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Dichterstimmen original und so , wie diese ein Regisseur ( bzw. bas Besetzungsbureau ) interpretiert , stehen heute auf dem in|ad|ae|qu|at|en Programm . Wobei darüber erstaunt festzuhalten ist , dass es sich beim “Spoken Arts Treasury“ des Hörverlags ( Credits siehe jeweils unter “more …” ) im die Wiederauflage eines einst sündhaft teuren Verpackungskunsstücks handelt , ohne , dass irgendwo im Booklet darauf hingewiesen würde .
Auch das schamlos an den Dichtern bzw. an den anderen Formen z. b. amerikanischer Naturpoesie vorbeiquasselnde Vorwort Raoul Schrotts scheint inzischen kaum überarbeitet worden und schmückt sich dennoch mit der Sigle “2008″ . Angaben darüber , welche der ( vom Grossteil weissen ) amerikanischen Dichter etwa ein “Black American” ist , darf man selbst recherchieren . Da wir in|ad|ae|qu|at buchstäblich die Biographien aller hundert Personen in der Wikipedia gegengelesen haben haben , beläuft sich deren absolute Anzahl auf etwa fünf Autoren …
Was herauskommt , wenn ein deutscher Sender ( HR ) beim ORF bzw. bei dessen produktivsten Regisseur , Götz Fritsch , eine betont austriazistische Inszenierung eines deutsch- österreichischen Briefwechsels in Auftrag gibt , erweist sich anhand der akustischen Version der Korrespondenz zwischen Siegfried Unseld und Thomas Bernhard.
Der vollständigen Buchausgabe bei Suhrkamp mehrere Monate in Auszügen voauseilend , erzählt die auditive Version mehr über deutsch- österreichisch wechselseitige Klischees als über die ( Stimm- ) Charaktere der historischen Personen . Auch hier übrigens kein Wort über die Produktionsbedingungen , welche andernorts doch mittlerweile stolz als “Making of” präsentiert werden . Hauptsache , man amüsiert sich über den österreichisch- barocken Berserker , welcher dem bundesdeutschen Krokodil ( = Grossverleger ) Eins ums Andere auf die Nase gibt .
Wie man hört und sieht , funktioniert das Klischee auch im vereinten Europa weiterhin am besten .
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BERNHARD VS. UNSELD : TERROR UND SPIEL
Etwa 500 Briefe wechselten sie über dreissig Jahre hinweg und blieben einander dabei in wörtlicher Schläue wenig schuldig . Siegfried Unseld wollte den markanten Autor unbedingt halten , wie umgekehrt für Thomas Bernhards maximale Ansprüche nur Suhrkamp in Frage kam . Bis zum Erscheinen von “Frost” ( 1963 ) gab sich der Debütant dem prominenten Verleger gegenüber noch manierlich . Als der tief finstere Roman den Durchbruch gebracht hatte , polte Bernhard den Ton seiner postalischen Noten auf abrupte Ton- Wechsel zwischen Lob und aggressiven Forderungen .
Nur der eigenen Logik gehorchend , überzog er Abgabetermine , kündigte Verträge einseitig auf und torpedierte Unseld mit Beschuldigungen der totalen Ignoranz , die dem Verleger kein geringes Mass an Begütigung und Erklärung abnötigten . Zwei Mittel erwiesen sich als probat , den aufsässigen Autor kurzfristig zu beruhigen : Durch persönliche Besuche auf Bernhards Ohlsdorfer Hof vermochte Unseld den Anwurf zu entkräften , Autor und Werk seien blosse Objekte “dilettantischer Geschäftigkeit” : Man wanderte , man sprach , man ass und man trank . Als Königsweg , den tobenden Dichter zu befrieden , erwiesen sich letztlich die nicht unbeträchtlichen Honorare , welche für Bernhard den Wert seines Werks objektivierten .
Es ist bemerkenswert , dass man der akustischen Fassung der Korrespondenz den Vortritt vor der ( für Mai angekündigten ) Buchausgabe gewährt . Was dabei erheblich befremdet , ist die Besetzung : Dem für seine hysterischen Bernhard- Figuren bekannten Gert Voss wurde paradoxerweise der Part Siegfried Unselds zugewiesen . Im vollmundigen “Harry- Rowohlt- Ton” markiert Voss den sinnesfreudigen Patriarchen. Peter Simonischek , sonst eher im sonoren Fach , gibt die Bernhardschen Erregungen im Diskant des Querulanten . Es fragt sich , ob die Intensität dieser Briefe tatsächlich ein derart akustisches Satyrspiel benötigt . ( more … )
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HUNDERT JAHRE , HUNDERT DICHTER
Seit 1956 hatte der Philologe Arthur Luce Klein systematisch Originaltonaufnahmen aus Archiven geborgen oder deren Einspielung veranlasst . Mit einer Audio- Anthologie , welche 100 poetische Stimmen mit insgesamt 453 Gedichten chronologisch vorstellte , legte er 1970 ein Monumentalwerk vor , das ein Jahrhundert umfasste . Als Claudia Baumhöver diesen “Spoken Arts Treasury“im Jahr 2000 erstmals der deutschen Öffentlichkeit erschloss , wurde das verlegerische Wagnis unisono von der Kritik gefeiert .
