||| DIETER MEIER – DER EWIGE GAMBLER | FRANZ HOHLERS “MINIMA MORALIA” | LION FEUCHTWANGER – INFERNALISCHE ANALYSE | KLANGAPPARAT
Gambler und Wirtschaftskrise , Zocker mit und ohne Ideologie , und was der häusliche Kampf gegen eine Ameisenstrasse mit Gaza zu tun hat : unsere in|ad|ae|qu|ate Hörbücherschau schrammt knapp die bankrotten “Echtwelt”- Realien . Ein bisschen Sinn für’s Sinnbildhafte wird man für eine solche Auffassung schon aufbringen , isn’t it ?
DIETER MEIER – DER EWIGE GAMBLER
Dandy , Poseur und bekennender Glücksspieler : Dieter Meier hat stets unter Einsatz des Kapitals seiner Kunstfigur gepokert und – gewonnen . Früh durch die Einladung zur “documenta 1972″ geadelt , ist der Konzeptkünstler spätestens mit der Vergoldung von öffentlichen Alltagsobjekten ( “Le Rien en Or ” ) in der Zürcher Innenstadt nachgerade omnipräsent . International kennt und nennt man Meier zusammen mit Boris Blank in der Formation Yello als Vorläufer der heute als “Techno” etikettierten sequenziellen elektronischen Tanzmusik .
Wenn ein solcher mit allen Tricks und Trucs ausgestatteter artistischer Filou sich der schönen Kunst des Schreibens widmet , erweisen die für diverse Magazine verfassten Glossen und Betrachtungen deutlich dem Dadaisten und Krimiautor Walter Serner ( 1889 – 1943 ) Reverenz , der – Jurist wie Meier – in seinem “Handbrevier für Hochstapler und solche , die es werden wollen ” ( “Letzte Lockerung ” , 1920 ) dem versatilen Adepten die Poetik lieferte : “Ein Gespräch , während dessen du keinen Truc lancieren konntest , wird dir nicht viel gesagt haben.”
Meiers Anekdoten, Betrachtungen und Blankvers- Reime sind in der Tat voll von solchen sprachlich-sachlich in lustvollen Übertreibungen schwelgenden “Trucs” . Sei’s die deftige Schilderung der New Yorker Klub- und Drag- Szene Anfang der Achtziger , sei’s ein barockes Bekenntnis zur Sucht- Lust des Zockens oder eine herrenreiterhafte Hommage an alte Grand- Hotels : Indem Meier , Meister der Selbstreferenz , sich stets als ironisches Figürchen einbringt , hält er das in Form und Fasson diverse Material aufs Unterhaltsamste zusammen . Wortwendig und gewandt artikulierend , spricht der bekennende Dilettant sich selber hohn und dem Hörer zum höchsten Vergnügen . ( Deutsche Grammophon 2008 , more …. )
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FRANZ HOHLERS “MINIMA MORALIA”
Es wäre nicht Franz Hohler , wenn er bei der Entgegennahme des “Ehrenstiers für sein kabarettistisches Lebenswerk” sich nicht selbstironisch mit einem “Pfingstochsen” verglichen hätte . Denn Hohler pflegt abseits der Lachgesellschaft die alerte Agenda als Autor eines leisen und feinen Erzählwerks , in dessen Zentrum der verletzliche – und oft reichlich vermessen und vernunftvergessen agierende – Alltagsmensch steht . Triftig setzt dies die Erzähl- und Aperçu-Sammlung “Das Ende eines ganz normalen Tages ” ins Werk , wobei sich der Fokus des Erzählten sukzessive von der Nahsicht der Selbstbeobachtung zu Zooms auf weltpolitische An- Sichten weitet .
