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Illustration goto | Hermann Niklas
Salon Littéraire | Maria Seisenbacher
die Frau , die roten Frauen
sie kommen, die roten, die roten Frauen kommen. ihre Röcke schwingen an den Händen und die Fäden kriechen aus ihren Köpfen, kreisen sie ein und heben sie auf den rückwärtigen Weg hinaus. die roten kommen, die roten Frauen setzen ihre Füße auf ihre Brust und gehen mit ihr die Flut. die Blätterziffern fallen neben ihre Füße und die Köpfe drehen sie lachend auf die Seiten der anderen, die nichts von ihrem Kommen wissen. sie kommen, die roten Frauen, sie kommen mit ihr an der Hand und hängen sich in die Luft, ziehen Kalenderblätter über ihre Augen, nehmen die Reflexionsverblendung aus ihrem Mund und legen sie mittig in den roten, trockenen Kreis ihrer Armbeuge.
sie kommen, die roten, die Frauen, die roten Frauen kommen, nehmen sie mit, nehmen die Fäden aus den Köpfen und nähen die Zeiten zusammen. jetzt und vor 10 Jahren, oder 20 werden eine Zeit, denn die Roten legen alles neben- und übereinander, während sie vorsichtig mit leicht, vorgebeugten Oberkörper die Zeichen in ihre Hand nimmt und diese in ihren Kopf zu stopfen versucht. aber da wurden zu viele Seiten gelesen, zu viele Buchstaben aufeinander gelegt, bis die Welt aus den Angeln gefallen ist. da war zuviel an Ehre und Gesichtsbewahrung an ihren Wimpern hängen geblieben, hatte sich verhangen und dann, dann kamen sie endlich, die roten, die roten Frauen.
die roten Frauen und der Sturm, der nur eine kleine Aufgebrachtheit über der roten Gedankenstille ist, nimmt sich die Tageszeit aus den Weltreserven der Umgebung. die Entrüstung der anderen geht ohne Seil auf den Gipfel der aufblitzenden Verwirrung flanieren. da gehen die Augen neben den anderen vorbei, da werden schmale Spalten genäht, um nicht dort vordringen zu können, wo wir alle unweigerlich blind hingezogen werden. dabei ist alles Jahre zurück und nichts passierte ohne sie als Mittelpunkt: Herz und Lunge keine Antwort, nur eine Leier zwischen dem kreisenden Tanz mit den roten Frauen an der Hand, die Einheit und Zusammenkunft der Zeit sind. sie lassen nie allein, sie sehen durch Fenster hindurch und lösen den Krampf der Hand, der immer eine Schelle war.
aber die anderen legen ihnen Fäden um den Hals, hängen sie auf der Zeitebene auf und versammeln sich. die roten werden gehen, die Frauen, die roten, werden schweigend auf den Zeitenbaum geknüpft und ihr alles damit genommen, die Ehre, das Gesicht, die Gedanken, die Person mit welchem Namen. was hier hängt können alle pflücken, was hier verfaulen wird, steht allen von uns zu. nicht nur das Rote, nicht nur die roten Frauen gehen im Zeitfluten neben uns spazieren. sie strecken nur den Arm nach uns, sie legen den Blick ins Auge auf die Frau, die Ehre, den Stolz, die Unverfrorenheit des Zorns, sie sind unverfälschte Begleiterinnen gegen den Stillstand. sie kommen – und kamen immer schon, die roten Frauen, sie werden uns die Tücher über die heiße Stirn legen und uns zu Bette tragen, sie haben uns zu retten versucht, als schon alles in ihrem Wissen zu spät war. die roten, die Frauen, die roten Frauen leben dort, wo wir uns wünschen uns zu lieben.
und die Frau wusste: sie und die roten Frauen. die Fäden wären nie zu zerreißen gewesen. denn: einmal das Bild und immer ein Wortspeicher im Geruch.
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Hinweis
Kürzlich erschienen : Maria Seisenbacher und Hermann Niklas ( aka goto ) : Konfrontationen – St. Pölten – Literaturedition NÖ 2009 ( Theodor Körner Preis 2009 )
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