Rezensionen von Christine Riccabona
- Sabine Gruber, Ein unerhörter Wunsch [Jan. 2014]
- Siegfried Höllrigl, Was weiß der Reiter vom Gehen [Okt. 2011]
- Maridl Innerhofer, Zukunftserinnerungen [Mai 2011]
- Elfriede Kehrer, schärfe die schatten [Nov. 2010]
- Hans Salcher, Steinwurf [März 2009]
- Karl Lubomirski, Palinuro [Feb. 2009]
- Bertrand Huber, Klassentreffen 2009 [Dez. 2008]
- Walter Klier, Leutnant Pepi zieht in den Krieg [Okt. 2008]
- Quart. Heft für Kultur Nr. 12 [Sept. 2008]
- Thomas Schafferer, suedesland [Dez. 2007]
Maridl Innerhofer, Zukunftserinnerungen. Gedichte in Mundart und Hochsprache Maridl Innerhofer zählt zu den beliebtesten und wohl auch angesehendsten Mundartdichterinnen Südtirols. Nun ist ihr 9. Gedichtband in ihrem 90. Lebensjahr erschienen. |
Über den ver- / entrückten Ort der Poesie. Assoziative Bemerkungen zu den Vierzeilern von Oswald Egger „Worte, wie Zinkblumen“- heißt es in dem 1997 in der Edition Solitude erschienenen Band „Juli, September, August“ von Oswald Egger. Zinkblumen, lateinisch „nihilum album“ („weißes Nichts“), entstehen beim Schmelzen von Zink und bilden dabei als Ablagerungen blumenartige lichtflüchtige Wollflöckchen. Darin liegt für Oswald Egger ein Denkbild für seine 3650 Vierzeiler „Lieder & Gedichte“, soeben bei Suhrkamp erschienen unter dem Titel „nihilum album“: Worte wie ein weißes Nichts, aber eben nicht ganz „Nichts“, sondern ein solches, das über sich hinaus wächst, über sich hinausweist und einen Raum jenseits des Gegenständlichen hin öffnet, Denk- und Sprechlinien der Ratio hinter sich zurück lässt. |
Martin Pichler gehört seit dem Erscheinen seines ersten Romans Lunaspina 2001 zu den interessantesten überregional wahrgenommenen Autoren Südtirols. Er hat sich mit diesem Debüt, später 2005 mit seinem zweiten Roman Nachtreise einen Namen als ‚Südtiroler’ Erzähler in der zeitgenössischen Literatur gemacht. Nun ist sein dritter Roman Störgeräusch erschienen. Die drei Roman haben miteinander zu tun, es ist die Trilogie einer Familienchronik entstanden, eine Familiengeschichte, die vom Leben einer ganz gewöhnlichen Südtiroler Kleinfamilie handelt, keine außergewöhnliche Geschichte, denn: „Die Normalität“ - sagt der Autor – „ist oft tabubrechender als das Außergewöhnliche.“ (Skizze vom Sterben. Interview mit Martin Pichler. In: "Die Furche" Nr. 16/05 vom 21.04.2005) Spricht man von ‚Südtiroler Literatur’, so ist der Diskurs geradezu infiziert mit Begriffen wie Grenzraum, Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Dieser damit angedeutete oszillierende Klangraum an der Nahtstelle unterschiedlicher Kulturen, Volksgruppen und Sprachen und nicht zuletzt auch klimatischer Gegebenheiten ist in Martin Pichlers Texten wie selbstverständlich in seinem Schreiben anwesend. Das Bewusstsein des Herkunftsraumes ist als Subtext in seinen Texten zu verorten, als atmosphärische Färbung nistet es in den Zwischenräumen des Erzählten. Pichlers Erstling trägt beispielsweise schon im Titel das zweifache Gesicht der Muttersprache: ‚Lunaspina’ ist eine freie Wortschöpfung aus dem Italienischen, heißt wörtlich übersetzt ‚Mondstachel’ und ist eine Metapher, eine kreative Wortschöpfung aus der ‚anderen’ Sprachseite. Damit konnte der Autor nicht besser zeigen, wie selbstverständlich die Zweisprachigkeit in den Nischen des Wörtlichen zuhause ist. Entsprechend lebt die Sprache in Martin Pichlers Romanen auch von Italianismen, die weniger als Zitatinseln zu verstehen, sondern vom natürlichen Nebeneinander und Ineinander der beiden Sprachen und Kulturen hervorgerufen sind. Lunaspina trägt eine Widmung an die Mutter, der Roman ist die Suche nach dem Leben dieser Mutter, in der die Geschichte ihres Sterbens bereits mit hinein verwoben ist. Der Roman beschreibt aber auch die Selbstfindung der Figur des Sohnes, entfaltet die Bewusstheit seiner Homosexualität im Familien- und Freundeskreis . Im Zentrum des Erzählten steht die Figur der Mutter, auf die das Leben der Familie, alles, was sich in der Familie tut, bezogen scheint. Was die Familie zunächst nicht wissen will, ist der nahende Tod der Mutter, der dieses Leben unterspült wie das Hochwasser im Sommer, ist diese tödliche Krankheit, die fortan alles aus dem Gleichgewicht bringen wird. Und die mehr und mehr an die Oberfläche spült, wie sehr der Vater, der Sohn, die Schwester, wie alle Familienmitglieder mit unsichtbaren Fäden sprachlos aneinander gekettet sind. Martin Pichler zieht dabei vor allem das Unausgesprochene, Tabuisierte dieser Beziehungen ins Erzählen hinein: vor allem die Homosexualität des Sohnes, aber auch Körperlichkeit, Alter, Gebrechlichkeit. Lebenslügen sind die Themen, die im Untergrund schwelen und die die Grenze ins Sichtbare und Spürbare immer wieder, manchmal auch eruptiv durchstoßen. |
Weißgekalkt - ein solches Wort als Titel ruft unweigerlich Bilder von weißen Mauern in Griechenland, von apulischen Trullis ins Gedächtnis oder vertrauter und näher: von Gemäuern und Wänden alter Bauernhöfe. "Weißgekalkt" hat etwas von stilisierten Kalendermotiven, klingt nach solidem Handwerk und nach Malerei und das ist gar nicht so weit hergeholt, denn der Osttiroler Dichter Hans Salcher ist auch ein Maler. So hat er die kleinen Texte seines neuen Buches mit wenigen Strichen und Linien illustriert, mit einfachen Zeichen wie in Höhlenmalereien oder auf Felsen - Wegmarken, die den Weg des literarischen Bergwanderers durch die 21 Prosaminiaturen des schmalen Bandes begleiten. "Mitten im Dorf", heißt es, steht ein Haus, das ist "weißgekalkt, hat achtzehn kleine Fenster. Der Blick daraus ist von einer Schönheit, den nur Kinder in ihren Augen tragen. Das Blau fließt ins Herz und in die Launen des Tages." (S. 10). |