rezensiert von Thomas Harbach
Der elfte Band der Kurt Brand Edition beinhaltet wie seine Vorgänger Romane aus der frühen Schaffensperiode – „Raum der schwarzen Sonne“ und „Die geheimnisvolle Formel“ – als auch eine seiner letzten Science Fiction Arbeiten. Auch wenn mit dieser auf den ersten Blick willkürlichen Zusammenstellung eine chronologische Betrachtung seines Werkes nicht möglich ist, weist die Gegenüberstellung von „alt“ und „neu“ auf Ideen und Vorgehensweisen hin, die sich durch Kurt Brands gesamtes Werk ziehen.
„Raum der schwarzen Sonne“ ist 1957 im Kölner Steinebach- Verlag erschienen. Als Terra 85 ist das Buch ein weiteres Mal aufgelegt worden. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen eine Raumexpedition mit einem neuen Antrieb – ein beliebtes Motiv – und ein Reporter, der diesen Flug begleitet. Die Figur des theoretisch passiven Berichterstatters, der allerdings mit seinen Einfällen die eigentlichen Profis mehr als einmal aus Schwierigkeiten rettet, wird zu einer Institution im Brand´schen Werk. Der Roman selbst ist ein farbenprächtiges Abenteuergarn, in welchem der Autor mit seinen Ideen vor allem zu Beginn gerade zu fahrlässig umgeht. Immer wieder scheint Brand ein Einfall zu kommen, der sofort in die stringente Handlung integriert wird. Auf der Mitte des Romans nimmt sich der Autor die Zeit und Muße, aus seinem wirklich originellen Kosmos eine Handlung zu zimmern. Diese lebt allerdings weniger von den eindimensionalen und teilweise arg klischeehaft gekennzeichneten Charakteren, sondern mehr von dem fremdartigen Universum, in welche das Raumschiff mit seiner Besatzung eindringt. Stellenweise wünscht man sich ein wenig mehr actionorientierte Dynamik, im Vergleich zu seinen späteren Büchern versucht Brand teilweise zu viel zu schnell zu erklären und weniger die Phänomene auf den Leser einwirken zu lassen. Die Sprunghaftigkeit, die Kombination von auf den ersten Blick irrwitzigen und konträren Ideen sowie seine stilistischen Exzentrizitäten sind Beweise für einen echten Kurt Brand Roman, mit denen er sich über Jahrzehnte von anderen deutschen Autoren unterscheiden sollte. Im positiven wie im negativen.
Ein Jahr später veröffentlichte Kurt Brand mit „Die geheimnisvolle Formel“ im Dörner Verlag einen der wirklich so typischen Romane für seine oft exzentrischen Strukturen. Die Geschichte ist zweimal nachgedruckt worden. Eine simple Ausgangssituation. Der Protagonist wird beschuldigt, einen Menschen überfahren zu haben. Dieser kann sich zwar an die Begegnung, aber nicht mehr an das Überfahren erinnern. Danach wird er in ein geheimnisvolles Experiment einbezogen, in dem die Erde mit 20.000 Bohrungen bis zum Erdkern durchlöchert wird. Sinn und Zweck bleiben im Dunkeln. Schließen tauchen Roboter auf, welche die Herrschaft über die Menschen übernehmen könnten. Sie werden von außerirdischen Intelligenzen gelenkt, die wiederum ihr Wissen von Raumfahrern haben, welche im All verschollen sind. Zu dieser Gruppe gehört der Vater des Protagonisten, der mit einer verzweifelten Tat seinen Sohn stellvertretend für die Menschheit auf die Gefahr hinweisen möchte. Teilweise ein wenig sehr konfus, von Ideen übersprudelnd, die Brand teilweise mit einer erstaunlichen Naivität miteinander kombiniert. Mit dem Experiment spannt Brand den Bogen zu seinem ersten Roman „Türme in der Sahara“ (1951). Diese utopisch technisch Ausführung erinnert an Hans Dominik. Kaum hat sich der Leser an diese Ebene gewöhnt, dreht Brand den Spieß komplett um und macht aus allem eine Alieninvasionstory. Oder leidet der Protagonist nur unter den Folgen seines Unfalls? Von den drei hier zusammengefassten Romanen ist „Die geheimnisvolle Formel“ auf der einen Seite die un-
Wahrscheinlichste Geschichte, auf der anderen Seite allerdings am besten und leichtesten zu lesen. Sehr unbekümmert mit einer Mischung aus optimistischer Naivität und unkontrollierter Erzähllust springt Brand von einer Situation zur anderen, verliert teilweise unterwegs seine Leser, macht einen großen Bogen, um diese wieder einzufangen und eilt dann nahtlos weiter fort. Das Ende ist wie so oft in seinen Heften mangels Platzmangels abrupt, überstürzt und eiligst konstruiert. Bis dahin wird der Leser aber auf hohem Pulpniveau sehr gut unterhalten.
