rezensiert von Thomas Harbach
Mit dem vierten Teil des Lemuria Zykluses wird Leo Lukas förmlich zwischen der ersten Arbeit Andreas Brandhorsts und leider dem letzten Roman Thomas Zieglers für Perry Rhodan förmlich eingeschlossen. Trotzdem übernimmt er zum dritten Mal bei den Taschenbüchern den Staffelstab und besinnt sich in "Der erste Unsterbliche" auf seine Fähigkeiten als Erzähler und weniger als Komödiant. Seine Stärke liegt in der Auflösung von absurden Situationen, in der Charakterisierung seiner oft auf den ersten Blick unscheinbaren Alltagshelden, die im Folgenden über sich hinauswachsen und einer konzentrierten geraden Handlung.
Levian Paronn hat vor 55000 Jahren den Bau der Sternenarchen auf Lemuria vorangetrieben und die ersten Archen auf ihre unendliche Reise geschickt. Andreas Brandhorst hat durch die geschickte Nutzung verschiedener Ebenen diese dramatischen Ereignisse in der tiefsten Vergangenheit packend vor den Lesern offen gelegt, Lukas nimmt den Faden geschickt auf. Paronn selbst hat Lemuria auf einer der Archen verlassen und der Unsterbliche besuchte zusammen mit dem "Hüter"- einem den Lemuren positiv eingestellten Haluter , der sich als zeitreisende Inkarnation von Icho Tolot herausstellt - und seinem überlichtschnellen Schiff die anderen Archen. Inzwischen lebt er seit langer Zeit unerkannt auf der Hauptwelt der Akonen. Sein ursprünglicher Plan bestand aus der Evakuierung des lemurischen Volkes. Inzwischen hat er in der Gegenwart eine tödliche Waffe gegen die Bestien gefunden. Dank des Hüters kennt er auch das Geheimnis der Zeitreise. Jetzt ist seine Absicht, dem Hüter mit der Anti-Bestien Waffe in die Vergangenheit zu folgen, dort das lemurische Imperium zu erhalten und eine neue Geschichtsschreibung zu etablieren. In diesem Alternativuniversum wird es keine Akonen oder Menschen geben, keinen Perry Rhodan, nur Lemuria.
Ein deutlicher Schwachpunkt dieses Romans ist die philosophische Deutung eines Universums ohne Perry Rhodan im Mittelpunkt. Dabei greift Lukas auf einige interessante Szenen aus der bisherigen Serie zurück und deutet Rhodans großherzigen Charakter als einzige positive Lösung für das Universum. Die Passagen wirken deplaziert und obwohl sehr vorsichtig formuliert, strahlen sie eine gewisse unterschwellige Großmannssucht des einfachen Menschen gegenüber dem Großadministrator aus.
Interessanter ist die Tatsache, dass Lukas gänzlich auf Klamauk verzichtet, die Anspielungen auf die Trivialliteratur der Gegenwart mit seiner James Bond Parodie komplett zurückfährt, den einzelnen Charakteren Raum gibt, sich zu entwickeln und er sich auch stilistisch anspruchsvoll wieder in die Teamarbeit einfügt. Einige seiner Romane wirken eher wie Ausbrüche eines Vollblutschauspielers, der immer im Mittelpunkt der Bühne stehen möchte als die Arbeit eines Mitglieds eines Kollektives. Doch ganz auf die ironische Spitzen braucht der Leser nicht verzichten. Da Lukas die Aufgabe hat, die weitgehend im Hintergrund gebliebene Kultur der Akonen besser auszuleuchten, kann er freizügig aus dem Vollen schöpfen. Da findet sich ein Talkmaster namens Dahilm Drschat, unschwer als der neue Hoffnungsträger auf dem Ersten zu erkennen. Zeichnete sich Andreas Brandhorsts Beschreibung der lemurischen Zivilisation schon durch eine Reihe von lesenswerten Details aus, kann Lukas das Portrait einer am Rande der Dekadenz hinzufügen Wie Technikabhängig die Akonen sind, erläutert er an einfachen Beispielen des alltäglichen Lebens. Auf jeden Fall könnte in der laufenden Heftromanserie eine Nebenhandlung den Schock in Worte fassen, den die Akonen erlitten haben, als ihre für jede Strecke genutzten Transmitter nicht mehr funktionierten.
