Martin Greschat: "Philipp Melanchthon"
Theologe, Pädagoge und Humanist
Luthers
Graeculus
Der Autor Dr. theol. Martin Greschat ist Emeritus für
Evangelische
Kirchengeschichte und Kirchliche Geschichte an der Universität
Gießen und
Verfasser einiger Werke zur Geschichte der Reformation.
Phillip Melanchthons Tod jährt sich 2010 zum 450. Mal, Anlass
für das auf
theologische Themen fokussierte Gütersloher Verlagshaus, eine
aktuelle
Biografie dieses außergewöhnlichen
Weggefährten Luthers auf den Markt zu
bringen, der zu seiner Zeit als Praeceptor Germaniae, als Lehrer
Deutschlands,
galt.
Anlässlich seines 300. Todestages im Jahre 1860 trat
Melanchthon durch die
Grundsteinlegung eines eigenen Denkmals aus
dem figuralen Schatten Luthers,
dessen Standbild bereits seit 1821 den Marktplatz Wittenbergs zierte.
In der
Schlosskirche Wittenbergs lagen beide ohnehin von Anfang an auf einer
Höhe.
Doch theologisch war Melanchthon noch bis weit in das 20. Jahrhundert -
zumindest bei einigen Theologen - negativ besetzt.
Philipp Schwartzerd wurde 1497 im damals kurpfälzischen, heute
badischen,
Bretten geboren. Er besuchte die Lateinschule im benachbarten
Pforzheim, wo der
bekannte Humanist Johannes Reuchlin sein Talent entdeckte, nach
Kräften förderte
und ihn nach Philologenart zu einem gräzisierten Namen
anregte: Aus melanos für
schwarz und chthonos für Erde wurde so Melanchthon. Nach
Studium in Heidelberg
und Tübingen wurde er 21-jährig nach Wittenberg
berufen und hielt 1518 die
Antrittsvorlesung am frisch eingerichteten Lehrstuhl für
Griechisch an der
Universität Wittenberg.
Luther, der unter den Zuhörern dieser Vorlesung saß,
erkannte das Potenzial
des nur 1 Meter 50 großen Melanchthons, und fortan arbeiteten
beide eng
zusammen, wobei Melanchthon gewissermaßen das intellektuelle
Komplement des
Reformators wurde. Komplementär zu Luther dürfte auch
das humanistische
Interesse Melanchthons gewesen sein, das über die christlichen
Texte
hinausging. Trotz aller theologischer Differenzen stand er hier Erasmus
recht
nahe: "Um die Reform von Kirche und Gesellschaft
bemühte sich Erasmus
von Rotterdam schon seit längerem. Er setzt darauf, dass die
führenden Kreise
der Gesellschaft, Politiker, Vertreter der Kirche und
sämtliche humanistisch
gebildete Persönlichkeiten zusammen in der Besinnung auf die
auch in sittlicher
Hinsicht exemplarischen Schriften der Antike - wozu er nicht zuletzt
die Bibel zählte
- sowie auf ein vorbildliches Leben ausstrahlend und erneuernd wirken
würde.
Ein solcher Prozess der Reformen durch Bildung und Kultur, der sich von
oben
nach unten durchsetzen müsste, konnte nur schrittweise und
behutsam vor sich
gehen."
Frömmigkeit und Bildung (nicht zuletzt im Dienste der Frömmigkeit)
waren seine
pädagogischen Ziele, wobei, wie bei Erasmus, die Bibel und die
antike Literatur
ein Ganzes bildeten. Melanchthon betrachtete, wie es heute im
europäischen
Denken fest verankert ist, die Bibel als Produkt ihrer Zeit, die auch
nur dann
verstanden werden kann, wenn man die Zeit der Entstehung kulturell und
sprachlich berücksichtigt. Wer also über biblische
Texte reden wollte - oder
sollte -, konnte das nur vermittels einer sorgfältigen
philologischen Bildung
tun. Daraus folgte notwendig, dass die universitäre
Priesterausbildung massiv
verbessert werden musste. Er reformierte viele Bildungseinrichtungen im
Herrschaftsbereich protestantischer Fürsten und installierte
in Thüringen ein
belastbares Regelwerk für die Visitationen. Darin liegt die
Bedeutung des
Etiketts Praeceptor Germaniae, das man ihm schon früh verlieh.
Obgleich er die Reformation als notwendig und richtig ansah, suchte er
stets die
eine Kirche wieder herzustellen, natürlich nicht ohne auf
einigen
unverhandelbaren Grundsätzen zu bestehen. Bemerkenswert ist
vielleicht, dass er
dabei in späteren Jahren stets auch die Ostkirche im Blick
hatte.
Zusammenfassend kann man dem Autor zustimmen: "Durch Philipp
Melanchton
erhielt die lutherische Reformation ihre Gestalt. Er formte sie in
ihrem Denken,
Argumentieren und insgesamt in ihrem Erscheinungsbild." Doch
es sei ergänzt,
dass Melanchthons Bedeutung weit über den reformatorischen
Gedanken hinausgeht
und er somit auch für die Zeitgenossen von Interesse ist,
deren Interessen
allgemein geistesgeschichtlich und humanistisch gefasst sind. Doch man
natürlich
nicht vergessen, dass Melanchthon bei aller Innovation ein Kind seiner
Zeit
blieb und beispielsweise auch der Astrologie etwas abgewinnen konnte.
