Von BRIAN BLACKSTONE
In Europa gibt es Hoffnung - und es gibt die Mathematik. Leider fahren die beiden auf Kollisionskurs.
Optimisten setzen auf den Gipfel, der heute in Brüssel startet und den viele als "Make-or-Break"-Treffen bezeichnen – als Gradmesser für die Zukunft der Eurozone. Sie erwarten, dass der Gipfel überzeugende Schritte hin zu einer Fiskal- und Bankenunion bringen wird, die als unerlässlich für das Überleben des Euros gilt.
Bedauerlicherweise ändern aber auch die positivsten Szenarien für den zweitägigen Gipfel nichts an der blanken Arithmetik. Und die lässt darauf schließen, dass die Schuldenkrise Italien und Spanien auf Jahre nicht loslassen wird.
Damit in einer Volkswirtschaft der Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt sinkt, muss das Wachstum inklusive Inflation – bekannt als nominales Bruttoinlandsprodukt –die Ausgaben für die Schuldenaufnahme in der Regel übersteigen. Oder anders ausgedrückt: Die Wirtschaft muss schneller wachsen als die Schulden.
Wachstum benötigt, doch das BIP schrumpft
Für Spanien und Italien wird es allerdings schwer genug, in diesem Jahr überhaupt einen Anstieg des nominalen BIP zu erreichen. Und im nächsten Jahr dürfte sie in beiden Ländern sogar um etwa 2,5 Prozent schrumpfen, warnt Ben May von Capital Economics.
Gleichzeitig steigen die Finanzierungskosten weiter an: Italien musste am Mittwoch 3 Prozent Zinsen für sechsmonatige Schuldscheine bezahlen, vor einem Monat lag der Zins lediglich bei 2,1 Prozent. Beide Länder mussten zudem zusehen, wie die Renditen ihrer zehnjährigen Anleihen auf Werte zwischen 6 und 7 Prozent stiegen. Für die Staatsschuldenquoten verheißt das nichts Gutes.
Schon jetzt liegt das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt in Italien bei 120 Prozent, nach Griechenland ist es das zweithöchste der Eurozone. Bis 2015 dürfte die Quote auf 135 Prozent steigen, erwartet May.
Spanien hat den Vorteil, dass es von einem deutlich niedrigeren Niveau kommt. Doch der Anstieg der Schulden ist Besorgnis erregend. In den vergangenen vier Jahren hat sich das Verhältnis von Schulden zum BIP verdoppelt. In diesem Jahr soll es schon bei 80 Prozent oder noch höher liegen. Und es wird mit Sicherheit weiter steigen, wenn Madrid die Rechnung für die Rettung seiner Banken bekommt. Entsprechend laut schlug Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy am Mittwoch Alarm: „Zu den aktuellen Preisen können wir uns nicht mehr lange finanzieren", warnte er.
Inflation würde Wettbewerbsfähigkeit verringern
Eine andere Wahl dürfte das Land jedoch nicht haben. Das Wachstum wankt und Reformen am Arbeitsmarkt werden die schon exorbitant hohe Arbeitslosigkeit kurzfristig weiter nach oben treiben. Und auch auf höhere Inflation, die den Schuldendruck mindert, kann Madrid kaum hoffen. Schließlich müssen Löhne und Preise in Spanien unter denen Deutschlands bleiben, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes innerhalb der Eurozone nicht noch weiter zu schwächen.
Selbst wenn Spanien und Italien alles richtig machen, wird ihre Schuldenlast deshalb wohl weiter ansteigen. Die Hoffnung in Europa ist nun, dass der Gipfel die Weichen für ein Vorankommen stellt und Anlegern damit die nötige Sicherheit bekommen, um wieder spanische und italienische Anleihen zu kaufen. Das würde die Renditen nach unten drücken und eine konjunkturelle Aufwärtsspirale auslösen.
Kann das gelingen? Vielleicht. Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Und es wird sehr schwer werden, gegen diese anzukämpfen.
Kontakt zum Autor: redaktion@wallstreetjournal.de
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