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Science Fiction (diverse)



Herbert W. Franke

Auf der Spur des Engels

rezensiert von Thomas Harbach

„Auf den Spuren des Engels“ ist inzwischen der dritte neue Roman Herbert W. Frankes im DTV Verlag. Nach „Sphinx_2“ und dem geradlinigeren „Cybercity Süd“ ist dieser über weite Strecken spannende und nahe an einer sich hinter den Kulissen mehr und mehr abzeichnenden Realität geschriebene Thriller sein bislang bestes Buch. Im Gegensatz zu Wolfgang Jeschkes Alterswerks „Das Cusanus- Spiel“ – einem zu Beginn sehr intensiv geschrieben und fundiert recherchierten Zeitreiseroman, der wahrscheinlich auch durch seine lange Gestehungsperiode über mehrere Jahre am Ende auseinander bricht - arbeitet sich der fast achtzigjährige Franke mehr und mehr in eine aus seiner Sicht aus dem Lot geratene Medien und Konzernlandschaft ein.

Wie in seinen bisherigen beiden Romanen spielt auf die Handlung auf mehreren, zeitlich aber verschobenen Ebenen. Das ist zum einen die Gegenwart des Romans. Der am internationalen Gerichtshof arbeitende Robin Landt hat selbst in der fernen Zukunft des Jahres 2228 – wenn diese Jahreszahl nicht erwähnt worden wäre, könnte der Roman auch in fünf oder zehn Jahren spielen und wäre vom politischen Gehalt und seiner Authentizität deutlich packender – den Glauben an die Menschen und vor allem die eher automatisierte Gerechtigkeit noch nicht verloren. Ein Zufall führt ihn nicht nur direkt in das Zentrum einer aus seiner Sicht unmöglichen Verschwörung, sondern bedroht schließlich auch sein Leben. Er wollte eigentlich nur mit seinem alten Bekannten Angelo einige private Worte wechseln. Dieser ist seit einem Jahr verschwunden, was für einen modernen Geheimagenten der politischen Organe nicht unbedingt so überraschend ist. Erst also Robin Landt selbst in einem der geheimen Verhörräume angeblich einer Routinebefragung unterzogen wird, beginnt seine bislang heile Welt zu bröckeln. Er geht schnell davon aus, dass sein Freund zu erst entführt und später Opfer seiner geheimen und gefährlichen Mission geworden ist. Vom Jagdfieber infiziert beginnt er mit seinen Untersuchungen. Auf einer zweiten Handlungsebene verfolgt der Leser Angelos – daher der Spitzname Engel – Tagebuchaufzeichnungen und der Fortgang seiner letzten Mission. Er glaubt, durch einen Zufall in einem abgeschiedenen Hotel im Ewigen Eis gelandet zu sein, in welchem gleichzeitig eine geheime Konferenz stattfindet. Doch die Hotelchefin hat ihn offensichtlich erwartet.

Der Roman bezieht seine Spannung aus dem Zusammenlaufen dieser beiden Handlungsebenen. Ganz bewusst hat Franke in einer Art Prolog eine nihilistische Perspektive voran - und zumindest für Angelo ein bevorstehendes Sterben in Aussicht gestellt. Darum verfolgt der Leser das Geschehen des Buches auch nicht mehr aus der klassischen „Was geschieht als nächstes?“ Perspektive, sondern der Blick schwenkt mit diesem kleinen literarischen Trick direkt auf die tiefer gehende und deutlich unangenehmere Frage „Warum geschieht das Alles?“.

Wie in vielen seiner anderen Bücher zwingt Franke niemals seinen Lesern seine Meinung auf. Sehr differenziert und manchmal pointiert stellt er seine Thesen auf und in den Raum. An diesen müssen sich die einzelnen Charaktere, aber auch die Gesellschaft als Ganzes messen lassen. In „Auf der Spur des Engels“ geht es ihm um die Folgen, Auswüchse, aber auch positivem Seiten des Globalisierungsprozesses an sich. Damit stellt er sich bewusst zwischen die einzelnen Fronten der immer schärfer werdenden politischen Diskussion. Er unterscheidet zwischen den Menschen, für die ein fortschreitender, mit einer gewissen Weitsicht geführter Evolutionsprozess ein Segen in technologischer, aber auch sozialer Hinsicht sein könnte. Auf der anderen Seite steht für ihn ganz bewusst als konträres Element der Konzern mit seinen globalen, aber mehr und mehr monopolistischen und damit diktatorischen Strukturen und Wesenszügen. Die Waagschale neigt sich auch aus Frankes Sicht mehr und mehr zum Geld und verdrängt insbesondere die sozialen Aufgaben der modernen Demokratien zu Ungunsten des Menschen und zu Gunsten der Maschine – in diesem Fall sinnbildlich für die Konzerne.

