Warum können Reiche sich von ihren Steuervergehen freikaufen, Arme aber nicht? Mit dem vermutlichen Steuerbetrug von Uli Hoeneß ist auch ein Instrument wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, das viele als ungerecht empfinden: die Selbstanzeige. Der Präsident des FC Bayern München hatte dieses seit Langem bestehende Schlupfloch im Strafrecht genutzt. Es erlaubt Steuerhinterziehern, bei strengen Auflagen und der Zahlung einer Geldstrafe nicht angeklagt zu werden. Ein moderner und legaler Ablasshandel: Wer Reue zeigt und zahlt, wird von Strafe verschont.
Das stört nicht nur viele Bürger, sondern auch Oppositionspolitiker. SPD-Chef Sigmar Gabriel will die Straffreiheit bei Selbstanzeige auf Bagatellfälle begrenzen, der Parteilinke Ralf Stegner will sie gar ganz abschaffen, Die Linke sowieso. Die jetzige Regelung widerspricht "jedem Gerechtigkeitsgefühl", wie Grünen-Chef Jürgen Trittin sagt. Viele Bürger verstehen nicht, warum sie ihre Steuern ehrlich entrichten müssen, während vermögende Schwarzgeldbesitzer, die jahrelang zu wenig Steuern bezahlt haben, straffrei ausgehen. Auch viele User von ZEIT ONLINE kritisieren das.
Doch es geht nicht nur um Gerechtigkeit, das weiß auch Trittin. Es geht auch um Geld und Effizienz. Der Staat möchte sich über den Weg der Selbstanzeige Milliarden an Steuereinnahmen aus meist im Ausland geführten Schwarzgeldkonten verschaffen, die sonst womöglich nie entdeckt würden. Zugleich soll unehrlichen Steuerzahlern einen Weg zurück in die Legalität gebaut werden, sofern sie sich offenbaren. Der Hintergedanke: Muss jemand, der seine Zinseinnahmen nicht ordnungsgemäß versteuert hat, befürchten, dass er womöglich ins Gefängnis kommt, wenn er sich meldet, wird er seine Konten im Zweifel lieber für sich behalten. Der Staat ginge weiter leer aus.
Strengere Regeln seit 2011
Um an das Geld zu kommen, nimmt die Politik auch in Kauf, gegen ein Grundprinzip des Rechts zu verstoßen. Denn bei anderen Straftaten wird tätige Reue allenfalls im Urteil strafmildernd berücksichtigt, der Täter kommt in der Regel aber nicht ungeschoren davon. Steuerhinterzieher müssen dagegen bis zur Hinterziehungssumme von maximal 50.000 Euro lediglich die hinterzogene Steuer plus sechs Prozent Zinsen nachzahlen und gehen dann straffrei aus. Allerdings wird das Ermittlungsverfahren auch bei höheren Beträgen eingestellt, wenn der Täter zusätzlich zu der nachzuzahlenden Steuer und den sechs Prozent Zinsen einen Zuschlag von fünf Prozent bezahlt. Im Endeffekt bleibt er also auch dann straffrei, es wird für ihn nur teurer.
2011 hat die Bundesregierung die Bedingungen für diese Straffreiheit verschärft. Anlass dafür waren die Steuer-CDs mit den Kontendaten von Deutschen im Ausland, die zuvor aufgetaucht waren. Der Bundesgerichtshof entschied daraufhin, dass Selbstanzeigern, die nur einen Teil ihrer Schwarzgeldkonten angeben, keine Straffreiheit mehr garantiert werden kann – eben weil auf den CDs ja noch Daten über weitere Schwarzgeldkonten auf ihren Namen auftauchen könnten. Seitdem müssen sie nun alle Konten offenlegen und die Steuern für alle Zeiträume, die noch nicht verjährt sind, nacherklären und nachzahlen. Die Strafanzeige in eigener Sache muss also vollständig sein. Ist sie lückenhaft oder kommt sie zu spät, wie möglicherweise im Fall Hoeneß, läuft ein Ermittlungsverfahren an, der Täter muss trotz der Selbstanzeige mit einer Strafe rechnen.
Nicht mehr möglich ist eine Selbstanzeige außerdem, wenn die Behörden schon von sich aus aktiv geworden sind. Wenn ein Strafverfahren eingeleitet ist, aber auch bereits dann, wenn ein Steuerprüfer vor der Tür steht oder auch nur seinen Besuch angekündigt hat.
Kommentare
Das Wort "Gerechtigkeit" gehört in die Philosophie aber nicht...
in die Politik.
Es gibt keine Steuergerechtigkeit.
Nein alle Menschen sind nicht gleich, haben auch unterschiedliche Talente. Den einen muss man helfen (Sozialhilfe) den anderen muss man unter die Armee greifen (Infrastruktur, Schulen, etc.).
Es gibt verschiedene Lösungswege um das System Fairer zu machen.
Zum Beispiel das man bei Einkommen bis 1200 € netto keine Einkommenssteuer belastet (damit diese Leute einen Verdienst zwischen 1100-1500 haben) und der Staat schaut wo er das Geld herholt (Erbschaftssteuer, Subventionen streichen, Controlling und Vermeidung von Steuerverschwendung).
Der andere wäre das Kirchhof System wo alle 1/4 dem Staat geben und 3/4 behalten. (Subventionen werden gekürzt/gestrichen, Ausnahmeregelungen abgeschafft etc. pp.) Dadurch würden auch Kapazitäten für die Steuerfahndung geschaffen werden, den wo sollen den neue Steuerermittler herkommen (die müssen angelehrnt, angeworden und eingearbeitet werde).
