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Science Fiction (diverse)



Sergej Lukianenko

Das Schlangenschwert

rezensiert von Thomas Harbach

Der Beltz Verlag legt mit „Das Schlangenschwert“ den ersten Jugendroman aus der Feder des russischen Erfolgsautoren Sergej Lukianenko vor. In Deutschland ist er in erster Linie durch seine „Wächter“ Trilogie –bestehend aus jeweils drei kürzer, in der letzten zusammengefassten Geschichten – bekannt geworden. Dazu kommt die opulente Verfilmung des ersten Bandes, die allerdings eher sich zum Dauerbrenner auf DVD als echte Konkurrenz für den schnell zitierten kleinen Magier aus England entpuppte. Diese Intention verfolgt der 1968 geborene Psychiater auch gar nicht. Im geht es um die Darstellung des Kampfes zwischen Gut und Böse, in welchem beide Seiten – wie im realen Leben – in erster Linie durch Kompromisse und Komplotte Erfolg haben. Mit dem vorliegenden Band – obwohl das Cover der Hardcoverausgabe die Fantasy- Elemente betont – liegt ein klassisch orientierter, aber sehr modern geschriebener Science Fiction Roman für jüngere und ältere Leser vor. Im März 2007 folgt im Heyne Verlag als Paperback ein weiteres Science Fiction Epos.

Wer allerdings plüschige Geschichten in der Tradition eines Robert A. Heinleins oder Jack Vances – die mit exotischen, aber teilweise unglaubwürdigen Handlungen junge Menschen zum ersten Mal mit dem utopischen Stoff konfrontierten – erwartet, wird nur teilweise befriedigt. So beginnt die fast obligatorische Entwurzelung des Protagonisten – den Jungen Tikkirej – mit der staatlich geförderten Euthanasie seiner Eltern. Der Vater arbeitslos, die Mutter mit einer Stelle, die kaum genug Geld bringt, um Überleben zu können, das drohende Schicksal, die überkuppelte Siedlung verlassen zu müssen, um in der radioaktiv strahlenden Außenlandschaft des Planeten leben zu müssen, beschließen sie, sich töten zu lassen, mit ihr Sohn zumindest ebenfalls staatlich gefördert eine ordentliche Ausbildung bekommt und vor allem einige Jahre noch in der Wohnung leben kann. Dieser beschließt nicht zuletzt aufgrund des Schocks, auf einem Raumfrachter anzuheuern. Aber auch hier fehlt die Romantik früherer Bücher, die Jungen werden einem Mentaltest unterzogen, wer hohe Werte hat, kann sich für mindestens fünf Jahre verpflichten, danach ist insbesondere das Willenszentrum ausgebrannt und man ein lebender Zombie. Trotz dieses Risikos nehmen immer wieder junge Menschen diese Strapazen auf sich, das Ziel ist das eigene Kapitänspatent und damit die Freiheit. Der Junge hat trotz dieser nihilistischen Tendenzen Glück. Schließlich will Lukianenko ja eine Geschichte erzählen und seine Leser nicht mit dunklen Bildern erschlagen. Insbesondere dank der dunklen Auftakt entwurzelt er nicht nur seinen Protagonisten, sondern gibt vor allem seinen Lesern keine Basis, um sich mit dem „Helden“ –dessen Welt im wahrsten Sinne des Wortes in Fluss geraten ist – zu identifizieren. Er verfügt zwar über ein wenig mehr Wissen als der Leser, aber im Grunde erfahren und erkunden die beiden – fiktiver Charakter und erwartungsfroher, aber ein wenig geschockter Leser – die Ereignisse auf Augenhöhe. Mit einer manchmal ein wenig überzogenen Naivität und dem Hang, selbst im finsteren Moment zwar auf harte, vom Leben gezeichnete, aber doch verständnisvolle und vor allem gutmütige Raumfahrer zu treffen spulen sich in der ersten Episode fast zu viele Ereignisse schnell hintereinander weg. Insbesondere unkundige Leser werden teilweise von seinem Ideenreichtum überfahren und hier fehlt ein übergeordneter Erzähler, die – wie in seinen „Wächter“ Serien so typisch – mit ein wenig Ironie, aber auch Humor das Geschehen kommentiert und ergänzt. Auf dem ersten Planeten kann sich der Junge aus seinem Vertrag aufgrund der Großzügigkeit der Besatzung „befreien“ – obwohl es sicherlich ein Verlustgeschäft für das Schiff gewesen ist und die Argumente zur Vertragsauflösung eher fadenscheinig als wirklich überzeugend sind – und die Oberfläche erkunden. Sehr schnell erkennt er, dass seine finanziellen Mittel nicht reichen und nimmt einen Aufpassierjob für einen sympathischen, aber verschlossenen Kapitän an. Er soll dessen Haus in seiner Abwesenheit bewachen. Diese Bewachung – für den Jungen im Grunde sinnlos – ist der Katalysator für eine jetzt beginnende galaktische Odyssee mit heimtückischen Außerirdischen, einem Kolonialkrieg und schließlich dem Schlangenschwert, das sich natürlich Tikkirey als neuen Träger aussucht.

