Energiepolitik Unter Einfluss

Ein früherer Atomlobbyist ist heute Aufseher über die Kernkraft – um mehr Sicherheit geht es ihm nicht.

"Zusätzliche Sicherheit" hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) versprochen, als der Bundestag die Laufzeiten der Atomkraftwerke im vergangenen Herbst verlängert hat. Mit dem neuen Paragrafen 7d im Gesetz werde eine neue dynamische Betreiberpflicht zur Nachrüstung eingeführt, behauptete der Minister. Seit dem 11. Januar nimmt das erste Atomkraftwerk, Neckarwestheim 1, die Laufzeitverlängerung bereits in Anspruch. Nur eine Verbesserung des Sicherheitsniveaus haben bisher weder die Landesatomaufsicht noch die Bundesatomaufsicht verlangt. Darüber hat sich am Mittwoch der Umweltausschuss des Bundestags informiert.

Sylvia Kotting-Uhl, Atomexpertin der Grünen, sagte dem Tagesspiegel nach der Sitzung: "Jetzt stellt sich die Frage, was der Paragraf 7d tatsächlich bedeutet." Im Fall Neckarwestheim 1 gibt es nämlich einen Antrag des Betreibers EnBW aus dem Jahr 2007, in dem er eine sicherheitstechnische Nachrüstung beantragt hatte. "Mit dem Antrag ist dokumentiert, dass es einen relevanten Sicherheitsabstand zwischen dem Atomkraftwerk Neckarwestheim 1 und dem jüngeren Reaktor Neckarwestheim 2 gibt", sagt sie.

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Dass der Abteilungsleiter Reaktorsicherheit, Gerald Hennenhöfer, die Einfügung des neuen Paragrafen 7d betrieben haben könnte, um das Schutzniveau vor atomaren Gefahren zu erhöhen, ist jedoch kaum anzunehmen. In einem Aufsatz, den Hennenhöfer 2010 in einer Festschrift für Dieter Sellner veröffentlicht hat, in dessen Kanzlei er bis zum Wechsel zurück ins Bundesumweltministerium (BMU) gearbeitet hat, steht ziemlich das Gegenteil. Dass es einen Unterschied zwischen alten und neueren Atomkraftwerken gibt, kann Hennenhöfer nicht erkennen, und auch eine Pflicht der Betreiber, das Sicherheitsniveau dynamisch dem Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen, sieht er nicht. "Das Atomrecht kennt lediglich genehmigte und nicht genehmigte Anlagen", heißt es dort lapidar.

Ausführlich kritisiert Hennenhöfer ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2008 zum Zwischenlager Brunsbüttel. Die Richter hatten gezielt herbeigeführte Flugzeugabstürze als Gefahren definiert, die nicht mehr dem Restrisiko, das alle zu tragen haben, zuzurechnen seien. Damit wäre die Gefahrenabwehr gegen Terroranschläge ein einklagbares Recht für Anwohner.

Mit dem Paragrafen 7d ist dieses Klagerecht nach Einschätzung der Rechtsanwältin und Energieexpertin der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Cornelia Ziehm abgeschafft worden. "Schutzrechte der Anwohner von Kernkraftwerken werden qua Gesetz ausgehebelt", wie Hennenhöfer das in dem Aufsatz nahegelegt hatte. Der Aufsatz erschien übrigens, als Hennenhöfer schon wieder der oberste Strahlenschützer war.

Gerald Hennenhöfer, der von 1994 bis 1998 schon einmal die Reaktorsicherheitsabteilung im BMU geleitet hatte, kam zwischendurch bei Viag, heute Eon, unter und handelte in seiner dortigen Funktion den Atomausstiegsvertrag mit aus. Nach seiner Rückkehr ins BMU wies die DUH darauf hin, dass Hennenhöfer wegen seiner vorhergehenden Tätigkeit nach Paragraf 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes von bestimmten Verwaltungsakten ausgeschlossen werden müsste. Dazu gehört die Aushandlung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, wie dem Förderfondsvertrag, der im vergangenen Herbst bis spätnachts im Bundesfinanzministerium mit den Energiekonzernen vereinbart worden ist.

Leser-Kommentare
  1. Also mich wundert es nicht, dass verantwortliche Personen in Deutschland jenes sich Biegen und Winden mit in die Wiege gelegt bekommen haben, welches sie täglich zur Schau stellen. Würde ja niemanden interessieren, was die Herrschaften alles so treiben, wäre da nicht die dauerhafte Gefahr eines Supergaus. Das geht schließlich weltweit alle an.

  2. Der Bundestag hat mit den Stimmen der schwarz-gelben Regierungsfraktionen unseren Appell für ein Lobbyregister abgelehnt.

    Die Unterschriften hatten wir im Dezember 2009 an den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestags Herrn Solms (FDP) - stellvertretend für alle Bundestagsabgeordneten - übergeben. Zugleich lief beim Bundestag eine öffentliche Petition eines Bürgers, die von 2.780 Personen mitgezeichnet wurde. Insgesamt hatten also über 10.000 Menschen vom Bundestag verpflichtende Transparenzregeln für Lobbyisten gefordert.

    Aber die Schwarz-Gelbe Regierung will nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr Durchblick im Lobbydschungel bekommen. Anders kann man die Ablehnung nicht verstehen: Die Regierungskoalition hat keinerlei Interesse an Transparenz und Schranken für Lobbyisten.

    Schließlich heißt es, das Thema sei ja bereits in der Vergangenheit diskutiert worden. Es habe dazu in der letzten Legislaturperiode Anträge von Linkspartei und Grünen gegeben, die jedoch mit der Wahl des neuen Bundestages verfallen sind (”Grundsatz der Diskontinuität”).

    http://www.lobbycontrol.d...

