Buchecke


:: Home
:: Suche


:: 24 (4)
:: Abenteuer (55)
:: Alias (1)
:: Babylon 5 (7)
:: Buffy & Angel (25)
:: Comics (diverse) (17)
:: Die Bibliothek von Babel (30)
:: Fantasy (diverse) (181)
:: Farscape (1)
:: Heftromane (314)
:: Horror (diverse) (168)
:: Komödien (diverse) (2)
:: Krimi (diverse) (59)
:: Literatur (diverse) (26)
:: Mystery (diverse) (102)
:: Perry Rhodan (122)
:: Roswell (4)
:: Sachbücher (103)
:: Science Fiction (diverse) (715)
:: Star Trek (43)
:: Stargate (1)
:: Thriller (61)
:: TV (diverse) (10)
:: Vampire (37)
:: Zeitschriften / Magazine (15)


:: Artikel (6)
:: Interviews (7)
:: Nachrufe (2)


:: Weitere Sendungen


:: SciFi-Forum: Buchecke


Science Fiction (diverse)



Robert Kraft

Die Nihilit-Expedition

rezensiert von Thomas Harbach

Robert Kraft begann erst in der zweiten Hälfte seiner kurzen literarischen Karriere utopische Stoffe zu schreiben. Standen zuerst Seefahrerabenteuer im Mittelpunkt seiner Werke, verlagerte sich das Interesse deutlich in Richtung der für Jules Verne so typischen und ungeheuer erfolgreichen Abenteuerromane mit mysthischen Einschlägen und eher angedeuteten als expliziert dargestellten Erfindungen. In seinem Buch „König, König“ dient eine moderne Projektionstechnik als Ersatzreligion des schwerreichen, exzentrischen Herrn König auf seinem Luxusschiff. In einem anderen Roman findet eine Expedition mitten in Afrika ein altdeutsches Dorf. Selbst seine nach einem Kometeneinschlag spielende „Post Doomsday“- Geschichte setzt sich eher mit historischen Fehlentwicklungen der Zivilisation auseinander als ein utopisch- verzerrtes Bild zu zeichnen.

In dem hier vorliegenden Buch ist das geheimnisvolle Metall Nihilit nur das Element, das Robert Kraft nutzt, um eine feudale, streng hierarchisch geordnete und von den Priestern nach dem Vorbild indischer Kasten regierte und geführte abgeschlossene und in der Wüste fast gänzlich isolierte Gesellschaft zu beschreiben. Dabei beschränkt er sich nicht auf die klassische Schilderung, sondern mit dem anscheinend fast lethargischen französischen Abenteurer und dem deutschen Ingenieur Schwarz etabliert er zwei kritische Beobachter. Konzeptuell scheint der Roman ein Vorläufer des fast drei Jahrzehnte später gedrehten Filmes „In den Fesseln der Shangri-La“ zu sein. Allerdings belassen es seine beiden Protagonisten nicht lange mit der Beobachterrolle und suchen, in das Geschehen einzugreifen. Das löst zumindest vorläufig eine soziale Katastrophe aus.

Schon der Beginn ist ein klassisches Szenario, wie es Jahre später ebenfalls Hans Dominiks Romane auszeichnen sollte. Ein junger deutscher Ingenieur erhält in Australien einen bescheidenen Job als technischer Zeichner. Durch Zufall wird in der Wüste Australiens ein bislang unbekanntes Metall gefunden. Nähere Untersuchungen stellen eine ungeahnte Konsistenz fest. In bester Manier utopisch-phantastischer Romane der zwanziger und dreißiger Jahre wird das neue Metall Nihilit genannt. Abgeleitet aus dem Lateinischen „Nichts“ stellt diese Namensgebung eine der vielen sehr ironischen Elemente dar, die den gesamten Text durchziehen.

Wie allerdings diese Entdeckung gemacht worden ist, entspricht Robert Krafts oft selbstironischen Humor und seinem Hang zur Farce. Ein junger Franzose durchquert auf einem Fahrrad den australischen Kontinent. An einem Wasserloch findet er die Leichen von achtzehn Einheimischen und einem über zwei Meter großen Kaukasier in einer fremdartigen Rüstung. Die Menschen haben sich gegenseitig umgebracht. Der Franzose nimmt die Waffen aus einem ungemein leichten Metall geschmiedet an sich. Zurück in der Zivilisation übergibt er sie einem Fabrikanten, der aus dieser Entdeckung Profit schlagen möchte. Insbesondere zu Beginn dieses Buches spielt Kraft gegen alle Klischees klassischer Abenteuerstoffe. Sein Held ist ein schmächtiges Männchen, unscheinbar, fast schon melancholisch, aber immer zur rechten Zeit am rechten Platz. Er hat die Welt bereist, Kampftechniken in Japan gelernt, Fechten in seiner Heimat. Dabei hat er einen Hang zur Selbstinszenierung. Bei einer Kanalüberquerung auf einem Fahrrad legt er seinen Sponsor rein. Interessant ist diese Konstellation, weil Robert Kraft selbst halsbrecherisch, aber sportlich den Jadebusen durchschwommen hat. Dadurch wurde der ansonsten eher unauffällige junge Mann auf einen Schlag bekannt und sogar zum Kaiser eingeladen. Die Ähnlichkeiten zwischen Autoren und Charakter erschöpfen sich allerdings schnell und er beginnt, ein vielschichtigeres Portrait des Franzosen zu zeichnen.

