|||
Susanne Wegner , Studentin des Studiengangs Online- Journalismus an der Hochschule Darmstadt schreibt eben eine Diplomarbeit zum Thema “Sind Blogs die Renaissance des New Journalism ?“ – Hier ein auf |in|ad|ae|qu|at sowie das Projekt “mitSprache unterwegs” zugechnittener Fragebogen – samt Anworten .
- Zum Projekt “MitSprache unterwegs”: Wie ist die Idee entstanden, parallel zu den Reisen der Autoren einen Blog einzusetzen und mit welchem Ziel? Welche Rolle spielt der Blog für das endgültige Produkt? Werden die Blogtexte 1:1 in der Anthologie veröffentlicht oder sind sie eher eine Recherchestütze für die Autoren? Ist darüber hinaus eine Veröffentlichung (von Auszügen) auch in Magazinen oder Zeitungen geplant?
Das , wie Sie richtig erkennnen , “Blog im Blog” u. d. Titel “mitSprache unterwegs” ist eine Auftragsarbeit für das Netzwerk von 11 österreichischen literarischen Institutionen und Literaturhäusern . Grundlage ist die erstmalige Vergabe von 10 Reisestipendien seitens des Bunderministeriums für Unterricht , Kunst und Kukltur ( BMUKK ) an 10 von den Literaturhäusern ausgewählte / eingeladene AutorInnen , womit der Auftrag verbunden ist , sich mit der Gattung der literarischen Reportage ( nach dem Vorbild Joseph Roths ) reisend und schreibend auseinanderzusetzen ( vgl. Projektinfos ) .
Das ( übrigens nicht von allen AutorInnen ) genutzte und an in|ad|ae|qu|at “outgesourcete” Format “Blog” sollte 1. Recherchestütze und Schreibmotivation für die AutorInnen geben sowie 2. die Sichtbarkeit des Projektes im Netz erhöhen ( Publicity ) .
In einer zweiten Phase werden Veranstaltungen mit den AutoriInnen angekündigt und archiviert bis hin zum Erscheinen der letztgültigen Fassung der Reisereportagen in einer Anthologie , welche im Herbst in der Wiener Edition Atelier erscheinen soll . Vorabrdrucke in der “Wiener Zeitung” etc. sind beabsichtigt und werden auch von unserer Seite verzeichnet . Daten und Projekt sollen auch nach Abschluss des Letzteren von in|ad|ae|qu|at archiviert werden und erschlossen bleiben . Anlass und Auftrag der Archivierung an einer im Netz gut gerankten , zentralen Stelle ist die organisatorische , rechtliche und budgetäre Verschiedenheit der Literaturhäuser und -veranstalter Österreichs .
- Das Thema des Projektes lautet “Auseinandersetzung mit literarischen Reportage nach Joseph Roth.” Sehen Sie in den Blogbeiträgen erste Ergebnisse in Bezug auf die ‘Aufgabenstellung’? Wenn ja, wie würden Sie diese charakterisieren?
Die Vielseitigkeit der Möglichkeiten , literarisch “nach Joseph Roth” zu recherchieren , zu reisen und zu schreiben ist in der schillernden Figur des Namensgebers und seiner Vita angelegt . Seine Reportagen “Juden auf Wanderschaft” kann heute im Kontext der neuen Migrationen gelesen werden , seine Herkunft aus Galizien lenkt den Blick auf die “Täterorte” des Nationalsozialismus . Roths späte Verklärung der untergegangenen Habsburgermonarchie mag in Analogie zum Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens ( mit den bekannten Folgen ) gelesen werden . In all diesen Fällen kann Joseph Roth als valable Integrationsfigur dienen , dies umso mehr , als ja auch “österreichische” Literatur durch das Projekt “mitSprache unterwegs” hervorgehoben und gefördert werden soll.
- Da Sie ja selbst auch bloggen: Warum bloggen Sie? Wie bloggen Sie (in Echtzeit, “offline”, Regeln folgend…)? Wie recherchieren Sie Ihre Themen und in welchem Umfang? Unterscheiden sich Ihre Schreib- und Recherchetechniken von Ihren üblichen journalistischen Techniken? Wenn ja, inwiefern?
Selbstverständlich blogge ich in Echtzeit , d. h. jede Nacht als ca. 4 Uhr neu , wobei ich – da mein erklärtes Ziel ist , eine Plattform für avancierte deutschsprachige Literatur abzugeben – oftmals AutorInnentexte bearbeite ( plus deren bio- bibliographischen Seiten ) und eine umfangreiche Korrespondenz mit den betreffenden KünstlerInnen führe . Für die AutorInnentexte gibt es gewisse Formate die den “Salon Littéraire“, den “espace d’essays” oder das “tableau de texte” , in welchem ich selbst m. E. herausragende Publikation in Kooperation mit AutorInnen und Verlagen bearbeite . Die meistens Montags erscheinende Rubrik “Neues von Freunden” gibt speziell jene Literaturveranstaltungen an , deren AutorInnen ich via “Salon” bzw. der von mir kuratierten Radioreihe “Literatur als Radiokunst” nahestehe . Neben dem aktuellen Gedanken des Terminüberblicks , ist mir auch hier der archivalische Gedanke sehr wichtig : Literarisches Leben in einem Teilaspekt zu dokumentieren .
