Rezensionen von Birgit Holzner
“Where does it hide itself / like an unknown place of fairy tales / on which page of time?” (S. 36), heißt es in der Anthologie mit dem viel versprechenden Titel andernWOrts, die im EU-Jahr des interkulturellen Dialogs 2008 erscheint. Der bibliophile Band vereinigt Texte dreier in Wien lebender AutorInnen mit migrantischem Hintergrund, die auf Einladung des Vereins für Kultur Inzing drei Wochen in diesem Tiroler Ort verbrachten und Blicke von außen auf die Dorfgemeinschaft werfen sollten. |
„Die Erfahrungen der frühen Jugend lebten zwar in mir fort, aber irgendwo sehr gut versteckt, auf dem vollgestellten, verstaubten Dachboden der Erinnerung, wo man selten hinkommt“, schreibt Andrzej Szczypiorski einmal über seine Jugenderinnerungen. Und: Was auf dem Dachboden gelagert wird, existiert dort „unbemerkt, schweigend über die Jahre, nicht benötigt.“ Genau über dieses Thema wagt sich Elmar Drexel, bekannt als Theaterleiter, Regisseur und Schauspieler, in seinem ersten schmalen und bibliophilen Erzählband: drei Erinnerungen an verschiedene Lebensstationen eines draufgängerischen Er-Erzählers. |
Kurt Lanthaler zeichnet in Das Delta ein ganz außergewöhnliches Italienbild: Es ist ein Italien, wo sich der Nebel zur Tür der Osteria Zum halbierten Christus hereinmacht, langsam die Treppe herabschleicht und sich wie ein alter Bekannter niederlässt, knapp den Hut hebt, um zu grüßen und für den Rest den Mund hält. Als ob die da drin nicht schon genug vernebelt wären von dem Wein, dem Schnaps und ihren Geschichten. Fulminant auch der Auftritt Lanthalers Helden: Als der skurrile Fedele Conte Mamái nach vierzig Jahren keck die Piazza des kleinen Dorfes Maierlengo betritt, verzieht sich der Nebel zunächst einmal in die anliegenden Gassen: „Sag ich’ s doch, sagte ich. Und sah ich mich um.“ Doch als er dem Pappdschungelkämpfer des Videoverleihs vors Schienbeintritt, geraten beide ins Wanken. Piazza, Kiosk, Wind, Deich, Kanäle und Osteria haben sich während seiner Abwesenheit nicht verändert, alles ist beim Alten geblieben. Und doch ist auf den zweiten Blick alles anders: Keine Blumentöpfe, keine Wäsche, die Läden verriegelt, mit Ketten gesichert, als sollten sie einen Schiffsanker heben, der Zettel mit der Aufschrift torno subito – bin gleich zurück, längst verblasst, Maierlengo ein Geisterdorf. |
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Raben. Venedig. Ein Paar auf einem Felsen. Der Betrachter sieht nicht, ob die Frau den Mann zurückhält oder in den Abgrund stürzt. Gezeichnet in originellem Strich. Das ist sein unverkennbarer Stil. Der 1922 in Glurns geborene Paul Flora ist der nachlässig-elegante, melancholische Hausherr der Hungerburg, während des Zweiten Weltkriegs studiert er an der Kunstakademie München, wo die Weiße Rose Widerstand gegen das Regime leistet. Von 1957 bis 1971 zieren seine politischen Karikaturen wöchentlich das Titelbild der Zeit, ihr Erfolg basiert auf einer Mischung aus angelesenem, fundiertem Weltwissen, distanzierter Wahrnehmung und zeichnerischem Können. Und Marion Dönhoff wundert sich in der Hamburger Redaktion der Zeit, wieso Flora auf seinem Berg sitzend immer weiß, was in der Welt vor sich geht. So zeichnet er im Stand der Unschuld 3500 Beiträge für die Zeit, die er wöchentlich in gelben Kuverts nach Hamburg schickt, wofür er mehr verdient als ein österreichische Minister, und deren Nachdrucke unter anderem in der Times, im Observer und in der New York Times erscheinen. 1 „Autobiographien traue ich nicht, weil man sich darin immer in einem bestimmten Licht darstellt, man will sich in einem bestimmten Licht darstellen. Zudem sind es immer nur Bruchstücke – kurzum ich traue ihnen nicht. Was mich an Autobiographien immer zu lesen interessiert, ist: Ah, so will er sich also gesehen wissen.” |
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