5 out of 10 ... again!

Nach dem Jahrgang 2017 werden auch zum diesjährigen Theatertreffen Berlin erneut 5 Produktionen von Künstlern eingeladen, die wir die Freude haben zu vertreten. 2017 waren neben den auch in diesem Jahr geladenen Regisseuren Thom Luz, Ersan Mondtag und Ulrich Rasche auch Milo Rau und Kay Voges mit dabei. 2019 fahren auch der Autor PeterLicht mit der Uraufführung seines TARTUFFE (Regie: Claudia Bauer) sowie Christopher Rüping mit seinem megalomanen Projekt DIONYSOS STADT (Münchner Kammerspiele) nach Berlin.

Die eingeladenen Produktionen im Einzelnen:

DAS INTERNAT von Ersan Mondtag (Bühne, Kostüm, Regie), mit Texten von Alexander Kerlin und Matthias Seier, Theater Dortmund

DIONYSOS STADT von Christopher Rüping, Kammerspiele München

GIRL FROM THE FOG MACHINE FACTORY von Thom Luz, eine Produktion von Thom Luz und Barnetta Theaterproduktionen sowie diversen Koproduzenten

DAS GROßE HEFT von Ulrich Rasche (Bühne und Regie), Staatsschauspiel Dresden

TARTUFFE ODER DAS SCHWEIN DER WEISEN von PeterLicht, Regie von Claudia Bauer, Theater Basel

 

Wir gratulieren allen Beteiligten zu diesem großartigen und kontinuierlichen Erfolg!

Nis-Momme Stockmann: Das Imperium des Schönen

Mit DAS IMPERIUM DES SCHÖNEN meldet sich Nis-Momme Stockmann nach längerer Theaterabstinenz mit einem fulminanten Konversationsstück zurück. Das Drama unserer eigentlich so luxuriös ausgestatteten Leben kann wohl kaum ein Autor seiner Generation so präzise in vermeintlich harmlose Dialoge verpacken, die sich an Nebensächlichkeiten entzünden und innerhalb weniger Repliken zu monströsen Alltags-Apokalypsen anwachsen, aus denen es scheinbar keinen Ausweg mehr für die Beteiligten geben kann. Das ist ebenso hochkomisch wie tragisch. Zwei ungleiche Brüder – erfolgreicher Intellektueller der eine, Lebenskünstler der andere – reisen mit ihren Partnerinnen nach Japan. Vier unterschiedliche Lebensentwürfe prallen aufeinander, und wieder einmal zeigt sich, dass der Kampf um das eigene Wertesystem im Privaten mit der gleichen Unbarmherzigkeit ausgetragen wird wie im globalen Maßstab. Die Konfrontation mit einer fremden Kultur, die mit ganz eigenen sozialen Codes funktioniert, wirkt als Brandbeschleuniger. Die Situation eskaliert, Weltbilder geraten auf den Prüfstand – am Ende liegen alle Gewissheiten in Scherben. Die unbeschadete Koexistenz zweier Parallelwirklichkeiten ist so alt wie das Sprechen an sich. In der jüngsten Vergangenheit ist diese geradezu paradigmatisch für das gesellschaftliche Plateau des frühen 21. Jahrhunderts geworden, „alternative Fakten“ heißt das Schlagwort der Stunde. Gibt es sie noch, die Wahrheit? Nis-Momme Stockmanns Text entsteht als Auftragswerk für die Frankfurter Positionen, ein seit 2001 bestehendes interdisziplinäres Uraufführungsfestival, das sich als Forschungslabor zu aktuellen Themen der Zeit versteht. Heute steht die Frage nach den Grenzen der Verständigung im Zentrum. Erschweren das Erstarken politischer und religiöser Fundamentalismen und die Zunahme autoritärer Denkmuster die Kommunikation, weil die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet? Gibt es noch ein »Wir«, das miteinander spricht?

