rezensiert von Thomas Harbach
Mit der vorliegenden neunten Sammlung fasst der Mohlberg- Verlag Romane Kurt Brands zusammen, die unter Pseudonymen – C.R. Munro und Ted Scout – in der Reihe des Zauberkreisverlages erschienen sind. Nach der Einstellung der Ren Dhark- Reihe und vor Beginn seines zweiten großen Science Fiction Zyklus „Raumschiff Promet“ schrieb Brand in erster Linie Krimis für diverse Romanreihen, konzipierte die utopisch angehauchte Heftromanserie Checkpart 2000 und suchte für seine utopischen Stoffe einen neuen Verleger. Da er sich von der den Markt beherrschenden Gruppe Pabel/ Moewig gänzlich zurückgezogen hatte und Bastei zu dieser Zeit keine Science Fiction Reihe im Angebot hatte, blieb nur der Zauberkreis Verlag. Insgesamt 296 Ausgaben der ZAUBERKREIS SF erschienen in den Jahren 1966 bis 1985. Überwiegend einzelne Romane. Der Verlag bot neben Kurt Brand auch einem anderen altgedienten Autoren als Broterwerb: Hans Peschke veröffentlichte eine Reihe serienunabhängiger Werke in dieser Serie. In den achtziger Jahren verdiente sich unter anderem auch der heute wieder aktive Andreas Brandhorst unter diversen Pseudonymen seine Brötchen beim Zauberkreis- Verlag.
Den Auftakt dieser Sammlung bildet mit „Schatten der Vergangenheit“ – Zauberkreis 75 – aus dem Jahr 1969 ein für Brand so ungemein typischer Roman. Voller Ideen, komplexe, oft überkonstruierte Handlungen und am Ende eine enttäuschende Auflösung des Plots. In ferner Zukunft ist die Erde seit 126 Jahren mit mehr als sechs Milliarden Menschen im wahrsten Sinne des Wortes verschwunden. Das Sternenreich wird von Mira aus durch einen Reichsrat regiert. Vor eben diesen 126 Jahren sollte die Heimat der Menschheit auf den Status V einer unterentwickelten Welt zurückgestuft werden. Der damalige Reichsratsvorsitzende von der Erde war der einzige, der dagegen gestimmt und schließlich sein Amt unter Protest niedergelegt hat. Kurze Zeit später verschwand die Erde durch eine gewaltige Explosion. In der Gegenwart häuft sich das spurlose und mysteriöse Verschwunden von zahlreichen Raumschiffen der Reichsflotte. Der Generalstab kommt zu einer Krisensitzung zusammen, an der auch der Schweiger Aran Joshom teilnimmt. Ein Mann der Zahlen, aber nicht unbedingt der mathematischen Logik. Er glaubt, dass eine übergeordnete Macht die Schiffe verschwinden lässt und sich deren Vorstoß direkt auf den Planeten Mira ausgerichtet hat. Wer die Invasoren sind und welche Ziele diese verfolgen möchte er mit einem kleinen Team selbst erkunden.
Kurt Brand baut seinen komplexen Stoff sehr geschickt auf. Zu Beginn verschiedene mosaikartige Bausteine, deren endgültiger Sinn sich dem Leser erst am Ende des Romans erschließt. Dann mit der Überfigur Aran Joshom ein exzentrischer, undurchschaubarer Mann, dessen Methoden an Isaac Asimovs „Foundation“ Serie erinnern und eine unsichtbare Bedrohung. Im Laufe der Ereignisse gelingt es Brand, die Perspektiven ansatzweise ein wenig zu verschieben und auf einer zweiten Handlungsebene die „Gegner“ einzuführen. Bei der Motivsuche macht er es sich zu einfach. Weder die politischen Entscheidungen der Vergangenheit noch deren Auswirkungen auf die Gegenwart werden näher beleuchtet, am Ende der geradlinigen Handlung verweigert der Autor dem Leser die Möglichkeit, sich ein Urteil zu bilden, weil er eine Seite ohne Not – die einzige Erklärung könnte der vorgegebene Romanumfang sein – „aufgeben“ lässt. Das wirkt genauso unwahrscheinlich wie die These, dass der Feind technologisch überlegen ist und trotzdem sich mit einem einfachen Schachzug mattsetzen lässt. Auch bei den Auswirkungen dieser Ränkespiele bleibt Brand trotz eines eindrucksvollen Feuerwerks, das er entfacht, oberflächlich, gerade zu simpel. Was den Roman trotz einiger Schwächen im Aufbau aus der Masse der publizierten Actionromane heraushebt, ist Brands Ehrfurcht vor intelligentem Leben. Oft schaltet er Gegner mit Hilfe von Betäubungswaffen aus oder setzt deren Raumschiffe auf einer entlegenen Welt gefangen anstatt sie in einer Raumschlacht in die Luft zu sprengen.
