Max
Goldt
Geboren
1958 in Göttingen, lebt seit 1977 als Musiker und freier Schriftsteller
in Berlin. Von
1989 bis 1998 schrieb Max Goldt für die Satirezeitschrift "Titanic"
regelmäßig die Kolumnen "Onkel Max", "Informationen
für Erwachsene" und "Manfred Meyer berichtet aus Stuttgart".
Seit den 80er Jahren trägt er auf zahllosen Vortragsreisen eigene
Texte vor. Als Musiker nahm Goldt eine Reihe von Soloplatten auf, etwa
1984 "Die majestätische Ruhe des Anorganischen". Bereits
1981 gründete er - als Texter und Sänger - mit Gerd Pasemann
das Duo "Foyer des Arts". Mittlerweile arbeitet Goldt musikalisch
mit Stephan Winkler zusammen, mit dem er das Duo "Nuuk" gründete.
Max Goldts erstes Buch erschien 1984: "Mein äußerst schwer
erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz". Es folgten die Kolumnensammlungen
"Ungeduscht geduzt und ausgebuht" (1988), "Die Radiotrinkerin"
(1991), "Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau"
(1993), "Die Kugeln in unseren Köpfen" (1995), "Ä"
(1997), "Mind-boggling - Evening Post" (1998), "Okay Mutter,
ich nehme die Mittagsmaschine" (1999), "Die Aschenbechergymnastik"
(2000), "Der Krapfen auf dem Sims" (2001) und das "Tagebuch-Buch"
"Wenn man einen weißen Anzug anhat" (2002). Zuletzt erschien
bei Rowohlt die Sammlung "Für Nächte am offenen Fenster.
Die prachtvollsten Texte 1988 - 2002" (2003). Seit 1997 arbeitet
Goldt als Comictexter mit dem Zeichner Stephan Katz zusammen.
Die "FAZ" (Nr. 237 vom 12. Oktober 1999, S. L23) üer
Max Goldt:
"Der satirische Ton bei Max Goldt ist keine Waffe gegen die Dummheit
und Bosheit der Welt, sondern eine kugelsichere Weste, hinter der ein
weiches Herz schlägt. Er bringt sich immer total mit ein, erzählt
gern ausführlich, oft auch ein wenig betulich (...). Meistens springt
oder flattert er von Thema zu Thema; der betont umgamgssprachliche, schnoddrige
Ton hat inzwischen etwas Maniriertes und Antiquiertes an sich (...)."
Adam Olschewski in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 3.
März 2004:
"Flaneur, das könnte Max Goldt als Berufsangabe gut gefallen.
Es stimmt auch. Goldt flaniert mit Wachhundblick durch alle Zonen unseres
Alltags, durch unsere Seinszustände heute und einst; an seiner Seite:
das Hehre und das Niedrige, Dada, Tabubruch, der üerraschende Schlenker,
der tief- wie der vordergründige Lachanfall. Was man allerdings in
der Lässigkeit des Flanierens mitunter vergisst - Goldt ist ein Moralist."
Max Goldt in seiner Kolumne "Warum Dagmar Berghoff so stinkt"
(aus: "Die Kugeln in unseren Köpfen". 8. Aufl. München:
Wilhelm Heyne Verlag 2001, S. 31):
"Ich bin bekannt als jemand, der in puncto schonungsloser Tatsachenbrutalität
kein Blatt vor den Mund zu nehmen pflegt (...)."
Augenzwinkernde
Bosheiten
Anmerkungen zu Max Goldt - anlässlich einer Lesung in Mainz
Nichts ist so normal wie die Absurdität
des Alltags. Die betörende Erkenntnis verdanken wir Max Goldt, dem einstigen
Star-Kolumnisten der Satirezeitschrift "Titanic". Goldt, Jahrgang 1958,
ist ein Meister der kurzen Prosa, ein Pointen-Akrobat mit Tiefgang. Im
"Frankfurter Hof" in Mainz stellte er im Januar 2004 neue Texte
vor, erst wenige Monate zuvor entstanden und noch nicht in Buchform erschienen.