Sergej Lukianenko gelingt es mit wenigen Strichen, eine sich immer wieder schnell ändernde, exotische Welt zu erschaffen. Dabei ist der Kontrast zwischen den einzelnen Handlungsabschnitten teilweise frappierend. So wird ein junger Freund von ihm Opfer einer Attacke außerirdische Wesen, die alle Planetenbewohner zu willenlosen Sklaven machen. Da er in dieser Manipulation von Tikkirey befreit worden ist, wirkt er autistisch. Der Junge muss und will sich jetzt nicht nur um seinen Freund kümmern, so muss auch den Lebensunterhalt für die beiden Verdienen. Sehr realistisch – wenn auch die Ausgangssituation ein wenig konstruiert erscheint – beschreibt der Autor diese harte Aufgabe. Manipulation – geistig, körperlich – mit der Intention, einen lebenden Zombie oder einen körperlich devoten Sklaven zu machen zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. In verschiedenen Inkarnationen kann der Leser diese Willensbeeinflussung verfolgen. Dabei reicht das Spektrum von Regierungsaktionen bis zu den willkommenen bösen Außerirdischen. Vielleicht ist eine derartige Konzentration reiner Zufall für einen Roman aus dem modernen Russland, aber nicht selten hat der Leser den Eindruck, als ob – wie in der Tradition der russischen Utopie – Lukianenko einfach Verhältnisse seines Landes auf andere Planeten – keine Geschichte spielt wirklich auf der Erde – überträgt. Das ausgerechnet die Legende von Albert (Einstein) und den beiden Atombomben als Beweis eines geschickten Bluffs überlebt hat, wirkt dagegen deutlich zu sehr antiamerikanisch und ragt wie ein Stachel aus dem ansonsten sehr klassisch geschriebenen Text.