Schon "Andromeda" und "Odyssee" beschäftigten sich mit Rätseln. Schritt für Schritt wurden durch Perry Rhodans Erkundungen wie bei einer Zwiebel die einzelnen Schichten abgelöst. Manchmal wirkte der Drang der Autoren unter der Leitung der Exposeredaktion möglichst viel geheim zu halten, schon kontraproduktiv und einige der Taschenbücher wirkten inhaltsleer. "Lemuria" hat einen zweifachen Vorteil. Die Macher haben inzwischen nach dem furchtbaren zweiten Taschenbuch erkannt, dass sie die Chance haben, den Lesern auf der einen Seite zwei bekannte Kulturen - die Lemurer und die Akonen - gänzlich neu und in ungewohnter Tiefe vorzustellen und auf der anderen Seite mit dem Haluter Icho Tolot im Mittelpunkt eines komplizierten Zeitparadoxons eines der beliebtesten Figuren der Serie nutzen zu können.
Leo Lukas spielt bis zum spannenden aber viel schnell beendeten klassischen Showdown seine Karten sehr geschickt aus. ER hält seine Leser durch verschiedene Perspektiven bei der Stange, philosophiert einige Kapitel lang, um dann textlich wieder die Zügel anzuziehen und packende Ereignisse zu beschreiben. Dabei gelingt es ihm, die emotionalen Ereignisse auch wirklich überzeugend in Worte zu fassen. Mit dem ersten Unsterblichen Levian Paronn haben die Autoren eine vielschichtige Figur geschaffen. Der Leser kann seinen Motiven und Intentionen folgen. Obwohl sein verrückter Plan das Ende der Menschheit in dieser Form bedeuten könnte, zeigt der Betrachter ein gewisses Verständnis für seinen verzweifelten Plan. Hier führt Lukas die herausragenden Szenebeschreibungen aus dem vorangegangenen Taschenbuch elegant in der Gegenwart der Handlung weiter aus. Im Gegensatz zu Lichtgestalten wie Perry Rhodan ist Paronn vielschichtiger und dunkler angelegt. Er erscheint eher als das Opfer seiner eigenen Unsterblichkeit -ohne das der Leser schon erkennen kann, wo und unter welchen Umständen er seinen Zellaktivator erhalten hat - und wirkt unbewusst wie der "ewige Lemurer" , verdammt durch die Zeiten zu wandern und nicht in der Lage zu sein, seinem Volk zu helfen. Als er eine Möglichkeit erkennt, beginnt er konsequent und aus seiner Sicht logisch zu agieren und andere Parteien für seine Ziele auszunutzen.
Insbesondere Andreas Brandhorsts interessantes Debüt und Leo Lukas vielschichtige und ansprechende Arbeit entschädigen die bei den letzten beiden Taschenbuchzyklen enttäuschten Lesern und unterstreichen die Motivation, die ein gelungenes Expose in einem Autoren wecken kann. In dieser Form machen die Romane Spaß und sind ein wunderbarer Kontrast zu den farblosen ATLAN Heften und der inzwischen in der Hauptserie zum Stillstand gekommenen Handlung. Das "Lemuria" mit seinen Anspielungen an einen der besten Zyklen - "Die Meister der Insel" - es von Anfang an schwerer hatte als eine neue Front, die Leser positiv zu überraschen, steht außer Frage. Den Autoren gelingt es jetzt aber, die Neugierde der Anhänger Schritt für Schritt überraschend spannend und mit einigen neuen originellen Perspektiven versehen zu befriedigen. Die Verschiebung der Perspektive von Perry Rhodan weg zu Icho Tolot und Levian Paronn hilft dem Gesamtrahmen. Nur die oben schon erwähnten philosophischen Ergüsse erinnern an die frühe Ära des Terraners unter Karl Herbert Scheer. Doch Leo Lukas sticht mit Worten zu und schießt nicht aus Strahlern.
"Der erste Unsterbliche" ist eines der unterhaltsamsten Perry Rhodan Taschenbücher der letzten Jahre . Eine spannende Handlung wird durch einen reichhaltigen Hintergründe verstärkt, die Charaktere wirken überzeugend und Lukas gelingt es, seine Stärken - das Ironische auf den Zahn fühlen - auf eine im Rhodan Universum seit vielen Jahren bekannte Kultur - die Akonen - zu übertragen und trotzdem diesem Volk neue Impulse abzugewinnen.
Leo Lukas: "Lemuria 4 - Der erste Unsterbliche"
Roman, Softcover
Heyne 2005
ISBN 3-4535-3015-2
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