HomeAutorenWerkverzeichnisseSekundärliteratur EpochenBegriffs-Lexikon Theorie Literaturpreise Rezensionen Aufsätze
News-Archiv
Links & Adressen
Autoren > Simmel, Johannes Mario

Es musste nicht immer Kaviar sein
Bestseller-Autor Johannes Mario Simmel wurde 80

Simmel, Es muss nicht immer Kaviar sein - Copyright: Verlag Droemer Knaur, MünchenWer seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Autoren der Welt gehört, kann auf die ungeteilte Zuneigung der deutschen Literaturkritik nicht hoffen. Vom Publikum verwöhnt, von den Wächtern des 'guten' Geschmacks als Großmeister des Trivialen verhöhnt - so war es lange Zeit. Erst seit einigen Jahren ist der Ton in den Feuilletons milder geworden. Jetzt gilt die Friedensformel: Simmel ist ein guter Mensch, aber ein bestenfalls mittelmäßiger Autor. Ungestraft verkauft hier schließlich keiner siebzig Millionen Bücher. Am 7. April 2004 feierte der Bestsellerautor seinen 80. Geburtstag.

Geboren wurde Johannes Mario Simmel 1924 in Wien als Sohn eines jüdischen Vaters. Der konnte während des Krieges auf abenteuerliche Weise nach England fliehen, wo er im Januar 1945 starb, ohne dass ihn der Sohn noch einmal gesehen hätte. Nach dem Realgymnasium in Wien besuchte Simmel eine Staatslehr- und Versuchsanstalt für Chemie und schloss als Diplom-Chemieingenieur ab. Als solcher fand er gegen Ende des Krieges Arbeit in einem Kohle-Laboratorium, wo er für den "Endsieg" der Nationalsozialisten schuften sollte. Wesentliches konnte er hierzu glücklicherweise nichts beitragen, so Simmel rückblickend.

Nach 1945 war er eine Zeit lang für die amerikanische Besatzungsmacht als Dolmetscher tätig. Die Befreier schenkten dem politisch unbedenklichen jungen Mann eine Schreibmaschine und einen Packen Papier. Ergebnis: In einem Hinterzimmer entstand der erste Roman "Mich wundert, dass ich so fröhlich bin" (1949) - bereits zwei Jahre zuvor war Simmels erstes Buch, die Novellensammlung "Begegnung im Nebel", erschienen. Rund dreißig weitere sollten in den nächsten fünfzig Jahren folgen. Weltberühmt wurde Simmel mit seinem 1960 erschienenen Roman "Es muss nicht immer Kaviar sein", der Geschichte um den Agenten wider Willen Thomas Lieven, der für vier Geheimdienste arbeitet und sich mit sechzehn falschen Pässen aus neun Ländern durchs Leben schlägt. Immer mit Stil, immer mit gutem Essen und immer mit schönen Frauen.

Besonders in den frühen 50er Jahren veröffentlichte Simmel auch ein paar Kinderbücher, daneben in den 50er und frühen 60er Jahren zahlreiche Drehbücher, u.a. für Kurt Hoffmann, Eduard von Borsody, Willi Forst und Robert Siodmak. Auch viele seiner eigenen Bücher wurden verfilmt, etwa von Wolfgang Staudte und Peter Zadek. Simmel ist Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse (1992) und wurde 1991 von den Vereinten Nationen mit dem Award of Excellence der Society of Writers ausgezeichnet. 1993 wurde ihm für seine besonderen Verdienste um verfolgte Autoren die Hermann-Kesten-Medaille des Deutschen PEN-Zentrums verliehen.

Gehirn und Herz seiner Leser sollen gleichermaßen angesprochen werden, hat Simmel einmal gesagt. Das heißt: Aufklärung und Unterhaltung, große Politik und noch größere Gefühle. "Faction" nennt er seine Art zu schreiben, eine Mischung aus Fiktion und Tatsachen. Immer wieder bringt Simmel eine Unmasse an zeitgeschichtlichen Fakten in seinen Romanen unter, knallhart recherchiert, bittersüß verpackt, zuweilen im Stil eines allzu belesenen Oberlehrers. Die intensive Recherchearbeit freilich hat Simmel von der Pike auf gelernt - als rasender Reporter bei der Illustrierten "Quick", für die er seit 1950 in ganz Europa und Amerika unterwegs war, um in zahllosen Reportagen über die brennenden Probleme der Welt zu berichten.

