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Thriller



Jack Ketchum

Amokjagd

rezensiert von Thomas Harbach

„Joy Ride“ ist Mitte der neunziger Jahre unter dem weniger ironischen, aber passenden Titel „Road Kill“ veröffentlicht worden. Für die Neuauflage, auf welcher die Heyne- Ausgabe basiert, hat Jack Ketchum den Stoff laut eigenen Aussagen in Interviews nur leicht überarbeitet, um die dynamische zugrunde liegende Struktur nicht zu zerstören.

Von der Anlage her ähnelt der vorliegende Roman bis auf den explizierten sexuellen Sadismus den Romanen eines Jim Thompson, der in „Der Killer in mir“ ebenfalls einen psychopathischen Voyeur beschrieben hat. Im Gegensatz allerdings zu Ketchums Wayle ist dieser sich lange Zeit seiner Taten nicht bewusst gewesen. In den ersten Kapiteln fordert Jack Ketchum allerdings gleiche seine Leser heraus. Mit einer fast surrealistischen Montage aus Handlungsteilen und Rückblenden führt er Carol und ihren neuen Liebhaber ein. Carol ist lange Jahre mit dem Sadisten Howard verheiratet gewesen. In der gemeinsamen Ehe sind sie nicht nur durch ihre Investitionen zu einem ansehnlichen Wohlstand gekommen, die kluge Geschäftsfrau fühlte sich bis zu einem bestimmten Grad in ihrer privat devoten Rolle nicht unwohl. Der klassische Sadist Howard hat die Grenzen immer weiter heraus geschoben, bis er irgendwann zu weit gegangen ist. Carol hat sich scheiden lassen, aber ihr Mann verfolgt sie trotz Unterlassungsklagen weiterhin. Die einzige Chance für Carol und Lee wäre es, ihn zu ermorden. So planen sie das perfekte Verbrechen und erschlagen Howard auf einem Spaziergang durch die Berge. Leider gibt es einen Zeugen. Wayne hat ebenfalls wie Howard eine sadistische Neigung und nach dem Sex mit seiner Freundin in freier Natur hat er ebenfalls die Grenzen überschritten. Eher zufällig, als sich das Mädchen von ihm getrennt hat, beobachtet er den Mord an Howard. Für ihn sind Carol und Lee Helden, welche die Grenzen überschritten haben. Wayle will unbedingt das aus seiner Sicht exstatische Gefühl kopieren. Er entführt Carol und Lee. Mit seinem Wagen fahren sie im Grunde im Kreis um ihren Heimatort herum und Wayle beginnt eine Spur von Gewalt und Mord zu hinterlassen.

Die Handlung des vorliegenden Romans ist ausgesprochen geradlinig. Der Leser hat fast den Eindruck, als ordne Jack Ketchum alles seinen Protagonisten unter. Ganz bewusst verlaufen immer nur zwei Handlungsebenen parallel. Zu Beginn die Zwischenmontage mit Carol/ Lee auf der einen Seite und ihrem unfreiwilligen Zeugen Wayle auf der anderen Seite. In der zweiten Hälfte des Buches die Ermittlungen der örtlichen Polizei und dem gegenüber gestellt das Trio Infernal mit dem immer mehr überdrehenden Wayle und Carol/Lee als seine Gefangene. Mit der Reduktion des Plots allerdings auf die wesentlichen Elemente tut sich Jack Ketchum nicht immer einen Gefallen. Im Vergleich zu dem intensiven Drama „Evil“ funktioniert diese Vorgehensweise weniger zufrieden stellend. Die weite der in erster Linie ländlichen USA stellt keinen Ersatz für den Keller dar, in welchem das junge Mädchen von ihrer Ersatzfamilie systematisch gefoltert, vergewaltigt und schließlich ermordet wird. Zu sehr
wiederholen sich die Aktionen Wayles. Ohne System, aber mit unterschiedlichen Waffen tötet er wahllos Menschen. Um diese nicht gänzlich zu anonymen Opfern zu machen, gibt ihnen Jack Ketchum zumindest eine rudimentäre, oft nicht mehr als eine halbe Seite mit ihrem persönlichen Schicksal mit auf dem Weg. Dadurch erhalten die Opfer zumindest ein Gesicht, aber näher an das Geschehen heran rücken weder Leser noch die Protagonisten. So hinterlässt auch der Hinweis auf den jungen Comicsammler mit seinen „Tatoo“ Heften sowie seinem Drang, die „Cry for Dawn“ Serie zu lesen, eher einen zweifelhaften Nachgeschmack. Sicherlich beides Bahn- und Tabubrechende Comicreihen. Ein Niveau, welches der vorliegende eher durchschnittliche Jack Ketchum Roman nicht erreicht. Die einzige Spanung zieht der Stoff aus zwei Fragen: werden die inzwischen zu Opfer eines Psychopathen reduzierten Carol und Lee ihre Tortur überleben und wird die Polizei sie mit dem Unfall/ Mord an Howard in Verbindung bringen? Auf beide Fragen gibt es am Ende des Romans keine unbedingt überraschenden Antworten. Das der Massenmörder Wayle diesen Jack Ketchum Roman nicht überlebt, steht von Beginn an außer Frage. In diesen Prämissen wirkt „Amokjagd“ eher wie ein Richard Laymon Thriller, dessen Spezialität es ist, scheinbar eher gewöhnlichen Situationen – siehe „Das Spiel“, „Das Treffen“ oder „Nacht“ – in einer Gewaltorgie münden zu lassen. Der Autor setzt die entsprechenden Komponenten des Psychopathenthriller effizient, aber nicht brillant ein. Das beginnt beim Waffenfetischismus und endet in den distanziert und emotionslos beschriebenen Tötungsakten. Mit der Präzision, aber auch Mechanik eines Uhrwerks zieht Ketchum die Spannungsschraube zumindest vordergründig immer fester an. Das Szenario wird immer nihilistischer, die Gewalt immer überzeichneter. Aber im Vergleich zu einigen anderen seiner Romane wirken die Beschreibungen eher wie aus einem harten, dunklen Thriller als seinen exzessiven Gewaltorgien. „Amokjagd“ könnte ohne Probleme neben den Richard Laymon Schmökern im Bücherständer auf den amerikanischen Flughäfen stehen. Seine Kannibalenromane bzw. „Evil“ nicht. Ihm gelingt es nicht, aus dem teilweise doch arg konstruierten Stoff ein Jack Ketchum „Original“ zu machen.

