Der Autor dieses Textes möchte anonym bleiben.
Als die Betreiber der Kantine am Oberlin College, einer kleinen elitären Uni in Ohio, vor ein paar Monaten beschlossen, eine internationalere Speisekarte anzubieten, hatten sie wohl auf Lob gehofft: Von General Tso’s Chicken bis hin zur Sushibar sollte für alle Geschmäcker etwas dabei sein. Aber anstatt Lob ernteten sie die Wut einiger Studentenvereinigungen. So verlangte die Asian American Alliance in einer offiziellen Stellungnahme von den Kantinenbetreibern, "dass sie die Zubereitung des Essens in der Kantine verbessern, da diese Gerichte unsere Kultur sonst verfälschen". Wenn weiße Amerikaner ein aus einer anderen Kultur stammendes "Gericht nehmen, es verändern und als authentisch anpreisen", echauffierte sich eine Studentin in der New York Times, "dann machen sie sich der kulturellen Aneignung schuldig".
Angehörige einer privilegierten Mehrheit, so meinten die Studenten, hätten kein Recht, in der Kultur von unterprivilegierten Minderheiten zu wildern. Dies gelte für Christen, die das Wohnzimmer mit Buddhastatuen dekorierten, genauso wie für weiße Frauen, die sich einen Turban umbänden. Und was für Religion und Mode gilt, trifft in letzter Konsequenz auch aufs Essen zu – weshalb Oberlins weiße Kantinenbetreiber eine politische Sünde begingen, als sie ohne die nötige Rückfrage mit asiatischen Studenten mittelmäßiges Sushi auf die Karte setzten.
Man könnte den Kampf der Oberlin-Studenten als absurdes Kuriosum abtun. Die Realität ist leider viel ernster. Denn die Sushi-Posse mag zwar ein Extremfall sein; ein Einzelfall ist sie keineswegs. "Problematisch" ist das Lieblingswort der Campus-Aktivisten – und problematisch finden sie vieles. Innerhalb des letzten Jahres wurden Universitäten in den Vereinigten Staaten von ähnlichen Studentenprotesten regelrecht überrollt.
Im Februar wurde auf Drängen von Studentinnen der Northwestern University ein Disziplinarverfahren gegen eine Professorin eingeleitet, die erklärt hatte, dass die Missbrauchsangst bei Liebeleien auf dem Campus übertrieben werde.
Im Mai verlangten Studenten der Columbia University, Professoren müssten sie vor dem traumatisierenden Inhalt von Ovids Metamorphosen warnen.
Im Oktober löste in Yale eine Psychologin eine Protestwelle aus, als sie sich weigerte, Studenten vorzuschreiben, welche vermeintlich kulturell aneignenden Kostüme sie zu Halloween nicht tragen dürften.
Wie in Oberlin war der Vorwand für diese Proteste jeweils eine scheinbare Lappalie. Wie in Oberlin zielten die Anführer der Proteste damit auf nicht weniger als eine radikale Veränderung freiheitlicher Normen ab. Falls sie es schaffen, ihre Weltsicht durchzusetzen, werden sie die Grundregeln des Zusammenlebens in einer liberalen Gesellschaft untergraben.
Kommentare
vielen dank für diesen artikel! sonderbar dass zwei tage nach erscheinen noch kein einziger kommentar darunter zu finden ist, jedes handballergebnis bekommt mehr kommentare. gerade bei diesem kontroversen thema fällt mir persönlich keine andere erklärung ein als dass der artikel für die user nicht zu finden war....
naja, gegen das anti-liberale klima an manchen universitäten protestieren glücklicherweise inzwischen nicht nur lehrtätige (wenn auch noch anonym) sondern auch die studenten selbst.
http://www.ipetitions.com...
