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Science Fiction (diverse)



Sergej Lukianenko

Weltengänger

rezensiert von Thomas Harbach

Mit “Weltengänger” legt der Heyne- Verlag nach “Spektrum” einen weiteren serienunabhängigen Roman des russischen Science Fiction und Fantasy Schriftsteler Lukianenko vor. Im Beltz Verlag ist mit “Das Schlagenschwert” ein auf den ersten Blick eher für ein jugendliches Publikum geschriebener Roman veröffentlicht worden. Seine Wächter Tetratologie liegt inzwischen komplett im Heyne- Verlag vor. Im Gegensatz zu diesen Fugen - sie setzen sich aus der unterschiedlichen Novellen zusammen, deren Plots in der letzten Geschichte zusammengefasst und abgeschlossen werden - handelt es sich bei seinen Solowerken um komplexe Romane, die zwar auf unterschiedlichen Welten spielen, in denen Lukianenko inzwischen deutlich verhaltener allerdings auch die Zustände in seiner Heimat mit der klassischen russischen Melancholie kritisiert und parodiert. Im Gegensatz zum deutlich dunkleren und interessanteren “Spektrum” wirkt der vorliegende Roman teilweise wie eine Parodie auf das phantastische Genre. Seine Charaktere - inklusiv des zu Beginn sehr hilflosen und deswegen sympathischen Ich- Erzählers - kenn sich ein wenig im Genre aus und wenn er zusammen mit einem guten Freund einen sehr populären russischen Science Fiction Autoren besucht, hat der Leser das Gefühl, Lukianenkos Alter Ego zu begegnen. Neben den Strugatzkis wird auf einige amerikanische Autoren hingewiesen, ohne sie beim Namen zu nennen. Das hat nicht zuletzt den Hintergrund, da sich Kirill, der Ich- Erzähler - in einer Situation wieder findet, wie sie den Pulpgeschichten der dreißiger Jahre ohne Probleme entnommen worden sein könnte. Er kommt von der Arbeit wieder, schließt die Tür zu seiner kleinen Einzimmerwohnung in einem Moskauer Hochhaus auf und trifft in seiner Wohnung eine attraktive, aber ihm gänzlich unbekannte Frau. Diese behauptet, seit drei Jahren in seiner Wohnung zu leben. Während seine aufdringlichen Nachbarn Kirill zumindest zu erkennen scheinen, ist seine Behausung gänzlich anders gestaltet - zu anders, um diese Arbeiten in einem Tag erledigen zu können - und seine Papiere sind bis auf seinen Ausweis verschwunden. Viel schlimmer ist, dass sein Hund ihn auch nicht mehr erkennen will. Nachdem die Miliz das Chaos nicht aufklären kann, sucht Kirill Hilfe bei einem Freund. Dieser hat schon Schwierigkeiten, sich an ihn zu erinnern. Am nächsten Tag kennt ihn niemand mehr an seinem Arbeitsplatz, seine Nachbarn haben ihn inzwischen vergessen, seine Eltern sind im Urlaub und seine gesamte Existenz vom Ausweis bis zu seinem Konto beginnt sich langsam aufzulösen. Kann ein Mensch ohne Spuren zu hinterlassen aus einer Existenzebene verschwinden? Hilfe verspricht nur sein Freund, der auf seinem Computer die letzte Begegnung mit Kirill niedergeschrieben hat und sich immer nach der Lektüre des Textes für einen Augenblick stärker und nachhaltiger an seinen Freund erinnern kann. Der Auftakt gehört zu den stärksten Szenen des