Bei „Schatten der Vergangenheit“ kann der Leser dem oft schweigsamen Protagonisten Joshom sehr gut in seinen Gedankengängen folgen und gemeinsam kommt man schnell auf die eigentlichen Drahtzieher der Invasion. Die Spannung des Buches resultiert also mehr aus dem Zusammensetzen der einzelnen Komponenten und einer überzeugenden Erläuterung der historischen Entwicklung. Insbesondere letztere findet nicht statt. Der Leser bräuchte viel mehr Informationen, um zu den gleichen Schlüssen wie der Autor zu kommen. So wirkt insbesondere der Höhepunkt des Romans unüberzeugend und konstruiert. Brand präsentiert eine Lösung, die er keinen Augenblick lang mit historischen Fakten oder politischen Aussagen untermauern kann und hinterlässt in seinen Lesern ein gewisses Gefühl der Leere. Über weite Strecken ist „Schatten der Vergangenheit“ aber wieder eine lesenswerte und unterhaltsame Achterbahnfahrt, ein Roman, in den Brand fast im Vorübergehen eine Unmenge von Ideen gepackt hat. Anzumerken ist noch, dass kurze Zeit später im APHILIE- Zyklus der Perry Rhodan Serie eine Idee aus diesem Roman leicht verfremdet auftaucht.
Der zweite Roman „Tote gehen ihren Weg allein“ fällt schon aufgrund seines eher nach Krimi klingenden Titels auf. 1971 als Zauberkreis Heft 104 das erste Mal erschienen, ist es der einzige Roman dieser Sammlung, der nicht in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ein zweites Mal nachgedruckt worden ist.
Der herausragende Cheftechniker Thomas Crack verlässt nach einem Streit mit seinem Chef dessen Firmenkonglomerat. Schon vorher wurden zwei Entführungen versucht, denen er sich mit einer geheimnisvollen Technik erwehren konnte. Mit seinem Chef hat er Streit um dessen Frau. Er scheint sie auch zu begehren. Trotz dieser Widrigkeiten versucht er, seinen besten Mann im Stall wieder für das Unternehmen zu gewinnen und erfährt eine unglaubliche Geschichte.
Trotz der reißerischen Titels und der geradlinigen Handlung wirkt „Tote gehen ihren Weg allein“ eher schnell runter geschrieben als sorgfältig konzipiert. Zu viele Fragen bleiben am Ende der Handlung offen. Das beginnt beim Eifersuchtsdrama. Mitten in der Handlung findet sich eine erotische Anspielung, die scheinbar der Eifersucht des Unternehmers Nahrung gibt. Am Ende wird diese Szene durch die Enthüllungen negiert und der Leser fragt sich unwillkürlich, warum Brand seinem Protagonisten diese Szene auf den Leib geschrieben hat. Wahrscheinlich um den Spannungsbogen hoch zu halten. Auch am Anfang sind die beiden Entführungsversuche zwar interessant inszeniert, können aber im Gesamtkomplex nicht unbedingt überzeugen. Der Autor beschreibt Crack als einsamen Wolf, einen typischen Einzelgänger, dessen Ziel nur seine Arbeit ist. Dabei schert er sich augenscheinlich nicht um Corporate Identity oder hierarchische Ordnung, sondern sieht nur seine Erfindungen und sich selbst. Am Ende versucht Brand dann aus diesem Charakter einen immer noch einsamen, aber eher zielgerichteten Mann mit einem weichen Herzen zu machen. Eine weitere Schwäche ist, dass Brand emotionale Beziehungen – Mann/ Frau oder Vater/Tochter – zu oberflächlich.
Das wirkt nicht überzeugend – wie auch die Charakterisierung seiner Figuren immer eine Schwäche in seinem Werk darstellte – und die Enthüllungen notdürftig zusammengesucht. Hier wäre es interessanter gewesen, einen Außerirdischen die Identität übernehmen und ihn zur Erde zurückkehren lassen, um eine Rolle zu spielen. So vergeht scheinbar zwischen den beschriebenen Konflikten und Thomas Cracks Auftauchen in der Firma zu viel Zeit, um als Erklärung für die Ereignisse zu dienen.
„Tote gehen ihren Weg allein“ verschenkt sehr viele Ideen mit einer zu geradlinigen und wenig überzeugenden Handlung, Versatzstücken, die nicht unbedingt zusammengehören und letzt endlich einem ins Leere gehenden Höhepunkt. Die einzelnen Puzzleteile hätten ein interessantes Gesamtwerk ergeben können, hier wirken sie alle isoliert und seltsam farblos.
Der dritte und letzte Roman der Sammlung trägt einen ähnlich reißerischen und einprägsamen Titel: „Welten sterben wie Fliegen“. Der Erstveröffentlichung als ZAUBERKREIS SF 122 im Jahr 1972 folgte unter dem leicht veränderten Namenszug „Der Boss- Welten sterben wie Fliegen“ fünf Jahre später eine Neuveröffentlichung als Erber Großband.
Harr Gonder ist ein Selfmademann. Er hat sich einen unglaublich mächtigen Konzern aufgebaut, dessen Status den Regierenden ein Dorn im Auge ist. Über Jahre haben sie versucht, seine Macht einzuschränken, während er sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Als sein Neffe ihm von einer unglaublichen Erfindung berichtet, die Sauerstoffwelten ihre Atmosphäre entziehen kann, wittert er seine Chance, den Konflikt zu seinen Gunsten zu entscheiden.