Nun liegt das sprechende Kompendium als Neuausgabe vor : eine Kollektion auratischer Stimmen , welche bisher abstrakte Namen verwandelt in eine stimmlich- sinnliche Begegnung mit Autoren und Textgestalten . Da ist Gertrude Steins Singsang , da sind Ezra Pounds erschütternd brüchig vorgetragene “Cantos“, während E. E. Cummings mit distinkter Artikulation besticht . Die individuellen Timbres und Sprechmelodien stiften augenblicklich eine Beziehung zwischen Hörendem und Stimme : von W. H. Auden bis hin zu denBeat-Poeten der sechziger Jahre und den prekären Bekenntnissen von Anne Sexton oder Sylvia Plath .
Schmerzlich vermisst man Angaben zu den Aufnahmedaten , um die akustischen Stimmungslagen auf den Zeitlinien der Biografien zu verorten . Statt Raoul Schrotts Stereotypen der Schriftlichkeitskritik hätte man sich ein informativeres Vorwort gewünscht , welches nicht nur über die Entstehungsbedingungen der Aufnahmen Auskunft gewährte, sondern auch über die ethnischen Hintergründe der Dichter : Dass mit dem “Spoken Arts Treasury” nicht zuletzt ein poetischer Kanon des “White Anglo-Saxon Protestant Male ” vorliegt , bedürfte angesichts einer “Frauenquote” von nicht einmal zwanzig Prozent ( 18:82 ) literatursoziologisch und -historisch ebenso eines Kommentars .
All dies vermag die Wirkkraft der epochalen Edition indes nicht zu mindern : Die Aufnahme des Flüchtigen und dessen Publikation auf CD verführen zur Umformulierung des alten Wortes : Was bleibt , das stiften die Stimmen der Dichter . ( more … )
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ARS ACUSTICA IM SWR
Tief in die Archivkiste gegriffen hat auch der Ars Acustica- Spezialist des SWR , Andreas Hagelüken , der wie jeden ersten Dienstag im Monat seine Reihe zur Radiokunst fortführt . Der Titel “Neue Radiokunst international XXI – Listening proposals 2008 | 09” ist insofern trügerisch , als es sich bei dem internationalen Vernetzungs- Experiment um ein längst in den Archiven ( z. b. der Ars Electronica ) schlummerndes 24- Stunden Ereignis handelt . Solche Sound- Installationen ereignen sich ( auch ohne schwer abgehobene theoretische Auslassungen Gerfried Stockers ) mittlerweile mindestens einmal jährlich , nämlich anlässlich des “Art’s Birthday” .
Die ARS ACUSTICA Group hat in den letzten 20 Jahren versucht, die akustische Kunst durch die verschiedensten internationalen Projekte zu fördern und zu verbreiten. Neben verschiedenen CD-Produktionen findet der Austausch aber vor allem in direktem Kontakt statt: Auf Festivals, Symposien und von einzelnen Mitgliedern organisierten Events. Im Juni 1995 startete die Gruppe das 24-Stunden-Netzwerkprojekt Horizontal Radio . Kommunikation als kybernetisches System. [ czz und Setzer aus dem Archiv : siehe dieses pdf . ]
Entstehen sollte ein hypermediales Netzwerk: An Knotenpunkten des Sendenetzes der EBU wurde durch Live-Performances ein interaktiver Datenraum hergestellt, eine virtuelle Bühne, auf
der die Akteure nur durch ihre hörbare Anwesenheit zusammentrafen. Zweck des Austausches ist außerdem, die HörerInnen der nationalen Rundfunkprogramme mit parallel in
anderen Ländern laufenden Entwicklungen bekannt zu machen und gleichzeitig den Komponisten zu Sendeplätzen jenseits ihres normalen Wirkungsfeldes zu verhelfen. In diesem Sinne werden auch in der 21. Anthologie Werke zeitgenössischer ars acustica besprochen, sowie Umfeld und Situation der Arbeit in den Funkhäusern Europas beleuchtet.
Neue Radiokunst international XXI – Listening proposals 2008 | 09 – SWR 2 – Heute , Dienstag , 7. 4. 2009 , 23:03 H
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KLANGAPPARAT
Zügige Synkopen , vielfarbige Clicks and Cuts und herzerweiternde Basalharmonien erhalten wir heute über den Umweg des chinesischen Netlabels Bypass von aus dem russischen Kazan stammenden DJ Olympic Smoker : Seine “Noises And Echoes“- LP bietet immerhin mehr als 47 Minuten lang spielerisch- sympathischen Glitch . Via deepgoa .
CLICK LINK TO LISTEN TO STREAM ( WMP ) .
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