Buches. Mit dem notwendigen Ernst, aber slapstickartigen Seitenhieben auf das Leben in den anonymen Wohnhochhäusern, der Schiebermafia, die sich auch nicht scheut, Mieter aus ihren Wohnungen zu drängen und den exzentrisch überzeichneten Nebenfiguren hat Lukianenko das sich über Kirill ausbreitende Chaos sehr gut im Griff. Der Ich- Erzähler kommentiert das Geschehen mit einigen sehr bissigen, satirischen Anmerkungen und versucht selbst, seine Hilflosigkeit hinter der Fassade des harten Mannes zu verbergen. Wenn die beiden unfreiwilligen Helden schließlich den russischen Science Fiction Autoren aufsuchen, dessen Ratschläge oberflächlicher Natur sind, erreicht das erste Abschnitt des Buches seinen vorläufigen Höhepunkt. Kirill erfährt schließlich, dass er nicht der einzige Mensch ist, der aus seinem Leben mehr oder minder unfreiwillig verschwunden ist. Auf der Suche nach weiteren Schicksalsgenossen erfährt er, dass es eine Reihe von Parallelwelten gibt und ihm eine bestimmte Aufgabe zugewiesen worden ist. Mit dem Wechsel der Existenzebene beginnt sich “Weltengänger” - der deutsche Titel weißt viel zu schnell auf die mögliche Lösung hin und erinnert absichtlich an die Zwielichtwelten, in denen einige der “Wächter” Novellen spielten - handlungstechnisch zu dehnen, ohne weiterhin zu überzeugen, Insbesondere die charakterlicher Wandlung Kirills entfremdet die Figur vom Leser und macht das weitere Geschehen teilweise trotz der Ich- Form langweiliger und distanzierter. Insbesondere die Besuche auf den fremden Welten - so geschickt Lukianenko ihnen auch einzigartige Wesenszüge zu verliehen sucht - sind im Vergleich zum spitzigen Anfang eher langweilig und wirken erstaunlich uninspiriert. Hier wäre es sinnvoller gewesen, sich vielleicht auf eine Welt zu beschränken und die Möglichkeit weiterer Parallelwelten zu implizieren. Dazu macht der Autor in seinem eher geradlinigen bodenständigen Roman am Ende zu wenig aus der Idee und versucht das klassische Science Fiction Ausgangsszenario mit einem phantastisch- mystischen Unterbau zu versehen. Diese Vorgehensweise wird sich insbesondere am Ende des Buches im obligatorischen Showdown rächen. Hier wirken seine Erläuterungen teilweise zu bemüht und zu konstruiert, als wirklich nach dieser unterhaltsam geschriebenen Fantasy Geschichte mit Science Fiction Elementen überzeugen zu können. Der Weg dahin ist vielschichtig und mit der Wandlung vom irritierten Einzelgänger zum Zollwächter wendet sich Kirills Figur auch zu stark vom Leser ab. Immerhin ist Kirill die einzige wirklich überzeugende Identifikationsfigur, alle anderen Charaktere wirken seltsame eindimensional und im Grunde zu menschenähnlich. Hier wäre es sicherlich angemessener gewesen, unterschiedliche Wesen zu etablieren und mit deren Fähigkeiten zu spielen. Auch ist die übergeordnete Figur am Ende des Buches keine rechte Überraschung mehr. Von den zwei möglichen Protagonisten wird der eine getötet, der andere muss sich als der Schurke und Manipulator entpuppen. Hier macht es sich Lukianenko in seinem Handlungsrahmen zu einfach.

