Salon Littéraire | Christian Steinbacher : VON DEN DINGEN

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Salon Littéraire | Christian Steinbacher :

VON DEN DINGEN zum Ersten oder Der Himmel voller Post-its

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Machen wir es keck so für den poetischen Einstieg in den Salon Littéraire: Ein Hinweis auf www.herndler.net, wo seit kurzem für jene, die über ein entsprechendes Programm verfügen, als Video 1 und Video 2 zwei kurze Auszüge eines Video-Mitschnitts eines Auftritts mit den Geigerinnen Eva Herndler und Ivana Pristasova zu hören sind, den der Komponist als DVD vorlautes nieseln in seiner edition EIS aufgelegt hat, möge diesen kurzen Schimmel voller Geigen vorab erklimmen. Und das entspricht durchaus einem Einblick auch in die aktuelle Produktion, als ich im Moment u. a. an einem Libretto für den Komponistenfreund arbeite, wobei auch neue Gedichte eines künftigen Zyklus VON DEN DINGEN für ein neues größeres Gedichtmanuskript anfallen. Eines davon – und in den Zusammenhängen hier nehmen wir selbstredend eines, das sich vor den Halftern eines Instrumentariums herumtreibt – sei im Folgenden wiedergegeben:

Bild-Stein-1 Kruno für-Zint

DIE EINE MITTE, sie platzt, es sind
der Zentren viele, ‘s kippt allemal,
ein jedes war doch noch immerzu
Abweichung bloß, ‘s gilt so auch für dich.

Doch ‘s kratzt den Kittel nur wenig, wenn
Gelenke schmiern sich bis hin zum Tausch
der Instrumente, die schnarren hier,
bis dass es kracht, dass nichts flöten geh…

Der Zeichner aber, der kratz’ herum,
bis die Schablone sich dreht wie krumm,
zum Ferkel nicht lässt den Span dies Holz,
Vergänglichkeit gern ‘nen Aufstand prellt.

Erbost stößt ab sich da das Fagott,
ziehst du den Schlussstrich nicht, wirst du bloß
mein Schlusslicht sein, und dann steckst du fest,
die Klarinette besteht den Test.

Entblößt die Geigen verflattern sich,
voller Kommandos ihr Himmel bricht,
kein Kormoran sich vorm Cockpit hält,
dem Quietschen nachstellt des Unflats Drift.

2

Bild-Stein-2 Kruno für-Zint

Und nicht zuletzt da Christiane Zintzen mal feine Worte zu István Vörös gefunden hat, möchte ich hier im weiteren noch ein zweites Beispiel anspielen, als sich dieses u. a. als durchwegs positiv gemeinte Persiflage der 5-4-3-2-1-Strophentechnik versteht, die Vörös für seinen kürzlich in der Edition Korrespondenzen erschienenen neuen Gedichtband Heidegger als Postbeamter entwickelt hat, dessen köstliche Lektüre mich auf dieses in vieler Hinsicht erfreuliche Buch – unterlegt ist auch der hier folgende Text mit einer Stelle von Heidegger, und zwar einer Stelle aus Der Ursprung des Kunstwerks zu Ding und Zeug, die mir der Bildende Künstler Markus Scherer für die Erarbeitung des eingangs erwähnten Libretto vorgegeben hat – hinweisen möchte.

Nicht ist uns unbekannt jenes,
was gibt, aber zugleich auch verursacht,
besteht doch bloß darin ein Ding,
dass zusammen was steht. Aber
selbst diese Auslegung, sie beruft sich,

etwa auf Welt, Gebrauch und Natur.
Weit sicher nicht kommt im Komödienstall
der Begriffe, was sich auch abtauschen
will. Aber die Konsistenz eines Dinges,

also dass ein Stoff steht zusammen
mit einer Form, bestehe eben bloß darin,
wie ich als irgend so ein Herr Martin

behaupte, und nicht dass zusammen
irgend so ‘n Koffer mit ‘nem Kuli geht, packt

mir da also besser nicht an.

·

Darin das Drehmoment eines Verschwenders
besteht, dass dem selbst ein Pantoffel
geht mit einer neuen Hose zusammen. Na wo?
Wo es rutscht? Aber das Rutschmoment ist
kein geölter Fisch. Diese Auslegung

eines Handtuchs beruft sich
nur auf die Unmittelbarkeit im Verzug,
mit dem uns das Abtrocknen plötzlich
in seinem Ausflug vorangeht. Hier aber

ging es ums Stehen, also bestehe jetzt, dass,
und selbst wenn dort das Kulinarische
an einer grasenden Kuh doch zu Recht

noch auf ihre Standfestigkeit zielte,
du dennoch auch darauf bestehst, dass du

bald auf nichts mehr bestehst.

·

Ja, Begriffe sind blöd, und ein Vulkan keineswegs
fulminant, weil so ein Fujifilm doch nicht so ganz
ohne Jammer. Das Fulminante am Fujiyama sei ja
nicht sein Schlafanzug, sondern die Verlorenheit auf
dem barytierten Papier, aber auch diese Auslegung will

sich berufen auf einen unmittelbaren Anblick, und nicht
auf ihr Gehänge, etwa einen Faden Seide, hier zwischen
die Seiten gelegt, sag schon, was steht da zusammen
wie Perforation und Papier? Kanalisation? In die Welt

gebracht? Oder doch besser zerschellt am
Gebrauch? Was ist Gebrauch, was Natur? Dass sich einer
beruft? Was den Dingen ihr Kerniges gibt oder nimmt?

Oder ein neuer Moment des Verschwendens von
Kernöl, ein weitrer Pantoffel, ein weitres Gerücht?

Dort aber finge an endlich keine andere Welt

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Bildnachweis

Die beiden Fotos zeigen das Absaugen von Post-its einer Ausstellung von Kruno Stipešević in der Künstlervereinigung MAERZ ( Foto : Peter Sommerauer )

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Christian Steinbacher

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One Response to Salon Littéraire | Christian Steinbacher : VON DEN DINGEN
  1. otto brandenberg
    January 25, 2009 | 22h06

    die hinwendung zur musik, die plastische klanglichkeit der worte, herumtreiben vor instrumentalen halftern: mitte + kittel + holzspan = schlummern hier anlagen des dirigenten im autor?
    auch spannend: die videos von herndler.net (nicht von der runterladezeit abschrecken lassen, auch nicht vom zeitversatz zwischen ton und bild (zumindest bei meinem abspielgerät): wirklich gute spoken-word-musik-allianz))

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