Dagegen konzentriert er sich fast ausschließlich auf seine Charaktere, um die Handlung über diesen Hebel voranzutreiben und vor allem seine Leser ins Geschehen zu integrieren. Alle drei wichtigen Protagonisten verfügen über eine nicht gewöhnliche Vergangenheit. So ist Carol zusammen mit ihrer Schwester vom Stiefvater missbraucht worden. Vielleicht der Grund, warum sie sich als Erwachsene dem Sadismus ihres Mannes sehr lange unterwirft. Darüber hinaus gelingt es aber Jack Ketchum nicht, ihr ein dreidimensionales Profil zu geben. Sie hat zwei Katzen, ist attraktiv, in kritischen Situationen willensstark. Manchmal ein klassisches Opfer, dann wieder eine zumindest anfänglich starke Kontrahentin. Auch wenn sie an der Ermordung ihres Ex- Ehemanns beteiligt gewesen ist, möchten Autor und Leser, dass es für sie zumindest mit einem blauen Auge ausgeht. Ihr Freund Lee heckt zusammen mit ihr den Plan zu Ermordung ihres Ex- Mannes aus. Der Leser hat nur die Möglichkeit, Howard aus der Perspektive Lees/ Carols sowie eines Polizisten kennen zulernen, der ihm einmal die einstweilige Verfügung und später den Heftbefehl überbrachte. Im entscheidenden Moment verlässt Lee der Mut und während ihrer Gefangenschaft hätte Lee mit mehr Entschlossenheit und unter Opferung des eigenen Lebens auch gegen ihren Peiniger vorgehen können. Alles in allem bleibt Lee aber der eindimensionalste und am wenigsten charakterisierte Protagonist dieses Buches. Wayle dagegen ist ein klassischer Psychopath, der offensichtlich auch Sex mit seiner von ihm vergötterten Mutter gehabt hat. In der Kindheit hat er insbesondere Tiere gequält, später einige Menschen umgebracht. Im Leben ist er als unfähiger Barkeeper gescheitert. Jeder Mensch, welcher ihm widerspricht, wird in seinem Buch unter der Rubrik „fällig“ notiert. Sexuell ist er ein Sadist, der sich an Gewalt aufgeilt. Mit seinen unfreiwilligen Zuschauern Carol und Lee auf dem Rücksitz seines Wagens dreht er im wahrsten Sinne des Wortes am Rad. Seiner Figur fehlt eine richtige Balance. Gleich in seiner ersten Szene sondert ihn Ketchum von seinen Mitmenschen ab. Die einschleimende Art eines Hannibal Lectors mit Eruptionen zügelloser Gewalt in entscheidenden Situationen fehlt diesem Charakter. Die Chemie in dieser Dreiergruppe ist eher durchschnittlich entwickelt. Nur einige wenige Szenen funktionierenden auf verstörende Art und Weise effektiv. So zwingt Wayle Carol, mit ihm in einem Restaurant zu essen. Während Lee gefesselt im Hotelzimmer liegt, verhört der Psychopath sein Opfer nach allen Regeln der Kunst und lässt sich insbesondere den sexuellen Sadismus Howards im Detail erläutern. In dieser Schlüsselszene gelingt es Ketchum überzeugend, ein Gefühl der Unruhe, der Angst in seinen Lesern zu erzeugen. An diese Szene reicht der Ermordung einer jungen schwangeren Frau nur heran, weil der Autor plötzlich vom Täter schlagartig zum Opfer verschiebt. Viele andere Sequenzen wirken inklusiv des obligatorisch extrem blutigen Showdowns eher schwerfällig, wenig innovativ und mechanisch.
Zusammengefasst gehört „Amokjagd“ eher zu den schwächeren Arbeiten Ketchums aber noch zu den besseren Serialkiller-on-the-Road Thrillern. Ein durchschnittlicher, gute fünfzehn Jahre nach seiner Entstehung nicht mehr origineller Plot mit eher unmotiviert charakterisierten Protagonisten. Im Verlaufe der im positiven Sinne allerdings sehr kompakt konstruierten Romans gelingen Ketchum einige wenige Szenen, die seine auch stilistisch durchaus vorhandenen Stärken aufblitzen lassen. Auf den ganzen Roman bezogen allerdings leider einfach zu selten.

Jack Ketchum: "Amokjagd"
Roman, Softcover, 300 Seiten
Heyne 2008

ISBN 9-7834-5367-5452

Weitere Bücher von Jack Ketchum:
 - Beutegier
 - Beutezeit
 - Die Schwestern
 - Evil
 - Wahnsinn

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