Für meine “Eigentexte” bleibt da oft wenig Platz , was nichts verschlägt , da ich langsam schreibe . im Rahmen meiner Kritik an Pressekampagnen ( > FAZ ) oder im Rahmen des Teilprojekts “Blog for Burma” wende ich selbstverständlich die klassischen Methoden journalistischer Recherche und philologischer Sorgfalt nach Kräften an . Natürlich birgt das Schreiben “dicht an der Publikation” viele Fehlerquellen : Im glücklichen Fall sind mir Wissen und Zeit zuhanden , solche “Betriebsunfälle” nachzubearbeiten und zu korrigieren .
- Behandeln Sie in Ihrem Blog Themen, die Sie im herkömmlichen journalistischen Tagesgeschäft vermissen oder nicht aufgreifen würden? Wenn ja, welche sind das und warum?
Da die Bandagen im journalistischen Tagesgeschäft während der letzten 20 Jahre zunehmend härter geworden sind , gibt mir das Blog Raum , Themen aufzugreifen und diese ohne Rücksicht auf “Blattlinie” , Redakteur und Umfang zu behandeln . Auch kann ich mir hier die Freiheit nehmen , einen Kampagnenjournalismus der Schirrmacher’schen Art zu dokumentieren und zu kritisieren . Und so hat sich nicht zuletzt auch aus dem ständigen Arger mit Redaktionen , Verlagen , Institutionen dieses Weblog zu einer “sich selbst setzenden” Institution entwickelt .
- Verwenden Sie bewusst literarische Erzählelemente in Ihren Beiträgen und experimentieren Sie sogar damit? Wenn ja, wann erzählen Sie, mit welchen bevorzugten Mitteln, und warum erzählen Sie überhaupt (in einem Blog)?
“Erzählt” im klassischen Sinn wird im Weblog nur wenig : Nichts liegt mir ferner , als “Geschichten erzählen” zu wollen , es sei denn , sie ergeben sich aus Fotostrecken oder formulieren sich in den peniblen Reisetagebüchern . Persönlich deute ich lieber an , als etwas “auszuerzählen” .
- Welche Rolle spielt Ihr “Ich” in Ihrem Blog? Schreiben Sie im Internet stärker subjektiv als in den traditionellen Medien? Wenn ja, warum? Und was bedeutet das für Sie selbst, Ihre Beiträge und für Ihre Leser? Glauben Sie, dass sich ein anderes Autorenkonzept mit einer redaktionellen Struktur auf Ihr “Ich” auswirken würde? Wenn ja, inwiefern?
Mein “Ich” ist eher eine versteckte Instanz , oftmals getarnt durch ein diffuses “wir” , womit die augenzwinkernde Fiktion angestrebt wird , in|ad|ae|qu|at bestünde aus einer Reihe von Redakteuren , welche nachts eine fremde Redaktion kapert , bei Tagesanbruch allerdings wieder entflieht . In der Tat geht mein essayistisches , berichtendes , literarisches Streben in Richtung der Eliminierung des Wortes “Ich” , ohne deshalb gleich eine Phalanx von Avataren auf den Plan rufen zu müssen .
- Ist Bloggen für Sie eine “neue Art des Journalismus”, vielleicht sogar die Weiterentwicklung des “New Journalism” nach Tom Wolfe, der Literatur und Journalismus miteinander kombinierte, als Gegenentwurf zum dominant “objektiven” Nachrichtenjournalismus? Sehen Sie sich selbst oder Teilnehmer des Projektes in dieser Tradition? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Sehen Sie (dennoch) Gründe, die für ein “neues” literarisch-journalistisches Erzählen sprechen (müssten)? Wenn ja, welche Gründe sind das? Welchen Beitrag können Literaturprojekte wie “Mit Sprache unterwegs” / der Blog “Inadaequat” in diesem Fall leisten?
Ich habe den Journalismus in Radio und Print ab dem 18. Lebensjahr von der Pike auf gelernt und weiss den traditionellen Qualitätsjournalismus absolut zu schätzen . Wogegen ich mich allerdings deutlich verwehre , ist der erwähnte Kampagnenjournalismus , wie ihn Frank Schirrmacher in die sog. “Qualitätsmedien” eingeführt hat . Meine Vorstellungen eines ethischen Journalismus versuche ich laufend in meinen NZZ- Hörrbuchrezensionen zu realisieren . Da ich nie im harten “Nachrichtenjournalismus” tätig war , sondern stets im Bereich Kunst , Literatur , Radiokunst und Fotografie fokussiert diese Idee eines “ethischen Journalismus” den folgenden Bereich : Sorgfalt , Respekt und Konsequenz wären hier die Features . in|ad|ae|qu|at will und wird die Welt nicht verändern , sondern einen gediegenen und nachhaltigen Baustein zur Erschliessung , Promotion und Archivierung von AutorInnenprojekten liefern .
Wien , den 25. 5. 2010
|||