambo/Angola, studierte
Agrarwissenschaft und Forstwirtschaft in Lissabon. Er
veröffentlichte Gedichte, Erzählungen und Romane, die
in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. 2006
gründete er den brasilianischen Verlag "Língua
Geral". Er lebt als Schriftsteller und Journalist in Portugal, Angola
und Brasilien.
Drei weitere Bücher des Autors:
"Das Lachen des Geckos"
Félix Ventura geht einer ungewöhnlichen
Tätigkeit nach: Er handelt mit erfundenen Vergangenheiten.
Seine Kunden sind Minister, Landbesitzer und Generäle,
Menschen der neuen angolanischen Oberschicht. Sie alle blicken in eine
gesicherte Zukunft, was ihnen jedoch fehlt, ist eine glanzvolle
Vergangenheit. Ventura erstellt neue Stammbäume für
sie, beliefert sie mit Fotografien von illustren Vorfahren und versorgt
sie mit glücklichen Erinnerungen.
Doch eines Nachts kommt ein Fremder in sein Haus, dem er eine neue
angolanische Identität verschaffen soll. Venturas
Schöpfung auf den Namen José Buchmann beginnt den
Fremden so sehr zu fesseln, dass er sich zunehmend mit der erfundenen
Person identifiziert und sich auf die Suche nach den Figuren seiner
gekauften Vergangenheit begibt.
Agualusas wendiger Erzähler nimmt uns mit auf eine spannende
und poetische Reise durch die wechselnden Landschaften von Erinnerung
und Geschichte, in eine Welt, in der die Wahrheit sich von einem Moment
zum anderen verändert. (A1 Verlag)
Zu
einer
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