Es fällt auf, dass der Autor für sich keine
historisch zu nennende
Notwendigkeit reklamiert, das öffentliche Melanchthon-Bild
für das
interessierte Publikum neu entwerfen müssen. Das ist wohltuend
und selten. Und
es weiterhin zeichnet durch das ganze Buch hindurch der
unprätentiöse Stil
eines Autors ab, der in großer Ausgewogenheit das Leben und
das Werk eines
bedeutenden Renaissance-Gelehrten vor dem Hintergrund seiner ereignis-
und
geistesgeschichtlichen Zeit ausbreitet. Nicht
selbstverständlich ist es auch,
dass es sich um eine theologisch unverstellte Biografie handelt. Auch
wenn diese
Rezension nicht auf theologische
Positionen Melanchthons und seiner Mitstreiter
eingehen möchte, sei ergänzt, dass auch diese
ausführlich und verständlich
in dem vorliegenden Werk enthalten sind.
Eine weitere Besonderheit weist das Buch auf, denn es scheint einen
fehlerfreien
Text zu beinhalten, was gleichermaßen für Autor,
Lektorat und Korrektorat
spricht. Der Anhang enthält Anmerkungen, Abkürzungen,
ein Literaturverzeichnis
und ein Personenregister.
Sollte es ein perfektes Buch geben, so wäre dieses ein
würdiger Kandidat.
Chapeau!
(Klaus Prinz; 04/2010)
Martin
Greschat: "Philipp Melanchthon.
Theologe, Pädagoge und Humanist"
Gütersloher Verlagshaus, 2010. 208 Seiten.
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Weitere
Bücher des Autors (Auswahl):
"Protestantismus im Kalten Krieg. Kirche, Politik und Gesellschaft im
geteilten Deutschland 1945-1963"
Die erste zusammenfassende Darstellung der Rolle, des Einflusses und
des
Selbstverständnisses des Protestantismus in beiden deutschen
Staaten von 1945
bis zum Beginn der 1960er-Jahre.
Den Ausgangspunkt der Darstellung bildet der
tief greifende ideologische und politische Gegensatz zwischen den USA
und der
UdSSR. Aus dieser Rivalität resultierten die Gründung
zweier deutscher Staaten
und ihr jeweiliger Aufbau mitsamt der kontrollierenden Begleitung durch
die
Siegermächte.
Innerhalb dieses Rahmens bewegte sich der Protestantismus, im Osten wie
im
Westen Deutschlands. Er trug mit Zustimmung, aber auch mit Widerspruch
zur
Formung der Bundesrepublik wie der DDR bei. Erstmals werden hier sein
Einwirken
auf die Vorgänge in beiden deutschen Staaten geschildert, sein
gemeinsames
kirchliches, politisches sowie gesellschaftliches Agieren und
schließlich die
zunehmende Konzentration auf die Herausforderungen, die sowohl seitens
der
Bundesrepublik als auch der DDR an ihn gestellt wurden. Dabei handelte
es sich
um einen ausgesprochen komplexen und spannungsreichen Prozess: Denn der
Protestantismus gehörte in den fünfziger Jahren zu
den entschiedensten Anwälten
der Wiedervereinigung Deutschlands, er förderte aber durch
seine Bemühungen um
das konkrete Wohl der Menschen unter den jeweiligen politischen
Bedingungen die
Herausbildung getrennter Entwicklungen.
Auf diesem Hintergrund zeichnet das lebendig geschriebene Buch ein Bild
der an
Gemeinsamkeiten wie auch Konflikten und Widersprüchen reichen,
keineswegs
sterilen fünfziger Jahre in der Bundesrepublik und in der DDR.
(Schöningh)
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"Martin Bucer - Ein
Reformator und seine Zeit (1491-1551)"
Der Elsässer Martin Bucer gehört zu den bedeutendsten
Reformatoren des 16.
Jahrhunderts. Aus bescheidenen sozialen Verhältnissen
stammend, stieg er im
Dominikanerorden auf und wandte sich dann Luther zu. Thomas von Aquin, Erasmus
von Rotterdam und eben Luther bestimmten Bucers theologisches
und praktisches
Wirken von den Anfängen als Prediger und Reformator in
Straßburg bis zu seinem
Tod als Professor der Theologie in Cambridge. Er agierte als Reformator
der
Kirche, über Straßburg hinaus in
Süddeutschland und in vielen Teilen Europas,
mühte sich um die Verständigung im Abendmahlsstreit
zwischen Wittenberg und Zürich
und engagierte sich schließlich für die Einigung der
Christenheit über die
entstehenden Konfessionsgrenzen hinweg. Im Zeitalter des
Konfessionalismus und
vollends des Nationalismus versanken seine Zielsetzungen weitgehend.
Erst in
unseren Tagen gewinnt sein Denken- und Handeln zunehmend an Bedeutung.
(Aschendorff
Verlag)
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