• The Wall Street Journal

Bundestag soll doch über ESM abstimmen

Steffi Loos/dapd

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Schneider.

BERLIN – SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält trotz der jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse an dem Zeitplan für eine Verabschiedung der Gesetze zu Euro-Rettungsfonds und Fiskalpakt fest und widerspricht damit Äußerungen aus der eigenen Partei, nach denen eine Verschiebung möglich sei. "Ich gehe davon aus, dass trotz der Schwierigkeiten im Laufe des heutigen Abends entschieden wird", sagte Steinmeier vor einer Fraktionssitzung der Sozialdemokraten in Berlin.

Zuvor hatte der SPD-Budgetexperte Carsten Schneider eine Verschiebung der für den Abend geplanten Abstimmung zum ESM wegen der Vereinbarungen des EU-Gipfels ins Spiel gebracht. "Jetzt ist für uns die Frage offen, ob wir dann überhaupt noch heute den ESM so ratifizieren können, oder ob das nicht der Fall ist", hatte der haushaltspolitische Sprecher der SPD vor einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses gesagt.

Steinmeier räumte ein, durch den Gipfel habe sich die Beschlusslage "an einem entscheidenden Punkt gegenüber der bisherigen Ausgangslage verändert", nämlich in der Frage der direkten Kapitalisierung von Banken. "Das ist ein Gesichtspunkt, der in den bisherigen Beratungen im Deutschen Bundestag nicht abschließend behandelt worden ist", erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Erst zu einem späteren Zeitpunkt seien dafür aber Gesetzesänderungen nötig.

Auch der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder erklärte, die Abstimmungen sollten wie geplant am Freitagabend stattfinden. "Es gibt auch nach Aussage des Bundestagspräsidenten überhaupt keinen Grund, hier zu einem anderen Ergebnis zu kommen."

Kauder kündigte jedoch eine intensive Debatte über die Beschlüsse an. "Wir werden aber auch deutlich machen in der Debatte, dass das, was gestern und heute in Brüssel verabschiedet worden ist, gründlich und intensiv geprüft werden muss." Im Einzelfall sei eine Gesetzesänderung möglich, auf jeden Fall werde es aber zu einer Beratung von Veränderungen in Plenum des Bundestages kommen.

Merkel verteidigt Gipfelbeschluss

Der Unions-Budgetexperte Norbert Barthle erklärte, bei der Sitzung des Haushaltsausschusses habe Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Sichtweise gestützt, dass keine Veranlassung für Veränderungen der Abstimmungsplanung bestehe. Schäuble wollte am Nachmittag die Fraktionen des Bundestages über die Gipfelbeschlüsse informieren.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich in der Nacht zu Freitag auf lang diskutierte Maßnahmen geeinigt, die den Druck der Finanzmärkte von Spanien und Italien nehmen sollen. Dazu gehört die Möglichkeit einer direkten Kapitalversorgung von Banken durch die Euro-Rettungsfonds, was allerdings erst dann der Fall sein soll, wenn eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde existiert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte den EU-Gipfelbeschluss für eine direkte Bankenhilfe für Italien und Spanien als "guten Kompromiss". Dabei würden der Stabilitätsmechanismus EFSF und der Rettungsschirm ESM entsprechend der beschlossenen Richtlinien tätig werden, sagte die Kanzlerin nach den zweitägigen EU-Gipfelberatungen in Brüssel.

—Mitarbeit: Susann Kreutzmann

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