Die Zeichnung der Charaktere, allen voran natürlich Tikkirej, aber auch Lion und Stasj, beinhalten eine Reihe von Überraschungen für den Leser. Während Stasj eher undurchdringlich ist und man seine Beweggründe bis zuletzt nicht vollends durchschauen kann, ist Tikkirej ein offenes Buch. Dies liegt wahrscheinlich auch daran, dass „Das Schlangenschwert“ in der Ich-Perspektive. Damit relativiert der Autor in einigen Passagen die Spannung – der Leser weiß, daß der Held überleben wird –, der Vorteil wäre eine engere Bindung zwischen dem außen stehenden Betrachter und dem Protagonisten. Diese gelingt aber überraschenderweise nicht immer. Dafür greift der dann fast entschuldigend auf Versatzstücke des globalen Jugendromans zurück.
Die für Jugendliche typischen Probleme, wie der erste Kuss und die Gegensätze zwischen Jungen und Mädchen, werden an einigen Stellen eingebracht. Vor der Zeit des Imperiums lebte man im „Dunklen Zeitalter“, eine von Frauen dominierte Epoche. Als man allerdings die Raumfahrt entdeckte, stellte sich heraus, dass Frauen wegen des fehlenden Y-Chromosoms in Zeittunneln starben, weshalb sie vor ebensolchen Reisen in Anabiose, einen künstlichen Schlaf, versetzt werden müssen. Daher werden Frauen zu Tikkirejs Zeiten von bösen Zungen als „Gepäckstücke“ bezeichnet, da reisende Männer oftmals Anabiosekapseln mit ihren Frauen und Töchtern hinter sich herschleppen. Diese Abschnitte wirken nicht nur deplatziert, sondern in der ihrer Konzeption veraltet. Es ist schade, das Lukianenko auf solche Klischees zurückgreift, um seine oft phantastischen Ideen mit Hintergrundinformationen zu versehen. In ihrer Anzahl stehen sie aber hinter einigen sehr originellen Ansätzen zurück- siehe die Landung in einem Raumschiff aus Eis, das nach der Landung schmilzt.
Leider wirkt dieses Abarbeiten von unnötigen Vorurteilen ermüdend wie Jungen finden, dass Mädchen doof sind und sie sich von Mädchen nichts sagen lassen müssen oder Jungs prügeln sich mit Gleichaltrigen, um Anerkennung zu erlangen und machen Dummheiten, wie etwa das Betreten einer Eisfläche, ohne die Dicke des Eises überprüft zu haben. Etwas mehr Gefühl und Hinwendung von den Jugendroman-typischen Eigenheiten hätte hier keinesfalls geschadet – der Schwerpunkt liegt hier eindeutig auf den Science-Fiction-Elementen.
Das Schlangenschwert, Tikkirejs einzige Waffe, ist eigentlich gar kein Schwert, sondern eine Plasmapeitsche. Neben den normalen Attacken kann sie aber noch einiges mehr und verbindet sich mit den Gedanken des Trägers, um ihm beispielsweise zu zeigen, dass Wanzen in der Nähe versteckt sind – die dann flugs vom Schwert ausgeschaltet werden. Weshalb der Roman den Titel „Das Schlangenschwert“ bekommen hat, wird einigen Lesern unklar sein, denn in Wirklichkeit spielt das Schwert keine allzu wichtige Rolle und trägt auch keinen entscheidenden Teil zum Ausgang der Geschichte bei. Im Vergleich zu anderen Abschnitten hätte der Autor hier intensiver die Details herausarbeiten sollen oder müssen. Der Kampf gegen „die Bösen“, den Inej, ist nicht die einzige Maxime, auch auf die Themen Freundschaft, Recht auf Selbstbestimmung und Sehnsucht nach einer besseren Welt wird großer Wert gelegt.
Der russische Autor lässt seiner Fantasie freien Lauf und erfindet originelle Details, die das Lesen dieses Romans zu einem zeitlosen Genuss werden lassen. Als Beispiel sei hier der so genannte Neuroshunt genannt, ein kleiner Computer, den jeder Bewohner des Imperiums am Kopf über dem Ohr trägt. Diverse Kabel lassen sich daran befestigen und man kann damit online gehen, Fernsehen schauen und vieles mehr. Außerdem tummeln sich nicht nur Menschen im Imperium, sondern auch wie in seiner Wächterserie Zwittergeschöpfe, Halflinge und andere Kreaturen, über die der Leser allerdings zu wenige Informationen erhält. Dies mag auf Anhieb nicht besonders originell klingen, ergibt aber ein durchaus stimmiges und stimmungsvolles Gesamtbild.
Neben der eigentlichen Geschichte sind es zudem immer wieder für das Zielpublikum überraschend progressive, aber nicht an den Fundamenten rührende, philosophisch angehauchte Monologe wie Dialoge, die den Leser in den ruhigen Passagen der Handlung binden. Tikkirej denkt viel über den Freitod seiner Eltern nach, denen gegenüber er sich natürlich verpflichtet fühlt, eine bessere Zukunft für sich selbst aufzubauen. Auch sein Freund Lion, den er auf Neu-Kuweit kennen lernt, trägt einiges zur multikulturellen Basis bei, denn auf verschiedenen Planeten herrschen verschiedene Sitten. Allein schon die Tatsache, dass die Geschichte mit der Selbstopferung der Eltern Tikkirejs beginnt, lässt den Leser aufhorchen und ist ein ungewöhnlicher Auftakt für einen rasant geschrieben und als Ganzes betrachtet überzeugenden Roman.

Sergej Lukianenko: "Das Schlangenschwert"
Roman, Hardcover, 640 Seiten
Beltz Verlag 2007

ISBN 3-4078-0993-X

Weitere Bücher von Sergej Lukianenko:
 - Der falsche Spiegel
 - Der Herr der Finsternis
 - Die Ritter der vierzig Inseln
 - Labyrinth der Spiegel
 - Spektrum
 - Sternenschatten
 - Sternenspiel
 - Trix Solier- ein Zauberlehrling voller Fehl und Tadel
 - Weltengänger
 - Weltenträumer
 - Wächter der Ewigkeit
 - Wächter der Nacht
 - Wächter des Morgen

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