Der letzte Roman des Bandes ist auch einer der letzten Science Fiction Romane, die Kurt Brand serienunabhängig geschrieben hat. „Die Skorpione aus dem Silur“ erschien 1976 in der kurzlebigen Grusel- SF Reihe des ERBER- Verlages. Handlungstechnisch weißt das Buch nicht nur einen starken Horroreinschlag auf, sondern viele Facetten aus Kurt Brand umfangreichen Werk werden nicht immer gänzlich neu interpretiert. Da ist der Einzelgänger, ein Raumschiffkapitän, der als einziger lebender Mensch keine Paramuster aufweist und somit der lückenlosen Überwachung durch die irdische Regierung entschlüpfen könnte. Eine unmögliche Sache. Bevor man diesen Fakten weiter folgen kann, tauscht der Kapitän unfreiwillig die Identität mit jemand anderem. Er ist als sich des Tausches bewusst. Der Fremde tötet in seiner alten Identität einen Wissenschaftler und lässt die fremde ID- Karten am Tatort zurück. Jetzt ist der Protagonist nicht nur ein geächteter, sondern wird von den Hintermännern/ Wesen der Aktion auf seine eigentliche Bestimmung angesprochen. Auf der Erde haben einige Forscher und die Militärs inzwischen Zweifel, dass ihre lückenlosen Systeme wirklich funktionieren. Nur der Leser und der Protagonist kennen den Schlüssel und wissen um die heimliche Invasion der Außerirdischen.
Ein Mann wird plötzlich aus seinem bisher abenteuerlichen, aber überschaubaren Leben gerissen. Wie so oft handelt es sich – wenn es kein Reporter ist – um einen Selfmade Millionär, der mit seinen Entdeckungen nicht nur ein Vermögen gescheffelt hat, sondern auch den technischen Fortschritt auf der Erde angekurbelt hat. Wie in vielen Brand Romanen wird diesen erfolgreichen selbstständigen Unternehmern mit einem Schlag ihre Existenz genommen. Impliziert könnte man hier den Autoren erkennen, der mehr als einmal lukrative Projekte – siehe „Perry Rhodan“ oder auch die Einstellung von „Ren Dhark“ – aufgeben musste. Im Gegensatz allerdings zu seinen früheren Romanen ist der Protagonist Opfer einer Verschwörung und wird insbesondere in der ersten Hälfte des Buches unter dem suggestiven Einfluss der Fremden mehr oder minder hin und her getrieben. Handlungstechnisch bietet der Roman nach dem bekannten Invasionsschema zu Beginn wenige wirklich überzeugende Szenen. Als Kurt Brand in seiner bekannten Manier allerdings den Plot auflöst, überrascht der Autor mit einer Reihe von Szenen und Ideen, die er scheinbar nebenbei aus seinem Schriftstellerhut zieht, nicht weit extrapoliert und als Faktum einfach in seinen Spannungsbogen integriert. Der Roman selbst ist routiniert geschrieben, nach dem guten Auftakt wird das Geschehen zu distanziert bis mechanisch erzählt. Im letzten Drittel allerdings gehört „Die Skorpione aus dem Silur“ zu seinen besseren Arbeiten. Die wenigen Handlungsebenen laufen geschickt zusammen und mit einer für seine Hefte so typischen Moral mit einem großen erhobenen Finger in Richtung Frieden und Kooperation endet die Handlung und im Grunde auch sein utopisches Werk.
Die vorliegende Sammlung zeigt zum wiederholten Male, dass Kurt Brand durchaus als Reinkarnation des Golden Age des amerikanischen Science Fiction im Leihbuch oder Heftromane bezeichnet werden kann. Viele seiner Bücher erinnern dank ihres Ideenreichtums und ihrer teilweise bizarren Strukturierung an frühe Werke Alfred Elten van Vogts. Von der Bandbreite seiner Ideen, der Kombination verschiedener Subgenre miteinander und dem rasanten Ablauf erreicht er mehr als einmal das Niveau von Van Vogts durchschnittlichen Arbeiten. Zu seinen Meisterwerken fehlt Brand die kosmische Vision, seine Geschichten konzentrieren sich auf einzelne Charaktere, welche erstens die Erde retten und zweitens das Mädchen kriegen müssen. Diese Bodenständigkeit macht die Hefte auch heute noch zu einem Lesevergnügen und hat sie deutlich weniger altern lassen – auch wenn die Figuren inzwischen zu Klischee des Heftromans erstarrt worden sind – als viele von Kurt Brands Mitbe
Kurt Brand: "Kurt Brand Edition Band 11"
Roman, Softcover, 354 Seiten
Heinz Mohlberg Verlag 2007
ISBN 3-9401-8103-X
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