Ich kann Ihnen nur zustimmen. Mein Dank gilt auch der Autorin für diesen unaufgeregten und wichtigen Artikel. Wie kann ein Land, dass angeblich so stolz auf seine Freiheiten ist nur so etwas zulassen? Und dass die Studenten (!) mit Orwell kommen ist blanker Hohn. Die sollten den vielleicht mal selbst richtig lesen. Sicherlich gibt es auch rassistische oder homophobe Professoren, aber das ist kein Grund so eine Hexenjagd zu veranstalten. Wo wenn nicht auf dem Campus sollen sich die Studenten mit kontroversen Ideen auseinandersetzen. Anstatt auf die Dozenten loszugehen sollten die Bewegungen lieber versuchen die Professoren mit ins Boot zu holen um die echten Probleme anzugehen, denn die haben durch ihre Forschungskontakte in der Regel eine Menge Einfluss. Ich kann bloß hoffen, dass dieser Blödsinn sich hier nicht festsetzt...
Dieser Artikel bestätigt mich darin, auf political correctness zu verzichten.
Ich glaube, es hackt. Meinungsfreiheit für diesen Stuss einschränken. Weither kann es mit diesen Leuten nicht sein. Die sollen ihr Studium durchziehen. Da haben sie genug zu tun und da gibt es auch genug zu hinterfragen. Anscheinend suchen sie lediglich alle Möglichkeiten, um möglichst faul sein zu können und wie immer dann für schlechte Noten allen anderen die Schuld zu geben. Was für ein trauriger Haufen.
Traurig ja. Aber mit Faulheit hat das nichts zu tun. Die glauben das wirklich. Und in den Schulen sieht es ja nicht besser aus. Die Eltern spielen auch eine nicht unwesentliche Rolle.
Entfernt. Bitte bemühen Sie sich um sachliche Kritik. Die Redaktion/lh
Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt. Die Redaktion/lh
Erschütternd. Wenn das die geistige Elite sein soll... trigger warning, etc. Wie sollen diese jungen Damen und Herren jemals selbständig denken? Ich bin einigermaßen ratlos. Radikale Studenten (nichts schlechtes eigentlich) mit obskuren Ideen gab es ja schon immer, nur was diese Pseudoweltverbesserer bieten ist doch sehr albern.
Kostümberatung für Halloween nach kulturellen Gesichtspunkten? Ich hätte diese Leute ausgelacht. Und so würde es wohl jedem US-Studenten in Deutschland gehen, der etwas ähnliches verlangen würde für Karneval. Er würde wohl milde belächelt, und dann ginge man zur Tagesordnung über.
Mittelalterlich das Anprangern. Was vielleicht einmal als Idee Bewertung der Qualität der Lehre gedacht war, entpuppt sich als Verfolgungsinstrument gegen die Lehrenden.
Ich würde den Studenten zurufen, wenn ihr Angst vor Shakespeare-Dramen habt (trigger-warning) geht nach Hause zu Mami und nehmt einen Job im Laden um die Ecke an, der überfordert euch geistig und kulturell nicht. Damit wäre ich natürlich meinen Job als Dozent los . Traurige Entwicklung.
Sehr interessant finde ich die Sprache scon der allerersten Kommentatoren, die mit Hilfe der im Artikel gemachten Vorgaben zum eigentlichen Punkt kommen:
Die ganze political correctness gehört endlich weggepustet:
"heim zu Mami", "mimimimi" "Heulsusen", "Schwachsinn" usw. und so fort.
Das, was man pauschal allen antidiskriminatorischen Bewegungen anhand einiger Bespiele zuschreibt -("Genau - immer diese political correctness"), überholt man tatsächlich mit Links:
Aggressive Verunglimpfung, die mit den klassischen Methoden der Disziplinierung unter Männern arbeitet: Die Drohung durch Verweichlichung und Verweiblichung, der Versuch, berechtigte Forderungen als irrational, d.h. weibisch darzustellen, die unvermeidliche Herabsetzung von Frauen: An der eigenen Mutter zu hängen, das ist das Allerletzte.
Ich bin gespannt, welche Ausfälle weitere Kommentare so bringen.