rezensiert von Thomas Harbach
Neben Wolfgang Jeschke und vielleicht Walter Ernsting hat Herbert W. Franke das Erscheinungsbild der Science Fiction in Deutschland beeinflusst wie keine andere Persönlichkeit. Dabei trat der 1927 in Wien geborene Franke seit seinem dreißigsten Lebensjahr als Schriftsteller, Herausgeber, Betreuer der Goldmann Weltraumtaschenbücher , Heyne Science Fiction Reihe und später der Ozeanischen Bibliothek im Ullstein Verlag in Erscheinung. 1980 wurde der promovierte Doktor der Philosophie zum Mitglied des deutschen PEN Clubs gewählt. Nach einer Reihe von thematisch unterschiedlichen utopischen Romanen im Suhrkamp Verlag verlagerte er seine Aktivitäten in den Bereich der Höhlenforschung - ein Bericht erschien in Buchform letztes Jahr- , Computerkunst und die bildhafte Umsetzung von mathematischen Problemen.
Mit Sphinx_2 legt der Deutsche Taschenbuch Verlag laut Klappentext jetzt Frankes großen Gen-Technik Roman auf. Nach abgeschlossener Lektüre stellt der Leser fest, dass der Roman eher eine Zusammenfassung von Frankes bisherigen Oevre ist. Von einem Alterswerk zu sprechen, ist zu früh, denn inzwischen arbeitet er an einem neuen utopischen Roman.
Schon in den sechziger Jahren beschäftigte er sich in seinen Werken mit der Manipulation des Individuums und der Wirklichkeitssimulation. Diese Thematiken greift er in der Gestalt seines Protagonisten - des Wissenschaftlers Gareth Lavalle - auf. Dieser erfährt, dass er angeblich Tod krank ist und seine Lunge entfernt werden muss. Eine geheimnisvolle Organisation mit Namen "Verband zur Unterstützung des sanften Selbstmordes" spricht ihn an. Dabei erfährt er, dass er nur der Klon, das Ersatzteillagers eines bedeutenden Wissenschaftlers ist, der bei einem Anschlag einer militanten Untergrundorganisation schwer verletzt worden ist.
Die Kuppelstädte, in denen die meisten Menschen leben , werden von verschiedenen terroristischen Gruppen bedroht. Die Umweltverschmutzung hat den kritischen Punkt überschritten, die Regierung sich bewusst, dass die Öffentlichkeit dumm gehalten werden muss. Politische Agitation und Manipulation sind an der Tagesordnung, Abweichler werden hart bestraft.
Franke setzt geschickt eine zweite Handlungsebene - die Entwicklung eines Supercomputers namens Sphinx_ 2 und indirekt eine dritte Kommunikationsebene - Nachrichten, Interviews, geheime interne Memos und Tagebuchaufzeichnungen - ein , um seiner Geschichte Fahrt zu geben. Fast schon surrealistisch wirkt die Kombination aus Befragung der Gefangenen und als Ergänzung die Einspielung der Bilder aus der nahtlosen Überwachung mit Kameras. Eine lebensbedrohliche Atmosphäre wie in den klassischen Dystopien 1984 oder Brave New World kommt in dieser klaustrophobischen Szene nicht einmal ansatzweise auf. Bei Franke wirkt alles so zivilisiert und trotz der irregulären Umstände geordnet.
Im Gegensatz zu einigen drastischen modernen Science Fiction Romanen, die die verschiedenen hier angesprochenen Thematiken in radikale, bahn- und tabubrechende Kurzgeschichten und Romane umgesetzt haben - von Michael Bishop bis zu Maureen F.McHugh- bleibt Franke Gentleman. In einer kritischen Phase seiner Flucht möchte sich Gareth Lavalle eher in sein Schicksal ergeben und als Ersatzteillager dienen als seine Kameraden zu gefährden. Es fehlt der Schuß Egoismus. Vielleicht liegt das Grundproblem in seiner Beschreibung eines trockenen, mit sich selbst zufriedenen Forschers, der fast schon lebensuntüchtig ist. Auch lernt er nie weitere Klone oder Opfer kennen, um sich die weiteren Schritte nach Inanspruchnahme des Ersatzteillagers vor Augen zu führen.
Auf der zweiten Handlungsebene beschreibt der Autor die Reifung der künstlichen Intelligenz der Autor sachlich unterkühlt. Der Schritt zur Computerdiktatur liegt nahe, aber auch an dieser Stelle weicht Franke nicht von seiner wissenschaftlich kritischen, wenn auch optimistischen Haltung ab. Ihm fehlt die brutale Ehrlichkeit, die Jones in seinem thematisch ähnlich konzipierten Roman Colossus an den Tag legte oder die bittere Ironie Fredric Browns in seiner ironischen Vignette Answer .
In Herbert W. Frankes umfangreichen Roman steckt auf der einen Seite die Warnung vor allzu skrupelloser und damit auch rein Ergebnisorientierter Forschung, auf der anderen Seite übernimmt der Naturwissenschaftler im Autoren das Regime und die Kapitel, die sich mit Sphinx früher "Geburt" beschäftigen, sind spannend und lebhaft erzählt. Diese Frische fehlt vielen anderen Abschnitten des Romans. Zu oft möchte der Leser, dass Franke einen Schritt weitergeht und an seine frühen Romane aus den sechziger Jahren heranreicht. In dieser Zeit war er seinen Mitautoren die entsprechende Nasenlänge voraus . Die von ihm behandelten Themen und aufgeworfenen Thesen gingen unter die Haut. In den achtziger Jahren wurden seine Romane fließender und unterhaltsamer, gleichsam verlor er auch seine Schärfe. In Sphinx_ 2 findet sich genretechnisch betrachtet nichts Neues, Umwerfendes oder Weltbewegendes. Franke ist ein zu routinierter Autor, um einen langweiligen Roman zu schreiben, doch ihm fehlt das Gefühl für die Zeitströmungen und wenn er Anfangs bei dem kleinen Anschlag auf das Forschungslabor von " wenigen vergleichbaren Anschlägen auf dem nordamerikanischen Kontinent" schreibt, wirkt sein Roman nach dem 11. September 2001 antiquiert.
Herbert W. Franke: "Sphinx_2"
Roman, Softcover, 410 Seiten
DTV 2004
ISBN 3-4232-4407-0
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