||| BRIGITTE SCHWAIGER 1949 – 2010 | PREISE | GSTREINS GEMEINTHEITEN | RINCKS BEGIFFSLIEFERUNG | UJVARY & STUMMER SUB ROSA | BEATE JORDAN & CRAUSS : LEISE WEISEN | KLANGAPPARAT
BRIGITTE SCHWAIGER 1949 – 2010
Während die Erstmeldung am 26. 7. abends auf orf.on lediglich vorsichtig den Fund des Leichnams in der Donau rapportiert , weiss Der Standard am folgenden Morgen : “Sie setzte ihrem Leben mit 61 Jahren offenbar ein Ende.” Auch die auf einer Agenturmeldung beruhende Notiz der FAZ weiss nun : “Jetzt hat sich Brigitte Schwaiger in Wien das Leben genommen” . Die Kurzdiagnose einer Jahrzehnte unter schweren Berdängungen leidenden Person flapst im Wiener lachsrosa Blatt auf “die Borderlinerin Schwaiger” zusammen , wobei die Kenntnis des Borderline- Syndroms beim Lesevolk kess vorausgesetzt wird .
Überhaupt sind die Medien im Fall Schwaiger stets höchst ambivalent mit den hochsubjektiven Texten der späten Schwaiger verfahren : Schon bevor Schwaigers Erfahrungen in und mit der Psychiatrie als Buch erschienen ( Fallen lassen , Czernin 2006 ) , druckte die Wochenendbeilage Spectrum der Tageszeitung Die Presse fünf , die Psychiatrie auf der “Baumgartner Höhe” als radikal menschenverachtend darstellende Einzeltexte völlig unkommentiert ab . Was im Kontext des Buches als Resultat in einem Kosmos stark wechselhafter subjektiver Bedrängungen erscheint , wurde dem Voyeurismus des Zeitungspublikums ohne jede Relativierung vorgesetzt . Zwar sind fallweise pflegerische und medizinische Missstände in der nun neu zum “Otto Wagner Spital” aufgewerteten Institution kein Geheimnis , doch gründet die bei Schwaiger formulierte “Horrorerfahrung Am Steinhof” mindestens so stark im System ihrer Krankheit .
Wir hatten schon damals daran gezweifelt , ob eine solche Publikationspolitik dem redaktionellen Ethos entspräche . – Allerdings druckt das Blatt unter dem Titel “Neue österreichische Literatur” auch heute noch qualitativ zweifelhafte Texte ab , deren ( offensichtlich kaum lektorierte ) Publikation den betreffenden AutorInnen nicht immer wohl ansteht . Gerade von Letzterem ist allerdings auch das Konkurrenzblatt Der Standard nicht freizusprechen . Gerade anhand der Person und des Werks Brigitte Schwaigers wäre die Frage nach einem redaktionellen Ethos | eines ethischen Lektorates ernstlich zu diskutieren .
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PREISE
Der Dichter Ferdinand Schmatz erhält den Preis der Stadt Wien , der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur 2009 geht an den Schweden Per Olov Enquist , löbliche Förderpreise der Stadt Wien wurden den “Literatur als Radiokunst“- Autoren Michaela Falkner und Richard Obermayr zugesprochen .
Erfreulich ist auch die Zuerkennung des Paul- Celan-Preises 2010 “für eine herausragende Übersetzung ins Deutsche” an Rosemarie Tietze , deren 2009 bei Hanser erschienene Übersetzung der “Anna Karenina” durch Geradlinigkeit und Schlankheit besticht … und just dieser Tage mitbeteiligt ist an der verringerten Blogfrequenz auf in|ad|ae|qu|at . Wozu , fragen wir mit dem Guardian , ist denn der grosse Sommer da , als zur Relektüre grosser Bücher und um “embarrassing gaps … in your reading history” zu schliessen ?!