Was mit der jederzeit möglichen Fallgeschichte beginnt , sich durch einen unglücklichen Fehltritt jäh in einen medizinischen “Fall” zu verwandeln , reflektiert anhand einiger Episoden aus Erinnerung und Familie die Zeitlichkeit und das Fragile menschlicher Existenz . Wer sich dabei ertappt , den lästigen Ameisen im eigenen Haus mit Insektengift zu Leibe zu rücken ( “Genozid” ) , anstatt einfach die Fenster zu öffnen , kann und wird auch beim persönlichen Augenschein der menschenverachtenden Umstände , in welchen Palästinenser hinter der “Wall of Hatred” leben , nie mehr den allzeit gescheiten Gutmenschen geben .
Von der Wiederkehr des in jüngeren Tagen Verdrängten handelt auch der im Vorjahr erschienene Roman “Es klopft ” , wobei die starke Strapazierung des Zufalls als dramaturgisches Mittel , auseinander laufende Erzählfäden zu dramatischen Knoten zu schürzen , deutlich für eine Rückkehr zur Kurzform spricht : Denn in den Aperçus zum «Abenteuer Alltag» kommen Franz Hohlers “Minimal Moralia” poetisch und unwiderleglich zu sich . ( Random House Audio 2007 & 2008 , more … )
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LION FEUCHTWANGER – INFERNALISCHE ANALYSE
Mit langem Atem , grossem Radius und pointillistischer Genauigkeit hat Lion Feuchtwanger seine Epochengemälde entworfen . Speziell der Zeitroman “Erfolg” beleuchtet die allmähliche Korrosion der Münchner Räterepublik durch aggressive nationalistische Kräfte bis hin zum Hitler- Putsch 1923 . Anfang der dreissiger Jahre aus leicht historischer Vogelperspektive geschrieben , offenbart sich das Gesellschaftspanorama der Heimatstadt zugleich als visionäre Vorwegnahme kommender Katastrophen .
Anhand einer Fülle von Charakteren und deren Ambitionen zeichnet Feuchtwanger die Verfilzung von Industrie und Politik , Opportunismus und Bigotterie , die – multipliziert um den Faktor bayrischer Kraftlackelei – in miese Verstrickungen und schiere Gewalt mündet . Ähnlich rollt der Autor – selbst Sohn aus jüdisch- orthodoxem Fabrikantenhaus – in der Familiensaga “Die Geschwister Oppermann ” das Spektrum der Haltungs- und Handlungsoptionen jüdischer Bürger unter Umständen der sich verschärfenden Repressalien aus .
Mit dem Münchner Regisseur Percy Adlon wurde ein dem Werk Feuchtwangers affiner Sprecher gewählt . Wie damals Feuchtwanger lebt Adlon heute im kalifornischen Pacific Palisades , wie jener hat auch Adlon einen leichten bayrischen Sprachklang bewahrt . Aus zeitlicher wie räumlicher Distanz akzentuiert Adlon das beachtliche analytische Potenzial der Romane . In geradezu gegenläufiger Manier versenkt sich die 1984 urgesendete Hörspielversion von “Erfolg “ ( pdf ) tief in den akustischen Ursumpf des dumpf- leiblichen und linguistischen Bayern : Akzeleriert von Peter Zwetkoffs obsessiv variierten “volks”musikalischen Motiven erklingen grosse Stimmen wie die von Axel Corti oder Hannelore Elsner inmitten eines wahr- und wahnhaft infernalischen Getriebes . ( Der Audio- Verlag 2008 , more … )
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KLANGAPPARAT
Nachdem Mixotic uns jetzt eineinhalb hartkalt- lieblose Techno- Mix- Monate um die Ohren geklatscht hat , tritt der Meister diskreter Stimmungen , Tom Larson ( MySpace ) , herbei und rückt den Sound wieder auf die wärmere Seite der Akustik : Seine “Klänge der Nacht , vol. 7” lassen manche der früheren Intimitäten vermissen , sind weniger diskret als gewohnt ausgefallen , eignen sich folglich doch eher für eine Abspielung am planen Tag . Dennoch : es sei . Wer wären wir , hielten wir unseren Favoriten nicht auch bei Seitensprüngen die Treue ?! – CLICK LINK TO LISTEN.
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