Goldt
bietet das, was ihn berühmt und berüchtigt gemacht hat: ungehemmt assoziative
Blicke auf die Unzulänglichkeiten menschlichen Tuns, auf scheinbar nebensächliche
Randerscheinungen gesellschaftlicher Wirklichkeit. Unendlich komisch ist
das, prickelnd und verwirrend. Aber auch: merkwürdig beklemmend. So plaudert
Max Goldt über Äpfel im Bett und Ärzte im Bergwerk, über Fürstin Glorias
Benimm-Ratgeber und Nutella in Senfgläsern, über MacDonalds "tamponöse"
Produkte und die Schwierigkeiten eines Europäers, in Hongkong Nudelsuppe
mit Stäbchen zu verzehren.
Aber
Max Goldt wäre nicht Max Goldt, wenn er nicht auch praktische Handlungsanweisungen
vermittelte. Wer sich beispielsweise die Mühe mache, seine Kinder ganzjährig
zu "observieren", werde feststellen, dass sich leuchtende Kinderaugen
nicht nur zur Weihnachtszeit einstellten, sondern eigentlich immer vorhanden
seien. Es sei denn, der Augenarzt diagnostiziere eine Erblindung. Und
angesichts eines vergammelten Kühlschrankinhalts fragt sich der findige
Zeitanalytiker, ob der zarte Schimmelflaum nicht als Rohstoff für Damenpelzmäntel
genutzt werden könne - Schimmelpilzpelze für die modebewusste Dame von
Welt. Betroffenes Amüsement beim Zuhörer. "Das Absurde, mit Geschmack
dargestellt", vermerkte einst der alte Goethe in seinen "Maximen
und Reflexionen", "erregt Widerwillen und Bewunderung." Das triffts.
Richtig
in Fahrt kommt Max Goldt, wenn er die Lächerlichkeiten unserer Sprachpraxis
auf die satirische Schippe nimmt. Da mischt sich so etwas wie Zorn und
Unversöhnlichkeit ins heitere Einvernehmen. Nein: Wer "Zielsetzung"
statt "Ziel" sagt, alles, aber auch alles "irgendwie witzig"
und "spannend" findet, permanent den "Gutmenschen" propagiert
oder jeden zweiten Satz mit "im Endeffekt" beendet, der kann mit
der Nachsicht des Wortästheten Goldt nicht rechnen. Da hagelt es auch
schon Mal verbale Breitseiten jenseits der Bannmeile politischer Korrektheit.
"Zuverlässige Unterschichtsindikatoren" seien diese Worthülsen, untrügliche
Anzeichen einer sprachlichen Massenverwahrlosung.
Wer
so wortgewandt schimpfen kann, der geht auch dem "guten Geschmack"
über kurz oder lang an den Kragen. Kopfschüttelnd wird da etwa über das
Phänomen Hundehaltung räsoniert, das früher ausschließliches Privileg
von Hitler und den Jakob Sisters gewesen sei, heutzutage hingegen sich
zum zweifelhaften Massenvergnügen all jener entwickelt habe, die ansonsten
nichts zu tun hätten. Aber ganz so ernst nimmt sich Max Goldt denn doch
nicht und in die Bosheiten schleicht sich ein Augenzwinkern, das sagen
will: Irren wir nicht alle durchs sprachliche Niemandsland, ziellos taumelnd
zwischen VIVA- und ARTE-Jargon? Beruhigend klingt das "irgendwie"
nicht.
Und
das Publikum? Gelächter, hat Max Goldt einmal in einer Kolumne geschrieben,
sei ein "ausgesprochen häufiges Geräusch". Bleibt zu hoffen, dass
sich die Wände des Frankfurter Hofs inzwischen davon erholt haben.
Holger
Dauer
© TourLiteratur
/ Autor
Alle Rechte vorbehalten
Eine gekürzte
Fassung des Artikels ist zuerst unter dem Titel "Der Mensch, das
unzulängliche Wesen" in der "Allgemeinen Zeitung",
Mainz (Nr. 22 vom 27. Januar 2004, S. 18) erschienen.
Buchcover
(von oben nach unten):
1) Goldt, Max: Ein Leben auf der Flucht vor der Koralle. Originalhörspiel
und Regie: Max Goldt. Sprecher: Max Goldt. 1 Hör-Kassette. München:
DHV - Der Hörverlag 1997.
2) Goldt, Max: Die Radiotrinkerin. Ausgesuchte schöne Texte. Zürich:
Haffmans Verlag 1991.
Weiterführende
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