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Salon Littéraire | Marjana Gaponenko :
Alle Satane 2 / 3
Der gute Satan VI
(Der Zärtliche)
Du erwachst,
fällst,
fällst tief,
verfehlst
deine Wirklichkeit.
Zwischen Horizonten scheint:
ein zerbrechendes Zeichen – meine Gestalt,
die dich nicht zu rufen wagt,
denn du bist in dein Fallen vertieft.
Kind, du erwachst,
richtest dich auf,
rast zum zehnten, aberzehnten Mal
vorbei an der Wirklichkeit,
in die du gehörst.
An Horizonten zerreißt du dein Kleid.
Ob du siehst: diese Wolke aus Rauch
ist meine Gestalt;
dieses bucklige Zeichen
bin ich -
ein Springer, ein Pferd,
das sich zur Seite neigt,
dich zärtlich sterbend anschaut,
denn rufen kann es dich nicht.
Der gute Satan VII
(Der Singende)
Man trete zur Tür.
Man gehe hinaus
in die Welt und man wisse:
die Welt bleibt zurück in dem Raum,
wo du sitzt, einer von dir.
Der Andere liegt in der Luft,
singt. Sein Lied – eine Fahne,
bleich und reißend
in Schatten;
sie kriechen zum Dritten.
Er öffnet die Tür,
lässt die Welt ein,
einen ziehenden Gast,
geht hinaus in die Welt,
wissend,
dass ich alles erschuf.
Ja, ich stieg auf die Zinne und sang,
dass du singst, Kind.
Mit dem Dolch umkreiste ich dreimal
mein Herz.
Dreimal schlug ich ein Kreuz,
den Raum zu teilen:
in Norden, Süden, Westen und Osten.
Das sind Worte wie wir.
Doch sie sind. Mit Wurzeln tief
in der Luft, wo du liegst,
wo du singst,
einer von dir,
für den Zweiten
und Dritten,
mein Bester.
Der gute Satan VIII
(zu ihm)
Ich erwachte, mein Herr,
in dem Wort das du sprachst,
wachte ich auf, und die Münze
unter der Zunge zerschmolz.
Etwas tropfte golden auf den Wind:
ein Falter der kein Falter war,
ein Blatt das tanzen ging.
Du warst es, Freund.
“Nimm dies und das”, hast du gesagt,
“Brich diesen Zweig. Leg dich ins Gras.
Steh auf!” Dein Auge schaute aus meinem heraus,
beleuchtete den Wald, durch den ich strich,
ich sah es nicht, doch wusste ich:
mein Weg ist hell
und überall mein Herr.
“Sei leer!”, hast du gesagt,
“Sei leer, dass du erfüllt bist
von Dingen, die nicht deine sind.
Lass alles ein. Lass los,
dass alles wiederkommt.
Dein Weg ist hell,
was du nicht siehst”.
Der gute Satan IX
(zu ihm)
Nein, zu den Zweigen kehren die Blätter nicht wieder
und die Schatten rennen dem Meister nicht nach -
er hoch zu Ross, das aus Atem besteht,
aus warmen Gebeten und langsamer Rede,
die sich nachts in uns dreht, uns zu Splittern zermahlt.
Das ist es nicht, Freund.
Du kamst wie du bist.
“Komm für alles zurück!”
Ich rief es, ich stand auf dem Felsen und rief.
Da rollte dein Aug aus dem Brunnen heraus,
umfasste den Finger,
deine Nähe glitt den Faden entlang,
den ich dir schickte, wo auch immer du warst.
Ich warf ihn ins Meer, in den Himmel, tauchte ihn in die Erde.
Ich rief: “Komm für alles zurück!
Für die Blätter die niemals aufstehen,
für den Schatten der sich in Eile losband.”
Deine Zunge rollte dann aus dem Brunnen heraus
und leckte mein salziges Herz, leckte es rein.
Während ich schlief. Ich stand auf dem Felsen und sang.
“Komm für alles zurück!” Du kamst um zu tanzen.
Von deinem Fuß wurde mir der Leib zerküsst.
Mein Herr, Du machtest mich so blind, dass ich dich sah, begriff.
Du, Licht, das mich durchdrang, mich aus Angeln hob
und niederwarf ins Licht. Bei Gott, mein Herr!
Der gute Satan X
(zu ihm)
Lass mich gehen, mein Herr, in den Wald.
Lass mich weiden auf deiner Hand.
Deine dornige Hand blüht, deine Hand stützt den Himmel,
der schon lange, so lange schief hängt.
Ja, dieses tropfende Rot wird Beere genannt.
Menschen nennen es so, geben dir Namen, zu wissen
um ihren eigenen Platz. Klüger hättest du es nicht gemacht:
wer dich benennt, kann nicht enteilen
zu dir
in den weiten, sich weitenden Raum
ungerufen.
Bis du rufst,
wirst du benannt.
Den Saum deines Rocks kitzelt der Atem.
Er formt Worte, sucht Halt
im Dunklen und du legst dich
zart kreisend herab, Nacht!
Zahllos die Namen, die du uns gabst,
dass wir sie dir geben. Immer wieder und wieder.
Lass mich gehen, mein Herr, in den Wald.
Lass mich weiden auf deiner Wange,
stolpern über deine dornige Hand,
die nie böse sein kann, auch wenn sie mich zerreißt.
Das bin ich und werde immer sein:
Gravitierende Sanftmut – dein Diener.
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Hinweis
Marjana Gaponenkos Roman “Annuschka Blume” erscheint September 2010 im Residenz Verlag .
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