Eine Expedition wird mehr schlecht als recht vom gierigen Unternehmer ausgerüstet und in die Wüste geschickt. Hier entlarvt Kraft die menschenverachtende Einstellung der Großindustriellen seinen Arbeitern gegenüber und zeigt gleichzeitig das oft sinnlose Streben einzelner Individuen nach flüchtigem Ruhm auf. Die Schilderung der Wüstendurchquerung ist packend und authentisch. In diese Passagen fließt Robert Krafts umfangreiches Wissen aus seinen Reisen ein. Im Gegensatz zu Karl May, der erst in seinem letzten Lebensabschnitt umfangreiche Reisen unternahm, sammelte Robert Kraft als Seefahrer und phasenweise als Nomade in Nordafrika Erfahrungen. Das umfangreiche Nachwort dieser Buchausgabe, auf das noch gesondert eingegangen werden soll, entlarvt allerdings viele von Krafts Reisen als reine Fiktionen. Von dieser realistischen Ebene löst sich die Handlung in dem Moment, in welchem die Europäer über eine Nihilitbrücke – sie überbrückt Vulkanlava – in eine fremdartige Welt treten.

Robert Kraft lässt seinen Ich-Erzähler Schwarz ein Reisetagebuch führen, in welchem er auch seinen einjährigen Aufenthalt in dieser Oase beschreibt. Dadurch kann dieser kurz, knapp und präzise die wichtigen Daten dieser isolierten Gemeinschaft dem Leser gleich zu Beginn des neuen Handlungsbogens vermitteln. Das nimmt den kommenden Ereignissen einen großen Teil ihrer Faszination und erweckt den Eindruck eines Reiseberichtes und nicht eines Abenteuers. Auf der anderen Seite kann sich Robert Kraft dann auf die vielschichtigen Konflikte zwischen aufgeklärten Europäern und im Kastensystem verharrenden Eingeborenen konzentrieren.

Zuerst fällt die absolute Priesterhörigkeit auf. Diesen Unterschied zum mehr toleranten europäischen Gemisch aus Adel und Kirche manifestiert Kraft an den drakonischen Strafen, mit denen jeder kleinste Fehler und jede Verfehlung mit dem Tod bestraft wird. Aus dieser Exposition kann nicht unbedingt offensichtliche Kritik am Klerus abgeleitet werden. Das Nachwort versucht Kraft in diese Position zu rücken. Er erweckt den Eindruck, die insbesondere noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts allgegenwärtigen Strukturen Indiens mit Resten der Maya-Kulturen zu mischen und daraus ein Volk zu erfinden, das von der Welt vergessen worden ist, das ihrerseits aber in begrenztem Rahmen die Welt im Auge behält. Außerdem muss eine Kultur, die auf nicht einmal zwei Quadratmeilen lebt, sich anderen Herausforderungen stellen. Über weite Strecken reagieren Schwarz und seine beiden Kollegen nur auf die aufgezeichnete Situation. Erst als Schwarz aktiv in die Geschehnisse einzugreifen sucht, verschiebt sich das Gleichgewicht. Teile dieser notwendigen, wenn auch manchmal leblosen Einführung in die fremde Kultur erinnern an Ryuard Kiplings oder Sir Retcliffes Indiengeschichten. Robert Kraft verzichtet allerdings auf jegliche Kritik. In den Beschreibungen erscheinen diese als fatalistisch. Im Grunde sind Krafts Beschreibungen nur Kopien verschiedener Stämme und Kulturen.
Dabei mischt Robert Kraft noch kräftig die Historie unter: Die geheimnisvollen Talbewohner tragen Rüstungen des Mittelalters mit Symbolen ihrer indischen Herkunft, die Landwirtschaft erinnert an die Mehr-Erntenbewirtschaftung des frühen industriellen Zeitalters. Im krassen Widerspruch steht auch auf den ersten Blick das moderne, leichte und widerstandsfähige Metall zu der übrigen überwiegend einfachen strukturierten Gesellschaft. Nicht umsonst träumen die Europäer von einer kleinen Oase, zu einer modernen Industrienation geschmiedet mit den autarken Zügen eines sich selbst versorgenden Volks. Das Ideal einer zukünftigen Kriegsnation. Diese Situation wird nur bedingt ausgeführt. Als Bittsteller wollen sich die Einwohner des Tals nicht sehen. Darum fällt es ihnen schwer, zivilisierten Kontakt mit den Australiern aufzunehmen. Die beiden Europäer haben allerdings auch erstaunlich wenig Skrupel, ihren Gastgebern für die Zeit moderne Waffen herzustellen. Robert Kraft fehlt oft die Entschlossenheit, diese kritischen Punkte auszusprechen, viel lieber weist er nur auf sie hin und wendet sich dann einem anderen Handlungshöhepunkt zu. Kurz darauf relativiert er die Verteidigungsambitionen wieder und schiebt die eigentliche Schuld der Arroganz eines Vertreters des englischen Volkes zu. Das sich die Talbewohner ihrer Nachbarn erwehren und konsequent ihre Grenzen beobachten, geht auf die übertriebenen Erzählungen eines vorher gestrandeten Engländern zurück. Diese Szenen unterstreichen die Naivität der Isolierten. Nur so kann ihre auf absolutem Gehorsam gegenüber den Priestern aufgebaute kleine Gesellschaft funktionieren.