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GSTREINS GEMEINTHEITEN
Norbert Gstrein legt mit seinem neuen Roman “Die ganze Wahrheit” ( Hanser , 16. 8. 2010 ) scharf auf den Suhrkamp Verlag und dessen jetzige Verlegerin Ulla Berkéwicz an : Unsere Leseprobe kündet von einer biestigen Denunziation der Esoterikerin und Verlegerwitwe , obgleich obenhin der deutsche Grossverlag als österreichischer Autorenverlag “in der Wiener Schönlaterngasse” ( ! ) bemäntelt ist . Die FAZ , die das mögliche Skandalkalkül getreulich rapportiert , kommt dabei auf wundersame Weise jede Erinnerung an Martin Walsers “Tod eines Kritikers” abhanden , wo der Autor mit nicht minderer Indolenz ( indes fieserem Witz ) genüsslich auf den offensichtlichen Idiosynkratieren der damals noch Verlegergattin herumritt . Immerhin war der Vorabdruck des wegen seines möglichen Antisemitismus ( ad personam Reich- Ranicki ) heiss diskutierten Romans in der FAZ erschienen .
Nun sitzt der Suhrkamp- Debütant Gstrein gemütlich bei Hanser , um mit grobem Korn auf seinen ehemaligen Heimatverlag zu schiessen , nur mager getarnt einigem hinter ermüdend aufgeblähtem Faction | Fiction – Postmoderne- Geplänkel . Nettes Detail am Rande : Der als Wiederholungstäter in Sachen der ungünstigen Darstellung kenntlicher Realpersonen aufgefallene Gstrein hatte seine Replik auf entsprechende Anwürfe 2004 unter dem Titel “Wem gehört eine Geschichte” publiziert . Bei Suhrkamp damals noch , versteht sich .
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RINCKS BEGIFFSLIEFERUNG
Wer sich mitunter gar nicht auf einen Begriff zu bringen vermag , dem sei in bestem Sinne die Lektüre von Monika Rincks “Begriffsstudio” angeraten ; ein – so herbert j. wimmer kürzlich – “virtuelles schatzkästlein des absurden” .
Trägt man sich in die dort angegebene Mailingliste ein, darf etwa jeden zweiten Monat eine “Begriffslieferung” gewärtigen , welche die Hirnregionen für Sprach- und Sachwitz nicht gering ins Schwingen bringen .
2992 das sieb der pandora
2994 höhlenlachen ex tenebris
2996 based on a sunken boat
2997 begierdetaufe
2998 riesensuperpöbelmarkt
2999 die lamalämmer
3001 herabgehobene heraufgefallene emporkümmerlinge
3002 belle tage hunderadei
3003 an der mob-idyll-sauce
3004 aschematik
3005 wolkenrüffelsheim
3006 nichts im empörsel
3007 einfühlungsstutzer
3008 voranzaudern
3009 in der mnemosenke
3015 baroque baedeckerism
3016 trabgast
3017 stylistic orgy in prose
3018 abschau
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UJVARY & STUMMER SUB ROSA
Ein Track des im Dezember 2008 im “Klangapparat” vorgestellten Projekts “Trautonium Jetztzeit” von Liesl Ujvary und Oliver Stummer hat es auf den Ehrenplatz der Sub Rosa- Compilation “An Anthology Of Noise & Electronic Music Volume 6 (1957-2010)” geschafft .