Dabei ist “Weltengänger” trotz oder gerade wegen der bekannten Prämisse kein schlechter Roman. Der Russe kann auf gehobenem Niveau gut unterhalten und das vorliegende Werk liest sich sehr flott. Erzähltechnisch überrascht er seine Leser immer wieder mit netten und vor allem originellen Anekdoten. Dabei scheint das moderne Russland insbesondere für westliche Leser genauso fremd zu sein wie die untergegangene UdSSR oder vielleicht das Reich des Zaren. Immer wieder betont Lukianenko neben der angeborenen Schwermut, dass sich die russische Seele in einem permanenten Rauschzustand befindet. Hervorgerufen vom starken russischen Tee oder Wodka. Die Angst vor der Mafia tritt hier in den Hintergrund, die Furcht vor der russischen Miliz wird eindeutig mehr betont. Es ist allerdings erstaunlich, dass Lukianenko aus dieser fast kontinuierlichen Bedrohung so wenig macht. Seine Nebenfiguren überzeichnet er bei den jeweils ersten Begegnungen, sie wirken wie groteske Parodien russischer Durchschnittsbürger. Nach der guten und teilweise sehr gelungenen Einführung der einzelnen Protagonisten macht der Autor allerdings zu selten den zweiten oder notwendigerweise dritten Schritt, so dass diese Nebenfiguren ebenso zu verblassen beginnen wie Kirill für seine gesamte Umgebung. Die grundlegende Idee der Parallelwelten ist nicht neu. Auch in seiner “Wächter”- Tetralogie hat Lukianenko eine Schattenwelt eingeführt, in der sich die Wächter des Tages und der Nacht bekämpfen. Immer wieder kommt es zu Überschneidungen mit der normalen menschlichen Existenz. Diese Überschneidungen finden sich auch im vorliegenden Roman, allerdings suchen mehr und mehr Menschen das Verschwinden und einen Neubeginn zum Teil als Funktionale in den anderen Welten. Mit großer Erleichterung registriert allerdings der Leser, dass sich Lukianenko nicht entschlossen hat, eine russische “Matrix” Version oder gar eine weitere Interpretation von Galoyes Bahnbrechendem “Welt am Draht” zu schreiben. Insbesondere im eher belanglosen dahin dümpelten Mittelteil entsteht im Leser das Gefühl, als wolle Lukianenko nicht über die Vorgaben der oben erwähnten Vorgänger hinausgehen. In letzter Sekunde entschließt er sich, seine Geschichte eine weitere Wendung zu geben. Auch wenn er, was die Erklärungen angeht, frustrierend offen bleibt und damit einer möglichen Fortsetzung alle Türen öffnet. Hier wäre es sinnvoller gewesen, zumindest die plottechnische Handlungsebene deutlich befriedigender und konsequenter zu Ende zu führen. Ähnliche Schwächen zeichnete insbesondere sein Jugendbuch “Das Schlagenschwert” aus, auch wenn hier der Plot und insbesondere die Science Fiction Elemente origineller eingesetzt worden sind. Bei “Weltengänger” bleibt das Gefühl zurück, als hätte Lukianenko insbesondere die ersten knapp zweihundert Seiten niedergeschrieben, ohne sich wirklich um die weitere Entwicklung seines Plots und seiner Figuren zu kümmern. Danach versucht er insbesondere im inkonsequenten Mittelteil eine neue Welt - oder neue Welten zu erschaffen, die teilweise sehr gut skizziert worden sind. Alleine die Idee, die positiven Entwicklungen der Parallelwelten auf die Erde 0 zu übertragen und damit den Menschen Leid und Kriege zu ersparen, ihre Entwicklung allerdings auch zu manipulieren, gehört zu den überraschend tiefsinnigen philosophischen Konzepten, die zwischen den Zeilen angesprochen und teilweise auch durchdiskutiert werden, um dann wieder im Nichts zu verschwinden. Diese teilweise sehr oberflächliche Vorgehensweise macht “Weltengänger” oft zu einem sehr leichten, schwungvollen, aber niemals befriedigenden Lesestoff. Aus der grundlegenden, wenn auch bekannten Idee hätte Lukianenko deutlich mehr machen können und müssen. Was das Buch von der westlichen Science Fiction unterscheidet, ist die markante russische Seele und die im Grunde inzwischen fast unbegreifliche russische “Kultur” mit ihren Mischung aus Amerikanismen und der verzweifelten Suche nach einer eigenen Existenzberechtigung. Wenn der Autor diese Karte wie zu Beginn des Buches spielt, lebt sein Roman im wahrsten Sinne des Wortes auf und zieht den Leser in eine bizarre, hoffentlich überzeichnete und doch glaubwürdige Welt. Die phantastischen Inhalte des Buches verblassen in diesem Zusammenhang und der Leser wünscht sich zusammen mit Kirill zurück in dessen typisch russisches Leben mit seinen Gegensätzen. “Weltengänger” ist im Vergleich zu “Spektrum” deutlich leichter zu lesen, aber auch weniger interessant. Aus der Idee der Parallelwelten hätte ein erfahrener Autor wie Lukianenko deutlich mehr machen können und müssen. Im Vergleich zu seinen ersten “Wächter” Novellen eher eine durchschnittliche Arbeit.

Sergej Lukianenko: "Weltengänger"
Roman, Hardcover, 592 Seiten
Heyne- Verlag 2007

ISBN 3-4535-2349-0

Weitere Bücher von Sergej Lukianenko:
 - Das Schlangenschwert
 - Der falsche Spiegel
 - Der Herr der Finsternis
 - Die Ritter der vierzig Inseln
 - Labyrinth der Spiegel
 - Spektrum
 - Sternenschatten
 - Sternenspiel
 - Trix Solier- ein Zauberlehrling voller Fehl und Tadel
 - Weltenträumer
 - Wächter der Ewigkeit
 - Wächter der Nacht
 - Wächter des Morgen

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