Yürgen Oster: "Tai Ji Quan"
Das Dao der Bewegung
Mit diesem Titel legt Yürgen
Oster die Neubearbeitung eines Buchs vor, das er erstmals 1997 herausgebracht
hat; nach zwölfjähriger Suche nach einem willigen Verlag, um darin zunächst erst
einmal alle von ihm gesammelten Erkenntnisse des Zusammenhangs zwischen dem
Daoismus und dem Tai Ji Quan darzustellen. Da das Buch einen sehr engen
Themenbereich berührt, hat es dann bei den Tai Ji-Praktizierenden Interessenten
gefunden, wenn auch nicht unbedingt im sehr großen Tai-Ji-"Wellness"-Bereich,
in dem diese alte Kampfkunst am bekanntesten ist.
Und Tai Ji ist in erster Linie wohl eine Kampfkunst - oder genauer ein
Überbegriff für eine Reihe von Systemen und Schulen, die im Gegensatz zum Shao
Lin den inneren Kampfkünsten (Nei Ja) zugeordnet werden. Zu diesen gehören neben
dem Tai Ji das Bagua (oder Ba Gua) Zhang und das Xing (Hsing) Yi (I), die
jeweils ihre eigenen Schwerpunkte setzen, aber zum Teil auf den gleichen
Prinzipien beruhen. So zum Beispiel die Vorbereitungsübungen der
Gesundheitsübungen, die man seit Mitte des letzten Jahrhunderts etwa unter dem
Begriff Qigong kennt.
Das vorliegende Buch ist kein Tai-Ji-Lehrbuch, und obwohl darin einige
Basisübungen und Grundstellungen zu finden sind, sollte man immer bedenken, dass
man die dargestellten Dinge unter der Anleitung eines guten Lehrers oder einer
guten Lehrerin lernen sollte, weil man sich sonst selbst schädigen könnte: etwa
durch das so genannte Tai-Ji-Knie. Auf diesen Aspekt - und auch auf Fragen der
Auswahl der richtigen Lehrperson - weist der Autor im Vorwort und im Abschluss
seines Buchs deutlich hin.
Der Hauptteil des Buchs beschreibt zunächst die historische Entwicklung des Tai
Ji und zwar um die Brückenfigur Zhang San Feng herum, der vielen als der
Schöpfer des Tai Ji gilt, das seinen Ursprung in den
Wudang-Bergen in
Zentralchina haben soll. Hierbei weist der Autor immer wieder auf die unsicheren
Quellenlagen hin und hebt sich damit erfreulich von anderen Autoren zu dieser
Thematik ab, die meist einer bestimmten Schule zugeordnet sind. Nach einer
kurzen Auseinandersetzung mit dem Begriff des Qi werden dann die die
grundlegenden Begriffe und Schriften des Daoismus erläutert und wie dieser im
Verhältnis zum Ch'an-Buddhismus, zum schamanistischen Animismus und zum
Konfuzianismus zu sehen ist. Hierbei werden die klassischen Texte in einen sehr
anschaulichen und modernen Text integriert, so dass auch absoluten Laien ein
Zugang zu dieser sehr komplexen Thematik ermöglicht wird.
Ab Seite 71 werden viele klassische Texte/Lieder zum Tai Ji zitiert und, wo es
nötig erschien, auch erläutert. Der letzte größere Textteil behandelt die
Grundlagen des Erlernens des Tai Ji Quan mit Bezug auf die klassischen Texte und
die daoistischen Prinzipien, so dass jeder Lernende/Suchende eine Orientierung
dazu bekommt, womit ihn "richtiges" Training mit der Zeit ausstatten sollte -
von der Haltung, dem Bu Fa, der Atmung, über die acht Methoden in fünf
Richtungen (um eine der vielen Übersetzungen dieser Grundübung zu nennen), über
die Basisübungen des täglichen Trainings (Zhang Zhuang, Chan Si Gong und Tai Ji
Bu) bis hin zum Tui Shou (besser als Push Hands bekannt).
Das Buch schließt ab mit einer kurzen Betrachtung des gesundheitlichen Werts des
Tai Ji Quan und einem historischen Überblick, einer Aussprachehilfe und einer
kleinen Bibliografie zum Thema.
Insgesamt ist der vorliegende Titel eine gelungene Einführung in den Daoismus
mit Bezug auf die Kampfkünste und für den erfahreneren Praktizierenden ein
praktisches kleines Nachschlagewerk für die Basisbegriffe, die man vor neuen
Trainingserfahrungen immer wieder gern zu wenig beachtet. Und für den Lehrenden
ist es ein gutes Strukturcurriculum, an dem er seine Lehrtätigkeit entlang
entwickeln kann; besonders, wenn er das Tai Ji (aber auch Bagua und Xingyi) eher
traditionell und mit dem philosophischen Hintergrund unterrichten möchte.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2013)
Yürgen Oster: "Tai Ji Quan. Das Dao der
Bewegung"
BoD, 2013. 172 Seiten.
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