Hier ein etwas atemloser deskriptiver Text zu der betreffenden CD- Antologie des auf Experiemntelles spezilsierten Brüsseler Labels ( Trackliste auf der Sub- Rosa HP) :
The sixth and penultimate edition in Sub Rosa’s ongoing assembly of crucial noise and electronic music looks at the period 1957-2010. So far the series has been duly noted for its excavation and reappraisal of lesser known works by important artists and vol. 6 is no different, presenting 26 exclusive and original compositions including the work of Tzvi Avni, Joseph Nechvatal, and Kohei Gomi/Pain Jerk among better known titans of the avant garde such as Stephen O’Malley, Dick Raaymakers, John Weise and Z’ev. We enter disc one to the thrilling electroacoustic composition ‘Mi Vida’ by Prix Ars Electronica award winner, Israel Martinez, exploring the visceral narrative of a car ride which ends in a crash. Ata Ebtekar presents an original commission in ‘Turquoise Gas in Ice’, a complex piece of electroacoustic composition playing Persian classical scales on acoustic instruments which are then run through a modular synthesizer to create dazzling abstract harmonics. From La Monte Young’s former archivist Joseph Nechvatal, ‘Ego Masher’ is another revelation, offering a vivid Cageian collage which undoubtedly reminds us of James Ferraro’s recent exploits, while on ‘Trautonium Jetztzeit #4′ Oliver Stummer + Liesl Ujvary use the same machine that created the sound of birds in Alfred Hitchcock’s classic to shape an acrid noisescape and the work of the hugely influential Henry Cowell is represented in ‘The Banshee’, a 2’30 summoning of dynamic electronic ghosts. The second disc starts with the drum practices of Z’ev and follows through Daniel Menche’s drones and a intense noise attack from John Weise. The Pain Barrier’s ‘Virus’ offers a blackened chunk of speedcore gabber, thematically linked with Julie Rousse’s ‘Flesh Barbie Techno Fuck’ glitchcore, and followed with Bird Palace & Cristian Vogel’s micro-to-meta expansion of sound fragments in ‘PHing’. One of the oldest recordings is Else Marie Pade’s ‘Syv Cirkler’ from 1958, distinctly reminding of Daphne Oram’s ethereal experiments and finding similarities in the high frequencies tones of Stephen O’Malley’s ‘Dolmens & Lighthouses’ but also sharp contrasts in his use of ultra low subbass registers. This historically ripe collection of sound warrants your attention without delay.
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‘Trautonium Jetztzeit #4‘ ( Oliver Stummer + Liesl Ujvary ) auf der Compilation “An anthology of noise & electronic music #6” ( curated, noted and edited by Guy Marc Hinant ) – Brüssel , Sub Rosa 2011 ( text)
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Click Link to listen to ‘Trautonium Jetztzeit #4′ ( WMP )
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BEATE JORDAN & CRAUSS : LEISE WEISEN
Wer die LEISE WEISEN Konzerte 2009 im Silberstern Freudenberg oder in der Musikbibliothek Koblenz verpasst hat oder nicht warten möchte, bis das Duo 2011 im Siegener KrönchenCenter bzw. im Lyrik Kabinett München aufspielt, kann sich trotzdem bequem zurücklehnen.
Der Siegener Campus-Sender radius921.de überträgt die melancholische Soirée , die sich zwischen Lyrik und Chanson bewegt , live. Radius 92.1 ist über den Stream auf der Homepage oder in Siegen über Antenne 92.1 MHz zu empfangen .
Gemeinsam mit der Dortmunder Altistin Beate Jordan unternimmt “Salon Littéraire“- Autor Crauss einen Lese- Liederabend, bei dem traditionelle Folksongs wie “wild mountain thyme” und “scarborough fair” oder Lieder wie “Wölfe mitten im Mai” genauso zu Gehör gelangen wie neuere Chansons : “wayfaring stranger” – “Mr. Bojangles” – “black is the colour (of my true love’s hair)” – „Es geht eine dunkle Wolk herein“ u. a.
Während Jordan die Originale singt und auf der Gitarre begleitet, trägt Crauss seine Übertragungen der LEISEN WEISEN als Sprechgesang vor. Die gesprochenen Lieder sind keine 1:1-Übersetzungen, sondern eigenständige, sehr poetische Texte. So entwickelt sich in melancholischen, manchmal aber auch ins energische driftenden Wechselstimmen zwischen Liebendem und Geliebter eine Herzens-Soirée zwischen Lyrik und Chanson.
LEISE WEISEN – Melancholisches Radiokonzert mit Beate Jordan & Crauss. – Freitag , 30. 7. 2010 – Radius 92.1 ( Livestream )
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KLANGAPPARAT
Jüngst durften wir in diesem Zusammenhang die “Rantam Gruppe” des unter Carsten Brase und die intoleranten Hater figurierenden Elektronik- Bastler vorstellen . Jetzt , da die Temperaturen gefallen sind , liefern wir die bei kreislauf als Einzeltrack releaste “Sandbank” mit saftigem 80er Drall nach . Fortsetzung folgt mit “Wind” , einem kühlen Dreier . Weitere Klang- Elemente sind auf der MySpace- Seite zu rekognoszieren .
Sandbank : CLICK LINK TO LISTEN ( WMP )
Wind : CLICK LINK TO LISTEN ( WMP )
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