Brodowsky: auf der Höhe des Diskurses

Mit seinem aktuellen und zur Uraufführung freien Stück DAS INNERE JAHRHUNDERT tritt Paul Brodowsky in eine hochaktuelle und dringend notwendige Auseinandersetzung mit einem Teil des dramatischen Erbes, das an den deutschen Stadt- und Staatstheatern gespielt wird. Ganz auf der Höhe des Diskurses erzählt Brodowsky eine fiktive und in den Geschlechterrollen verdrehte Wedekind-Biographie, mit der er gleichzeitig den irrwitzigen und klugen Versuch unternimmt,  eine im höchsten Maße verwirrende und fordernde Bestandsaufnahme zu formulieren. Auf einer Zeitachse von 1918 bis 2018 scheitern Frank Wedekind und ihr Mann Till an den unentwirrbaren Themen des Miteinanders, der Erotik, der Gleichberechtigung und der schönen Kunst. Brodowskys Text begleitet die Wedekinds kurz vor Frankas Tod auf eine letzte Gastspielreise und dokumentiert ihre großen und kleinen Wehwechen. Vor dem Hintergrund des zertrümmerten Europas rekonstruiert er dabei eine Gesellschaft in Bewegung. Doch sind Wedekinds Figuren wirklich so emanzipiert, wie manch ein Stadttheaterregisseur sie gerne hätte? Was würde die Geschichte erzählen, wäre Wedekind gar kein Mann gewesen, sondern eine Franka? Und seine Tilly – vielleicht ein Till? Was zunächst wie ein Taschenspieltrick daherkommt, entpuppt sich bald als ein kaum zu überblickendes Spiel mit einstudierten Identitäten und überlieferten Hierarchien, das einige althergebrachte Selbstverständlichkeiten als Absurditäten der Geschichte entlarvt. 

Dr. Alici: Bach und Mondtag in München

Olga Bach und Ersan Mondtag sind ein Erfolgsteam. Mit ihrer ersten gemeinsamen abendfüllenden Arbeit DIE VERNICHTUNG wurden die beiden zu Deutschlands wichtigsten Autoren- und Regie-Festivals eingeladen, Ersan Mondtag wurde u.a. zum »Kostüm- sowie Bühnenbildner des Jahres« gekürt, Olga Bach war 2017 »Nachwuchsautorin des Jahres«. DAS ERBE wiederum war die erste Zusammenarbeit des Duos an den Münchner Kammerspielen, der nun mit DR. ALICI - einer sehr eigenen Schnitzler-Paraphrase - eine weitere Arbeit (diesmal im Großen Haus) folgt. Olga Bach greift in ihrem Stück die Konflikte und Fragen Arthur Schnitzlers auf und übersetzt sie in die Gegenwart. Wo verlaufen heute die Konfliktlinien zwischen Ethik und Politik? Wie weit sind Menschen bereit für ihre Karriere zu gehen? Das Krankenhaus wird zum Polizeipräsidium, und Professor Bernhardi zu Doktor Alıcı. Ein Mann wird zur Frau, das Judentum wird zum Islam. Die Konflikte verlaufen nicht gleich, genauso wenig wie sich die Vergangenheit wiederholt – aber die schleichende Veränderung des menschlichen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens, die subtilen Mechanismen, mit denen Rassismus gesellschaftsfähig wird und die Korruption des Politikbetriebs finden ihr zeitgenössisches Pendant in DOKTOR ALICI. Am 24. Januar inszeniert Ersan Mondtag die Uraufführung.

Neuigkeiten
2 x Milo Rau beim Nachtkritik-Theatertreffen

Milo Rau ist mit seinen zwei Produktionen LAM GODS und DIE WIEDERHOLUNG zum virtuellen Nachtkritik-Theatertreffen geladen worden. Chapeau!

Berlinale: Special TEDDY Award geht an Falk Richter

Wie der 33. TEDDY AWARD der 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin bekannt gab, geht der diesjährige Special TEDDY AWARD an Falk Richter. Die Auszeichnung würdigt die nachhaltigen Verdienste des künstlerischen Werkes, das zu einer umfangreichen öffentlichen Wahrnehmung und Rezeption queerer Perspektiven in Kunst, Kultur und Medien in außerordentlichem Maße beiträgt. Wieland Speck, Vorstand der TEDDY Foundation und langjähriger Kurator des Panoramas der Berlinale, merkt zur Auszeichnung Falk Richters an: »Für das emanzipatorische Wirken der darstellenden Künste hat das Theater von Falk Richter kontemporär die überzeugendsten Werke erbracht. Die Kombinaton ästhetscher und analytischer Kommunikation, auch unter prominenter Einbeziehung von Arbeiten von Videokünstlern wie Chris Kondek, Michel Auder und Björn Melhus, tragen zur Inspiration des derzeitgen Filmschaffens bei.« Wir gratulieren herzlich!