Höhepunkt dieser fast zur Farce gesteigerten Beschreibung im Roman ist das Verhalten der Diplomaten auf einer Konferenz, die zu einer Unterschrift gezwungen werden, aber wie in ihren sonstigen Verhandlungen weder ihr Wort noch ihre Tat unter welchem Druck auch immer anerkennen wollen und können. Auch wenn Franke in seiner Intention sich hier zu sehr bemüht, hat diese Szene auch in Hinblick auf die augenblicklichen terroristischen Aktionen und angeblichen Konterschläge eine beängstigende Aktualität und stellt insbesondere diese im Nachhinein immer verantwortungslosen Mittler in ein fragwürdiges Licht.

Das Gegenstück findet sich in seinen wenigen, allzu menschlich charakterisierten einsamen Protagonisten. Mit ein wenig Naivität und oft auf den Zufall vertrauend zeichnet Franke sowohl direkt in Robin Landt als auch verschlüsselt im Angelos Charakter das Bild dieser heroisierten Außenseiter auf ihrem kurzen, fast verzweifelten Höhenflug einem Hauch von Gerechtigkeit entgegen. Für Franke steht es außer Frage, dass jeder Mensch seinen persönlichen Preis hat, er geht aber sehr bewusst einen Schritt weiter und zeigt geschickt sowie routiniert auf, dass dieser Preis nicht immer aus Geld, Reichtum oder Macht bestehen muss. In der Gestaltung dieser sympathischen Verlierer reicht Franke nicht unbedingt an John le Carres letzten Roman „The constant Gardener“ heran, in welchem ein einfacher Botschaftsangehöriger der britischen Botschaft in Afrika die Ermordung seiner Frau im Busch zu verstehen sucht und schließlich der Verschwörung einflussreicher Pharmakonzerne und Biotechnologieunternehmen auf die Spur kommt. Dagegen greift er bei der Charakterisierung des machtgierigen Finsterlings tief in die Klischeekiste des modernen Thrillers. Dazwischen steht mit Angelo ein Profi, seit Jahren trainiert er hart für seine immer komplexer und gefährlich werdenden Missionen. Er ist ein intellektueller Söldner, ein wenig James Bond Verschnitt ohne Frauenheld zu sein, ein wenig spröder Eigenbrötler, der zwischen seinem Schreibtisch und den Außenmissionen fast arrogant hin und her pendelt. Im Gegensatz zu seinem cineastischen Vorbild nutzt er allerdings mehr das Hirn als die Waffe.

„Auf der Spur des Engels“ ist aber zumindest auf der charakterlichen Ebene auch ein klassischer Entwicklungsroman in der Tradition Tom Clancys Jack Ryan Epen. Robin Landt wächst unfreiwillig mit seiner Aufgabe, erst aus Trotz gegen die ungerechte Behandlung, schließlich aus Überzeugung, das Richtige für seine Welt zu tun. Dazu muss er mit anfänglichem Witz und überraschenden Ideen agierend, doch seine Büroräume – seinen Gral und Schutzschild – verlassen. Frankes Beschreibung schwankt zwischen intelligentem Träumer, demotivierten Amtsschimmel und schließlich naiven, aber sympathischen Helden. Da handlungstechnisch einiges auf dem Prinzip Zufall basiert, passt sich diese nicht unbedingt durchgehende Charakterisierung dem Inhalt an.