Die haben ihn bis heute nicht losgelassen. Und so schreibt Simmel über den internationalen Terrorismus ("Liebe ist die letzte Brücke", 1999) und die Gefahren der Gen-Manipulation ("Doch mit den Clowns kamen die Tränen", 1987), üer die Verlogenheit der Skandalpresse ("Der Stoff, aus dem die Träume sind", 1971) und den alltäglichen Terror gegen Ausländer und Asylbewerber ("Auch wenn ich lache, muss ich weinen", 1992), über Rauschgift-Kartelle ("Wir heißen euch hoffen", 1980) und ökologische Katastrophen, wie im Roman "Im Frühling singt zum letztenmal die Lerche" aus dem Jahr 1990. "Hautnah an der Realität entlang" bekannte damals Joschka Fischer in seiner "SPIEGEL"-Besprechung, "sachkundig und spannend" (Der Spiegel Nr. 30 vom 23. Juli 1990, S. 146).

Simmel, Der Mann, der die Mandelbäumchen malte - Copyright: Verlag Droemer KnaurDie Helden sind traurig, die Wahrheiten bitter, die Hoffnungen trügerisch. Unendlich düster sei sein Weltbild, hat Simmel schon vor üer zwanzig Jahren in einem Gespräch mit dem Kritiker und Filmemacher Hans-Christoph Blumenberg bekannt (in: Die Zeit Nr. 2 vom 7. Januar 1983, S. 33). Seinen Traum von einer menschlicheren Welt will der unverbesserliche Romantiker dennoch nicht aufgeben: "Leben und Mitleid haben gehören zusammen", lässt Simmel seinen tragischen Helden aus dem Roman "Träum den unmöglichen Traum" (1996), den Schriftsteller Robert Faber, ausrufen. Und in "Wir heißen euch hoffen" (1980) wird der "schönen, reinen Menschenliebe" gehuldigt, die allein es ermögliche, den lang ersehnten "Tempel der Humanität" zu errichten. Auf die Hilfe der Politiker will sich Simmel hierbei allerdings nicht verlassen. Die bezeichnet er schon Mal gern als "Schwerstkriminelle" oder verantwortungslose "Psychopathen". Da mischt er sich lieber selber ein, wettert gegen korrupte Wirtschaftsmanager, rechtslastige Richter, "Leitkultur"-Schwätzer und die Machenschaften der Rüstungsindustrie. Nachzulesen sind seine gesammelten Zornausbrüche "über unsere wahnsinnige Welt" in seinem bisher letzten Buch "Die Bienen sind verrückt geworden" (2001). Darin heißt es an einer Stelle: "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist." In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Johannes Mario Simmel!

Holger Dauer

© TourLiteratur / Autor
Alle Rechte vorbehalten

Eine stark gekürzte Fassung des Artikels ist zuerst unter dem Titel "Traurige Helden" in der "Allgemeinen Zeitung", Mainz (Nr. 83 vom 7. April 2004, S. 5) erschienen.

Buchcover (von oben nach unten):
1) Simmel, Johannes Mario: Es muß nicht immer Kaviar sein. Roman. München: Droemer Knaur 1996. (= Knaur-Tb.)
2) Simmel, Johannes Mario: Der Mann, der die Mandelbäumchen malte. Roman. Neuausgabe. München: Droemer Knaur 2004.
Alle Buchcover: © Verlag Droemer Knaur, München

Weiterführende Links zu Johannes Mario Simmel

[Home] [Wir uber uns/Kontakt/Impressum][Autoren] [Werkverzeichnisse] [Sekundärliteratur] [Epochen] [Begriffs-Lexikon]
[
Theorie] [Literaturpreise] [Rezensionen] [Aufsätze] [News-Archiv] [Links & Adressen]