Parallelwelt von Voges nominiert

Die »Parallelwelt« ist als eine von zehn Inszenierungen für den Friedrich-Luft-Preis nominiert. Zur Auswahl heißt es in der Morgenpost: ›Regisseur Kay Voges wagt mit »Die Parallelwelt« ein tollkühnes Simultantheater-Experiment. Die große Faszination dieses Abends besteht darin, dass er mit dem Verhältnis von Raum und Zeit auf der Bühne jongliert und dem Theater selbst dabei eine neue, bislang unbekannte Dimension verleiht.‹ Die Entscheidung wird Ende Februar bekannt gegeben, die Verleihung findet im Frühjahr statt.

Das böhmische Paradies nach Jaroslav Rudiš

Jaroslav Rudiš ist der derzeit in Deutschland bekannteste tschechische Schriftsteller. Sein Stück BÖHMISCHES PARADIES  spielt in einer Sauna, genauer gesagt – in einer Männersauna. Dort treffen sich wöchentlich Männer unterschiedlichen Alters und unterschiedlichster Berufe zum gemeinsamen Schwitzen und Schwatzen. Die Uraufführung des von Mirko Kraetsch übersetzten Dramas findet am 15. Februar am Theater Bautzen statt, Stefan Wolfram inszeniert. Jaroslav Rudiš zeichnet in seinen Texten mit Ironie und feinem Gespür für die Alltagsängste der Menschen die Gesellschaft anhand von besonderen Typen, die häufig Opfer tragikomischer Ereignisse sind. Dabei begibt er sich gern in den Untergrund und an die Ränder von Orten, Zeiten und Leben, um einen umso schärferen Blick auf die Wirklichkeit zu werfen. So sind seine Bücher cool, witzig, kritisch, politisch, poetisch, widerständig, anti-bürgerlich, berührend und verführerisch – kurzum: literarischer Rock’n’ Roll. Nachdem sein kurzer Roman NATIONALSTRAßE u.a. am Staatsschauspiel Dresden aufgeführt wurde, schreibt Rudiš nun im Auftrag der Dresdner für die Spielzeit 2019/20 ein neues Stück. Am 25. Februar erscheint mit »Winterbergs letzte Reise« ein neuer Roman von Jaroslav Rudiš  bei Luchterhand. 

Gordon Kämmerer reüssiert mit »Tartuffe« in Dortmund

Der junge Regisseur Gordon Kämmererinszeniert regelmäßig am Schauspiel Leipzig  und am Theater Dortmund. Am Dortmunder Haus hat er nun mit »Tartuffe« bereits seine dritte Arbeit im Großen Haus vorgelegt. Von einem »rasanten, scharfsinnigen Abend« schreibt Ralf Stiftel im Westfälischen Anzeiger. »Knapp anderthalb muntere Stunden braucht Kämmerer für Aufstieg und Fall des moralischen Hochstaplers«. Auch die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet von einem »höchst kurzweiligen Abend« mit vielen »starken Momenten«. Kai-Uwe Brinkmann schreibt in den Ruhr-Nachrichten von einer »schrillen, temporeichen Farce, die konsequent mit Lust in die Vollen geht und dabei Hysterie und Energie einer duschgeknallten Sitcom versprüht«. Auch er lobt explizit den Regisseur, der u.a. »mit Kasperletheater und Schmierenkomödie jongliert, das Stück aber immer kurz vor der Vollklamotte« abfange. Im Frühjahr 2019 zeichnet Gordon Kämmerer für seine inzwischen fünfte Leipziger Regie-Arbeit verantwortlich. Er wird dann - u.a. mit seinem Kostümbildner Josa Marx - die Deutsche Erstaufführung von Bernhard Studlars »Nacht ohne Sterne« inszenieren.