Bombastisch und wissenschaftlich so unfundiert wie möglich beschreibt Kurt Brand die grundlegende Idee, den Planeten ihre Atmosphäre zu stehlen. Die Planeten müssen innerhalb kurzer Zeit evakuiert werden. Auch wenn Gonder scheinbar seine Hilfe anbietet, geht es ihm in erster Linie um den eigenen Profit. Natürlich entsteht in seinem kranken Kopf der Titel „Welten sterben wie Fliegen“ und die aus dem Subgenre des Krimis extrapolierte Idee beeindruckt schon.
Dazu hat der Autor mit Gondor einen Bösewicht geschaffen, der unvermittelt an die James Bond in die Zukunft projektiert erinnert. Intelligent, mächtig, exzentrisch und egoistisch. Wenn er seinen Verwandten auffordert, ihn zu Sietzen und mit Nachnamen anzusprechen, wirkt diese Szene bedrohlich und nicht lächerlich. Auf der anderen Seite findet sich in einer entschlossenen jungen Wissenschaftlerin der einzige wirklich erstzunehmende und intelligente Mensch, der ihm die Stirn bieten kann. Gonder versucht die junge Frau zu ermorden, doch seine Versuche scheitern. Leider verzichtet Brand auf eine direkte Konfrontation der beiden so unterschiedlichen Charaktere und insbesondere das Ende des Romans zielt ins Leere. Als ermerkt, dass sein Plot entdeckt worden ist, ergibt sich Gonder widerstandslos. Ein dramatischer Höhepunkt hätte dem ansonsten trotz des groß angelegten Rahmens sehr ruhig aufgebauten Romans gut getan. Über weite Strecken wirkt die Handlung eher wie ein Expose. Wichtige Ereignisse beschreibt Brand fast ausschließlich. Dann kommen wieder einzelne Passagen, in denen Dialoge im Mittelpunkt stehen. Nach einem kurzweiligen, breit angelegten Auftakt wird der Fokus immer kleiner und der Leser hat unwillkürlich den Eindruck, dass der Autor schon nach den ersten zwanzig Seiten erkannt hat, nicht mit dem Platz auskommen zu können. Da er auch keinen Zweiteiler abliefern konnte, laufen zu viele Handlungsfäden ins Nichts. Zwischen den Zeilen finden sich eine Reihe von interessanten Ideen – so findet Gonders Imperium immer wieder neue, bewohnbare Planeten, auf die sie die Menschen der von ihrer Waffe bedrohten Welten gerne kontrolliert umsiedeln möchten oder eine Welt sondert sich aus dem Reich ab, um so vielleicht der vollkommenen Vernichtung zu entgehen - , auf die Brand in folgenden Romanen zurückgekommen könnte. Ein offenes Ende oder die Nutzung eines Handlungsstranges hätte dem Roman besser zu Gesicht gestanden.
Alle drei Romane stammen – wie schon eingangs beschrieben – aus der Übergangsphase Kurt Brands. Das es ihm nicht an Ideen mangelt, unterstreichen sie alle in unterschiedlicher Form. Insbesondere „Welten sterben wie Fliegen“ oder „Schatten der Vergangenheit“ wirken wie Bestandteile einer größeren, wohl nie realisierten Heftromanserie. Dabei nimmt der erste Band eher Bezug auf die folgenden Raumschiff Promet Romane mit einem Konzernherren, der wie eine dunkle Inkarnation Orbs wirkt und „Schatten der Vergangenheit“ hätte gut und gerne eine Nebenhandlung der Ren Dhark Serie sein können mit einer anderen Welt als der Erde im Mittelpunkt. Trotz der oft zu gerafften Handlung ist Kurt Brand weiterhin ein starker, ein charismatischer Erzähler, der sich um Strukturen oder Plots weniger kümmert als um eine fließende, actionreiche Geschichte. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch wirkt, ist ein Markenzeichen Brand. Der Leser wird von der explosionsartig beginnenden Handlung – manchmal mehrere kurze Szenen, scheinbar ohne System angeordnet wie in „Tote gehen ihren Weg allein“ – mitgerissen und fragt nach sich erst nach Abschluss der Lektüre sechzig Seiten weiter, was er wirklich gelesen hat und wie das alles miteinander zusammenhängt. Aus heutiger Sicht unterstreichen die drei Romane nicht nur den Einfallsreichtum eines der unterschätzenden Autoren der „zweiten“ nicht Perry Rhodan Garde, sondern im Vergleich zu heutigen Heftromanserien, die oft weniger Ideen und mehr endlos gedehnte und mit Lückenfüllern aufgeblasene Zyklen präsentieren, sind sie unterhaltsam und popig bunt. Unwillkürlich erwecken sie Erinnerungen an die eigenen Jugendtage, in denen man die Zeit hatte, Dutzende der Romane zu verschlingen und sich glänzend unterhalten fühlte.
Kurt Brand: "Schatten der Vergangenheit"
Roman, Softcover
Mohlberg 2005
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