    Da sieht mal wieder, aus welchem Holz die Lobbykraten der CDU und der FDP geschnitzt sind. Es tut mir leid, aber für mich ist das offen praktizierte Korruption und diese Parteien halte ich für Demokraten nicht wählbar!

    10 Leser-Empfehlungen
    • Taha
    • 10.02.2011 um 11:16 Uhr

    ...man möchte hinzufügen, mal wieder, wie unsere Regierung ihre eigentlichen Aufgaben, zu denen an erster Stelle der Schutz der Gesundheit und Sicherheit seiner Bürger, oder sollte man besser wieder Untertanen sagen, konterkariert.
    Es ist schamlos, wie offensichtlich die Regierung sich immer wieder rein Lobby-Interessen richtet und wenn das mal nicht genügt, wird mal schnell ein Lobbyist zum Mitglied eine Bundesminsiteriums. Dann kann er da genügend Einfluss nehmen.
    Lobbyismus in der jetzigen Form ist doch nichts anderes als Bestechung!
    Auch erstaunlich wie wenig man in den Medien darüber erfährt, was da so hinter der Bühne abgeht, wenn unsere Politiker und Wirtschaftsbosse Entscheidungen, Verordnungen und Gesetze auskungeln, die unser Aller Wohl und Schicksal betreffen, die aber so offensichtlich nur auf eine zunehmende Bereicherung dieser neuen Feudalherren abzielen.
    Insofern schon mal Danke für diesen Artikel verbunden mit der Aufforderung weiter zu suchen!
    Da läßt sich noch so viel mehr finden, was zum Himmel stinkt und die Aufgabe der Medien sollte unter anderem sein genau dies den Bürgern mitzuteilen.

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    an erster Stelle steht der Gewinn der Unternehmen und der Börse
    an zweiter Stelle steht der Gewinn der Unternehmen und der Börse
    an dritter Stelle steht der Gewinn der Politiker und der Unternehmen und der Börse
    an vierter Stelle steht der Gewinn um den sich die Schleimer verdient machen
    irgendwo an letzter Stelle steht das Volk
    und wenn die sich beschweren sind sie undankbar und dumm

    an erster Stelle steht der Gewinn der Unternehmen und der Börse
    an zweiter Stelle steht der Gewinn der Unternehmen und der Börse
    an dritter Stelle steht der Gewinn der Politiker und der Unternehmen und der Börse
    an vierter Stelle steht der Gewinn um den sich die Schleimer verdient machen
    irgendwo an letzter Stelle steht das Volk
    und wenn die sich beschweren sind sie undankbar und dumm

  3. es ist eine Schande, was diese "Menschen in Berlin" (Regierung kann ich nicht schreiben) aus diesem Land gemacht haben:

    eine Bananenrepublik mit einer einfach nur abstossenden Führung.

    SCHADE !

  4. anzunehmen, dass dieser Interessenkonflikt nicht bekannt war.
    Und zwar auf beiden Seiten. So wird in unserem Land Politik gemacht. Es geht leider immer weniger um die Belange des Bürgers, sondern eher um die Interessen derjenigen die den Machterhalt der jeweils regierenden Politiker garantieren.
    Wer finanziert denn die Parteien? In meinen Augen ist das politische Korruption und damit leider kein Straftatbestand, aber deswegen nicht minder verwerflich.
    Dass das "Ergebnis" solcher Entscheidungsprozesse noch nicht einmal im Verwaltungsrecht eindeutig als rechtswidrig beschrieben wird, zeigt wie geschickt dieser Lobbykratismus bereits in unseren politischen Entscheidungsstrukturen eingerichtet und abgesichert hat.
    Neu ist mich hingegen nur die Offensichlichkeit mit der die Interessen der Lobbyisten bedient werden.
    Um des Kaisers Bart wird nur da gestritten, wo es die Interessen der Mächtigen nicht tangiert.

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    Sie haben Recht. Und in meinen Augen sollte - auch in Anbetracht des volkswirtschaftlichen Schadens der dadurch ensteht - Politische Korruption als der zu den schlimmsten gesellschaftlichen Verbrechen gehörende Straftatbestand gelten.

    Sie haben Recht. Und in meinen Augen sollte - auch in Anbetracht des volkswirtschaftlichen Schadens der dadurch ensteht - Politische Korruption als der zu den schlimmsten gesellschaftlichen Verbrechen gehörende Straftatbestand gelten.

  5. umso schneller kommt Ägypten auch zu uns...
    ---
    An die Einkehr von Vernunft in die Köpfe unserer sog. Eliten und der damit einhergehenden Politikveränderung weg von Gier und Egoismus hin zu Nachhaltigkeit und Bürgernähe glaube ich schon lange nicht mehr.
    Ein Systemkollaps, auch wenn er natürlich höchstwahrscheinlich nicht friedlich verlaufen wird, scheint mir die einzige Möglichkeit zu Veränderung zu sein.

    Leider.

    ---
    Nun denn, meine Damen und Herren, nur weiter so...

  6. Korrekt, da kann ich nur beipflichten !!!

    Es wir allerhöchste Zeit, dass wie (WIR sind nämlich das Volk! - schon vergessen ???) und in Berlin versammeln und diese Lobbyvertreter und Verbrecher zum Teufel jagen !

    • Gafra
    • 10.02.2011 um 12:12 Uhr
    Antwort auf "Es ist kaum"

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  • Quelle ZEIT ONLINE, Tagesspiegel
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