Insbesondere der Franzose Leonhard agiert im Untergrund. Sein Ziel ist eine gesellschaftliche Umwälzung. Hier entlarvt Robert Kraft dessen Verhalten nicht als idealtypisches Gedankengut der französischen Revolution, sondern Egoismus und Eigennutz stehen im Vordergrund der Handlungen. Nicht zuletzt dank weiterer kleinerer technischer Erfindungen gelingt es den Europäern, für kurze Zeit die Macht zu übernehmen. Allerdings wie bei einem Trichter konzentriert sich die kommende Handlung mehr und mehr auf eine bürgerliche Hommage an Ryuard Kiplings herausragende Erzählung „Der Mann, der König sein wollte“. Schiebt man Sean Connery und Michael Caine als Schauspieler im besser bekannten Film zur Seite, lassen sich die beiden vielleicht unbewusst ähnlichen Texte gut vergleichen.

Im umfangreichen Nachwort erläutern die Herausgeber, dass Robert Kraft aus Zeitmangel und unter dem Druck seiner Herausgeber oft Ideen bei anderen Werken entlieh oder bei Interesselosigkeit – ein typisches Zeichen für einen Alkoholiker – Texte schnell und abrupt beendete. Das ist hier auch der Fall. Auf den letzten Seiten überschlagen sich die Ereignisse. Die Europäer werden verhaftet, ihr kurzlebiges und gegen jegliche Priesterordnung verstoßendes Regime verbannt. Sie können fliehen und hier enden die Aufzeichnungen. Mit diesem pessimistischen Ende kann Robert Kraft auch das Kapitel Nihilit abschließen. Obwohl er sich mit seiner Bemerkung zu Märchen – in diesem Fall moderne Märchen – am Ende von allen logischen Brüchen freizusprechen sucht, wirkt die Tatsache, dass die Reisenden nicht mehr die Zivilisation erreicht haben und wir als übergeordnete Leser trotzdem ihr Tagebuch kennen, widersprüchlich.
Über weite Strecken nutzt allerdings Robert Kraft die oft nur indirekte Tagebuchform, um das gesamte Geschehen aus der Sicht Schwarz zu erzählen. Alle anderen Handlungsebenen erfährt der Leser nur durch Berichte, die Schwarz von der verbalen Überlieferung in sein Tagebuch überträgt. Das erhöht auf der einen Seite die Intensität zwischen Leser und Erzähler, auf der anderen leider negativen Seite kommt kein Erzählfluss, über weite Strecken keine flüssige Handlung auf. Immer wieder schweift Robert Kraft ab, fügt Bemerkungen in den Text ein, die er später wieder negiert oder die sehr sinnentstellend wiedergeben worden sind.

Nach Abschluss der Lektüre bleibt dem Betrachter ein skurriles Bild im Gedächtnis: Zwei Meter große Krieger in archaischen Nihilitrüstungen mit Gewehren über der Schulter auf einem Fahrrad die Wüste in Australien überquerend. Leider sind diese absurden und trotzdem so unterhaltsamen Geistesblitzes sehr rar ausgestreut und in seinem Handlungsgerüst fehlt dem Roman die Eigenständigkeit, die Werke wie „Die neue Erde“ oder „König, König“ auszeichnete. Zu sehr klebt er an den klassischen Abenteuer- oder Reiseromanen und zu wenig durchbricht er dessen oft simple Gesetze. Dazwischen finden sich wie bei der oben beschriebenen Szene mit den Fahrradfahrern einige auch heute noch lesenswerte Szenen. Diese zeigen Robert Kraft als innovativen, klassischen Erzähler mit reichhaltigem Wissen und der Motivation, seine Leser mitzureißen. In diesem leider zu offensichtlich an bekanntere Werke angelehnten Roman bleibt er allerdings phasenweise hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Robert Kraft: "Die Nihilit-Expedition"
Roman, Hardcover
Ustad Edition bei KMV 2005

ISBN 3-7802-1071-1

Weitere Bücher von Robert Kraft:
 - Die neue Erde
 - Die Rätsel von Garden Hall
 - Die Wildschützen vom Kilimandscharo
 - König König

Leserrezensionen

:: Im Moment sind noch keine Leserrezensionen zu diesem Buch vorhanden ::
:: Vielleicht möchtest Du ja der Erste sein, der hierzu eine Leserezension verfasst? ::