Neben der vielschichtigen, aber oft sehr plakativen Gestaltung der einzelnen Protagonisten überrascht im zweiten Teil des Buches Frankes Husarenritt – das ist nicht immer positiv gemeint – zwischen intellektueller Ambition und handlungstechnischer Reaktion. Die für diesen Teil geltende Prämisse – Diplomaten verschiedener Konzerne diskutieren auf einer einsamen Hotel/ Bohrinsel ein „Manifest zur Neuordnung der Weltpolitik“, bei dem sich zeigt, dass der Unterschied zwischen dem Profitstreben der Global- Player und der mehr und mehr schwindenden Autorität der politischen handlungsunfähigen Organe gen Null strebt – wird spannend und rasant, aber bei einer näheren Betrachtung fahrlässig und manchmal fehlerhaft erzählt. Bei dieser Konferenz werden die Diplomaten von der immer noch gegenwärtigen Weltfirma „Mafia“ überfallen und gezwungen, dass Manifest unter Nutzung körperlicher und psychologischer Gewalt zu unterschreiben. Dann filmen die Terroristen eine gestellte Konferenz mit den echten Diplomaten und lassen sie auf der Insel isoliert zurück. In die Welt hinaus übertragen sie einen erfolgreichen Abschluss einer mehr als fragwürdigen Konferenz – die einzelnen Mitglieder der Gruppe waren sich von Beginn auch nicht einig – und verkündigen durch gestellte Aufnahmen, dass einzelne Mitglieder – nämlich 98 % - noch einige Tage auf der Hotelinsel sich erholen. Sie isolieren diese Funktechnisch und lassen sie durch eine wie ein Unglück aussehende Bohrlochsprengung sterben.

In diesem Ablauf stellen sich eine Reihe von Fragen: Warum ist die Insel so gut wie nicht geschützt, wenn es sich um eine der wichtigsten Konferenzen der menschlichen Geschichte handelt? Neben Militär oder Polizisten sollte sich fast 250 Jahre in der Zukunft insbesondere die Personen und Satellitenüberwachung perfektioniert haben? Warum rechnet – wenn diese Konferenz so wichtig ist – niemand mehr mit oppositionellen Terroristengruppen, die eigene Ziele verfolgen? Insbesondere nachdem Franke sich in seinem letzten Roman „Cybercity Süd“ ja auch mit dem politischen Terror in Form eines arabisch- amerikanischen Krieges auseinandergesetzt hat. Warum greift keine Organisation/ Nation der Welt ein, als plötzlich eine Funkstille nach dem Verkünden des Erfolges der Konferenz einsetzt? Warum holen die einzelnen Teilnehmerorganisation/ Nationen ihre Teilnehmer nicht auf dem schnellsten Weg zurück, um nicht nur das Ergebnis, sondern vor allem das Geschiebe hinter den Kulissen zu erfahren und zu analysieren? Warum muss Robin mit einem U-Boot - !!! – von Arktisforschern schließlich seinen schwer verwundeten Freund Angelo retten, der die Ereignisse dank seiner geheimen Mission zumindest filmen konnte. ER hat auch einen Notruf an seinen Freund absetzen können, bevor das Chaos ausbrach.

Keine dieser Fragen kann Franke auch nur annähernd beantworten und so wirkt die zweite Hälfte des Romans theoretisch- ambitioniert geplant, ohne dass er das Handwerkszeug hatte, diese Idee auch literarisch adäquat umzusetzen. Mit einem zu positiven Ende – im wahrsten Sinne des Wortes ein doppeltes, fast zuckersüßes Happy- End – negiert auch die kritischen Komponenten des Romans und verweist auf die Selbstopferung des James Bond gleichen Angelos, der seine Identität und damit die Seele für seine Mission geopfert hat und sich erst langsam erholen kann. Was nihilistisch begonnen hat, endet auf einer falschen Note.

Wie in seinen anderen beiden Romanen zeigt sich Herbert W. Franke als ausgezeichneter und intelligenter Beobachter aktueller gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und vor allem technologischer Strömungen. Diese Wahrnehmungen setzt er immer noch in sehr geradlinige, stilistisch ansprechend, aber routiniert geschriebene „Tatsachenberichte“ einer zukünftigen Welt um. In den drei Büchern erkennt der Leser neben den seit vielen Jahren herausragenden Stärken Frankes auch seine Schwächen. Immer wieder plottechnisch mit Hilfe des Zufalls konstruierte Passagen, immer wieder Brüche in seinem Spannungsaufbau hinterlassen beim Leser das unbestimmte Gefühl, das im Gegensatz zum ungebrochenen Willen das Fleisch schwach geworden ist.

Herbert W. Franke: "Auf der Spur des Engels"
Roman, Softcover
DTV 2006

ISBN 3-4232-4540-9

Weitere Bücher von Herbert W. Franke:
 - Flucht zum Mars
 - Sphinx_2

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