Solange der Staat auch nicht zeigt das er mit Geld umgehen kann (Nürburgring, Elbphilarmonie, BER, Euro Währungspolitik, Bankenrettung etc. pp) wird der Bürger und auch der einsichtige Steuersünder nicht überzeugen lassen.
Antwort "auf das Wort "Gerechtigkeit" gehört in die Philosophie
Ihre praktischen Vorschläge für mehr Steuergerechtigkeit finde ich sehr gut, alle Mal besser als das jetzige System.
Die Gesamtheit aller direkten/indirekten Abgaben summieren sich bei gefühlten 75% - das ist zu viel, wie ich finde.
Aber ich bin mit ihrer "ideologischen" Begründung nicht einverstanden:
"Nein alle Menschen sind nicht gleich, haben auch unterschiedliche Talente. Den einen muss man helfen (Sozialhilfe) den anderen muss man unter die Armee greifen (Infrastruktur, Schulen, etc.)."
Die unterschiedlichen Talente sind nicht allein Gott gegeben, das gesellschaftliche Umfeld hat einen mindestens genauso so großen Einfluss auf das Individuum.
Und wo man hineingeboren wird - darauf hat man nun Mal keinen Einfluss. Deswegen hinkt der Vergleich mit dem "Talent" (ich spitze hier meine Wortwahl etwas zu) für Sozialhilfe - sehr.
Eine Infrastruktur und ganz besonders eine relevante Bildung sind, denke ich, wirklich für Jeden sehr elementar - und deren Finanzierung über Steuern empfinde ich als Fortschritt und nicht als Ungerechtigkeit.
Ich sehe...
...in den Selbstanzeigen kein Problem!
Jeder, auch Reiche, können einsehen, dass sie einen Fehler gemacht haben und durch eine Selbstanzeige der Gesellschaft das zurückgeben, was sie ihnen vermeintlich schulden. Als Randnotiz: Ein Staat, der sich gegen seine Reichen/Eliten auflehnt - und das geschieht in Deutschland schon seit Langem - ist auf kurz oder lang dem Untergang geweiht!
mit solidarischem Gruß,
besorgter_mitbuerger
kleine korrektur
wenn sich die menschen gegen die eliten auflehnen ist der staat nicht dem untergang geweiht....
sondern man erhält einen umbau der gesellschaftlichen und sozialen verhältnisse. das nennt man dann auch revolution.
ehrlich gesagt finde ich je älter ich werde diese option garnichtmal mehr so schlimm. es muss ja nicht mit gewalt passieren. wir deutschen haben damit ja schon erfahrung gesammelt :)
Vielleicht liege ich auf falsch,
aber wenn man Steuern hinterzieht und diese dann irgendwann selbstständig wieder zurückzahlt, dann hat man sie doch quasi nie hinterzogen, oder? Und wenn dem so ist, dann hat man ja auch keine Straftat mehr begangen, oder nicht? Man könnte natürlich argumentieren, daß man Steuern sofort abzurechnen hat und auch mehr als Entschädigung verlangen, da man das Geld ja noch Inflationsberechnen müsste, etc., aber ich finde irgendwie, daß das so wäre, wie wenn ich jemanden des Diebstahls bezichtige, wenn er etwas klaut, dann Reue zeigt und es mir wiedergibt. Dann hat er in erster Instanz zwar etwas von mir geklaut, aber wenn ich es ohne Wertverlust wiederbekomme, dann sehe ich da nicht so das Problem (für durch den Diebstahl aufgekommene Kosten müsste derjenige natürlich aufkommen). Ich hoffe, daß mein Punkt verständlich ist..
Grüße
wenn, ja wenn er es zurück bekommt
bekommt er aber nicht, wenn die Strafandrohung fehlt.
.
Zudem glaube ich Ihnen nicht, das, wenn Sie den Vergleich Diebstahl einer Ware anführen, Sie gelinde nur ein Du du du sagen werden, weil Sie die Ware zurück erhalten. Wenn der Dieb das einmal pro Woche macht, wird Ihre Geduld evtl. nach 1 Monat ( kommt auf Ihre Gutmütigkeit an) aber dermaßen überstrapaziert sein, dass Sie wohl sagen werden, eh, SO aber nicht.
Falls nicht, "Hut ab"
Straffreiheit geht in Ordnung
Man bedenke, es geht um Geld, nur um Geld UND nur um Steuergelder aus Einkommen (versuche mal einer die Kfz-Steuer zu hinzerziehen, der läuft recht schnell, vermute ich) UND das sind Staatseinnahmen, die ohne konkreten Verwendungsanspruch zu leisten sind, der Bürger hat keinen unmittelbaren Anspruch daraus auf irgendwas. Mittelbar kann er diverses natürlich daraus verlangen (Schulen, Straßen, Polizei, Steuerfahnder u.v.a.m.). Apropos Steuerfahnder. Steuerprüfer und Steuerfahnder müssten natürlich etwas aufgestockt werden, insbesondere in den Südländern, dort insbesondere in Bayern, dann kann man mehr prüfen. Und man sollte engagierte Prüfer nicht von Amts wegen für verrückt erklären, nur weil sie sich vom Steuerpflichtigen ihre Arbeit nicht erklären lassen wollen.
Die kann man nicht hinterziehen
KFZ-Steuer kann man nicht hinterziehen, die kann man nur schulden, denn das Fahrzeug ist ja beim KBA registriert, wenn man es anmeldet.
Die Daten stehen ja in der ZB1, somit im Datensatz des KBAs und durch diese Daten kann der Steurbescheid erstellt und dem Steuerschuldner zugestellt werden.