Salon Littéraire | Daniel Wisser : Texte zu Grafiken der Künstlerin Lotte Lyon

Literatur @ in|ad|ae|qu|at : Der SALON LITTÉRAIRE als www- Galerie für Bild und Text

Salon Littéraire | Daniel Wisser :

Texte zu Grafiken der Künstlerin Lotte Lyon

 

Kamelhöcker


Im nächtlichen Bleiburg wurde eine Debatte darüber geführt,
ob die Höcker des Kamels Wasser- oder Fettspeicher seien.
Erst der belesene Wissenschafter C. entschied die Frage zu
Gunsten keiner der beiden Parteien: Kamele seien
Hobby-Chamäleons und versuchten, sich mit ihren Höckern als
Dünen zu tarnen, was ihnen hin und wieder (die Erfolgsrate
liege allerdings kaum bei einem Perzent (C. verwendete
tatsächlich dieses Wort)) gelänge. Auch wäre das
Gelingen dieser Tarnung mit unangenehmen Auswirkungen
verbunden. Viele der erfolgreich als Dünen getarnten Kamele
vermissten nämlich ihre Ex- Herden oder sehnten sich zurück zu den
Lenkern der Kamelkarren, die nun wahrlich nicht zu den
sympathischsten Erscheinungen der Wüstenregionen zählen.

|||

 

Apfellagerung


Es gibt keine Möglichkeit, Äpfel vor Fäulnis und Schimmel
zu bewahren, sagen die einen. Die anderen (und das sind sonst
wenig auffällige Dorfbewohner, die am Fuß der Petzen leben
und eigentlich (und das darf nur in Klammer stehen) slawischer
Abstammung sind) verwahren ihre Äpfel in speziellen nach einer
Seite offenen Holzkisten, von deren Oberkante zwei Rechtecke
hängen, die als Tschutschen bezeichnet werden. In diesen Kisten,
die verschiedene Namen tragen, bleiben Äpfel jahrelang frisch.
Es gibt in dieser Region sogar die Sage von einem Apfel, den
ein römischer Legionär selbst unter die Tschutschen gelegt haben soll und der
erst tausendsiebenhundert Jahre später von einem geisteskranken
aufgegessen wurde, der beim ersten Biss sofort Zahnfleischbluten
bekam.

|||

 

Vor dem Radio


Im Jahre 1861 entdeckte ein Tischler in Göttingen, dem Geburtsort
des deutschen Chemikers Robert Wilhelm Bunsen, dass das Radio doch
noch nicht erfunden worden war. Was er bisher für die Überlagerungen
einer hochfrequenten Trägerwelle gehalten hatte, stellte sich als
das Quietschen der Schiebetüren seines Aktenschranks heraus, den er
zufällig immer zur vollen Stunde (also jenem Zeitpunkt, an dem die
Nachrichten wegen der Nicht-Erfindung des Radios nicht beginnen
konnten) öffnete und schloss. Jahre später erblindete der Tischler
und wurde Urgoßvater; die Erfindung des Radios erlebte er nicht
ehr.

|||

 

Briefbeschwerer


Ein anderer Tischler aus einer Kleinstadt in Norddeutschland
behauptete am sonntäglichen Stammtisch, dass die Formen aller
Gebrauchsgegenstände Imitationen der Natur wären. Er zählte dafür
auch drei Beispiele auf und das so beredt und überzeugend, dass
ihm niemand widersprach. Man prostete einander zu, wechselte das
Thema, redete und trank weiter bis in den frühen Morgen.
Nur der städtische Gerichtsdiener grübelte die ganze Nacht im
Bett liegend, da er überzeugt war, es müsse bestimmt eine
Ausnahme geben .

Am darauffolgenden Tag präsentierte er seinen Kollegen einen
Briefbeschwerer in Form eines überdimensionalen roten
Ziegelsteins. Dieser Ziegelstein ist heute noch im städtischen
Museum ausgestellt. Seine Funktion allerdings ist sowohl den
Besuchern als auch der Museumsleitung unbekannt.

|||

|||

Termin

Zwar schliesst Lotte Lyons Ausstellung Ensemble” am Sonntag , den 21. 11. ihre Pforten . Wer zwischen 12:30 und 15:30 H in der Landesgalerie Linz auftaucht findet Weiterführndes im Gotischens Zimmer -

|||

4 Responses to Salon Littéraire | Daniel Wisser : Texte zu Grafiken der Künstlerin Lotte Lyon
  1. Björn
    November 21, 2010 | 20h37

    Lustige Ideen. Spaß gemacht. Gleich mal in den Keller und so eine Apfelkiste bauen …

  2. czz
    November 22, 2010 | 09h32

    @ Björn : die inspirierende Erfahrung von Lotte Lyons zeichnungen frommt dem engagierten heimwerkes : oder WO wurde jemans aus einem abstractum etwas KONKRETION im die RL begracht ,-)

  3. Björn
    November 22, 2010 | 20h38

    Nun gebe ich zu, daß die meisten Versuche hübsch anzusehen sind, aber daß sie im Haushalt keinen praktischen Wert haben. Die Sanduhr werde ich also rausschmeißen und auch noch einen Briefbeschwerer bauen.
    Und ich bin mir sicher, daß irgendwo aus Abstraktem etwas Konkretes wurde, und haue mal “Krankenversicherung” auf den Tisch.

  4. czz
    November 23, 2010 | 09h38

    @ Björn , man muss kein ZEN- meister sein , um das Foucault’sche Pendel schwer nervig zu finden . Konkret allerdings gibt es hier und heute an der Wiener Altbau- Sanierungsfalle einige sandige Leftovers : Sandkuchen sowieso , Live- Verfertigung einer Sanduhr “Wie kommt das Salz ins Meer ?” etc . Bring your friends !

Leave a Reply

Wanting to leave an <em>phasis on your comment?

Trackback URL http://www.zintzen.org/2010/11/21/salon-litteraire-daniel-wisser-texte-zu-lotte-lylons-grafiken/trackback/