Fabjan Hafner: "Erste und letzte Gedichte"
Herausgegeben und aus dem Slowenischen übersetzt von Peter Handke
Der 1966 geborene und 2016
verstorbene Kärntner Slowene Fabjan Hafner war zweisprachig auf hohem
Niveau, Übersetzer, Literaturwissenschaftler (Arbeiten über Gustav Januš,
Peter Handke, Christine Lavant),
Kulturvermittler, Sprachforscher (eine
Bestandsaufnahme slowenischen Wortschatzes in Kärnten geht auf ihn zurück), Herausgeber
und nicht zuletzt Lyriker. Drei Gedichtbände, "Indigo" (1988), "Gelichter +
Lichtes" (1991) und "Freisprechanlage" (2001) sind zu Lebzeiten erschienen, nun,
posthum, folgt ein weiterer nach, "Erste und letzte Gedichte" (1982-2016) betitelt,
sehr frühe von 1982-1987 und späte von 2008 bis 2016 beinhaltend, im
slowenischen Original sowie von Peter Handke
übersetzt und mit einleitenden Zeilen versehen, das Nachwort stammt von Dominik
Srienc vom Klagenfurter Robert-Musil-Institut.
Handke ("Statt eines Vorwortes Die Einzahl und die
Zweizahl") stellt den Lyriker Hafner geradezu als Gegenteil zu
"zungenredenden" Dichtern wie
Arthur Rimbaud
vor, insofern sich bei Hafner schon in den frühesten Gedichten und dann auch im
weiteren Verlauf (und allen Assoziationssprüngen zum Trotz) durchwegs ein sehr
festes, bewusstes Ich, frei davon, mit fremden Zungen zu reden, kundtut,
hebt die stockende, nach Worten suchende (manchmal an ihnen sich abarbeitende),
oft nicht mehr weiter wissende Weise des Dichters hervor
(übersetzt sie auch entsprechend), bescheinigt dieser Lyrik große
Ernsthaftigkeit und eine
zarte, stille Angst und dem Lyriker, den er persönlich gekannt hat, einen Zustand des Nicht-mehr-Glückskind-Seins.
Man könnte hier auch den guten alten Begriff "Weltschmerz" bemühen. Jedenfalls
ist ein tiefes
Unbehagen an der Welt und dem eigenen Anteil
daran bei Fabjan Hafner stark ausgeprägt, und auch eine Ursprungssehnsucht, manchmal
ungebrochen,
"...
Daß doch die Nacht
dir wiederkehre
dunkler Tunnel
auf dem Rückweg
hin zu dir" (S. 47, aus "Dunkel ist's")
manchmal recht indirekt im Leiden an abstumpfendem Alltagstrott und den Lügen der Welt.
Das Zwischenmenschliche, selbst dann, wenn es sich in der Zweizahl, jener
besonderen slowenischen Delikatesse äußert, ist melancholisch verhangen, Unmöglichkeit und
Transzendenz liegen nah.
"...
Dafür aber unser
schweigendes
Blickpaar als mögliche Parallelen,
welche einander berührt
haben und
berühren werden dort irgendwo
in der Unendlichkeit, deren Saum
wahrnehmbar nur deshalb,
Weil es sie ohne uns zwei
nicht gäbe. ..."
(S. 103)
Wurde hier nebenbei ein
Morgensterngedicht verernstet?
In seinem Nachwort weist der
Literaturwissenschaftler Dominik Srienc nachdrücklich auf den Stellenwert des
Übersetzungsvorgangs bei Fabjan Hafner hin. Hafner habe es vermocht, die
Zwischenräume des Übersetzens für sein Schreiben zu nutzen, habe beim Selbstübersetzen
(die Übersetzungen von Handke in "Erste und
letzte Gedichte" werden ziemlich die einzigen nicht vom Autor selbst
vorgenommenen sein; und an dieser Stelle dem Verlag ein Lob für die gelungene
zweisprachige Ausgabe) ein ständiges Weiterschreiben
des eigenen Materials betrieben und beim Dichten verschiedenste Ober- und
Untertöne, von der Nähe zu Worten Anderer herrührende bis hin zur Selbstsubversion
gehende, zum
Schwingen gebracht.
Verschiedentlich, als Objekt der Skepsis ebenso wie der
Wertschätzung, wird die Sprache selbst zum Gegenstand der Gedichte.
"...
Einzige Freiheit,
die ihr uns
spendet:
daß wir sprechen können.
Einzige Freiheit,
die wir euch
spenden:
daß es euch nicht not tut, zu hören." (S. 53)
"Das verstreute Wort, Richtschnur der Dauer", heißt es in einem beigefügten
Gedicht ("für F. H.") von Gustav Januš und erfährt dort ebenso Würdigung wie die
weniger dauerhafte "Erinnerung an die Lindenblüte vergangener Sommer"
(aus selbigem Gedicht).
Zum Abschluss wieder Fabjan Hafner,
einmal unbruchstückhaft und auch im Original:
"LJUBLJANA,
ich bin ein Fremdkörper in dir,
Splitter, eingerissen in dein williges
Gewebe,
Gelegenheitsbeilieger.
Jonas Wal bist du, weißes Wahnbild,
das ich
ein jedesmal wieder, in Hast und Lust,
zurückübersetze in die
sichere, die sachliche Welt.
Bin inmitten von dir bestens bei mir."
"LJUBLJANA,
v tebi sem tujek,
iver, zadrt v tvoje voljno tkivo,
zasilen, priložnostni
priležnik.
Jonov kit si, bel privid, ki ga
hlastno in slastno sproti prevajam,
nazaj v varni, stvarni svet.
Sredi tebe sem najbolj pri sebi."
(S.100, 101)
(fritz; 05/2020)
Fabjan Hafner: "Erste und letzte Gedichte"
Herausgegeben und aus dem Slowenischen übersetzt
von Peter Handke.
Bibliothek Suhrkamp, 2020. 120 Seiten.
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Fabjan Hafner, geboren am 8. Juni 1966 in Klagenfurt, studierte Deutsche Philologie und Slawistik (Slowenisch) in Graz und war seit 1998 am Robert-Musil-Institut für Literaturforschung in Klagenfurt tätig. Für seine Übersetzungen, unter Anderem von Florjan Lipuš und Tomaž Šalamun, wurde er vielfach ausgezeichnet. Hafner lebte bis zu seinem Tod am 10. Mai 2016 in Feistritz im Rosental/Bistrica v Rožu (Südkärnten).