F. SCOTT FITZGERLDS «GATSBY» : ABGRÜNDIG
czz – Selten genug ergibt sich die Gelegenheit, zwei verschiedene auditive Versionen eines Werks vergleichen zu können, und dies nicht allein hinsichtlich des jeweiligen Sprechers, sondern auch mit Blick auf die unterschiedliche Übertragung. Dass F. Scott Fitzgeralds hellsichtig abgründiges Sittenbild einer New Yorker Party-Clique in den «roaring twenties» fast zeitgleich in zwei namhaften Hörbuch-Verlagen erscheint, dürfte sich dem – für 2011 angekündigten und inzwischen auf Mitte 2012 verschobenen – Vorhaben des australischen Regisseurs Baz Luhrmann verdanken, «The Great Gatsby» als Kinofilm mit Leonardo DiCaprio in der Titelrolle zu lancieren. In der Tat wird es jede Verfilmung schwer haben, sich gegenüber Robert Redfords wie auf den Leib geschriebener Verkörperung des verschwenderischen Einzelgängers in Jack Claytons Inszenierung aus dem Jahr 1974 durchzusetzen.
Viel diskreter nehmen sich da die Unterschiede aus zwischen Duktus und Lexik von differenten Übersetzungen sowie zwischen den nuancierten Akzenten verschiedener Sprecher. Letztlich erweisen die beiden Versionen, wie wenig das «Was» des jeweiligen Wordings vom «Wie» der Sprechhaltung abstrahierbar ist und insgesamt zu differenzierten Perspektiven führt. So vermittelt Gert Heidenreich (Diogenes) mit seiner Interpretation der Übersetzung von Bettina Abarbanell aus dem Jahr 2006 einen distanzierten Blick auf eine ihren tiefen Ennui mit Alkohol, Partys und Attraktionen betäubende Spassgesellschaft. Dahingegen wirkt Lutz-W. Wolfs eben bei DTV veröffentlichte Neuübersetzung in ihrer Wörtlichkeit schärfer und näher am Geschehen, ideal instrumentiert durch Burghart Klaussners energische Lesung (Hörbuch Hamburg). Beide Male erhält die Tragödie des Emporkömmlings mit seinem letztlich vergeblichen Werben um die Jugendliebe eine jeweils andere Nuance jenes schalen Geschmacks, welcher den Spuren einer durchzechten Nacht im frischen Morgenlicht anhaftet.
- F. Scott Fitzgerald: Der grosse Gatsby – Deutsch von Bettina Abarbanell; Lesung Gert Heidenreich, 5 CD (361 Min.) – Diogenes Hörbuch 2011
- F. Scott Fitzgerald: Der grosse Gatsby – Deutsch von Lutz-W. Wolff, Lesung Burghart Klaussner, 5 CD (341 Min.) – Hörbuch Hamburg 2011
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MAX FRISCH: EINZELNER UND EIGENSINN
czz – «Ich bin nicht Stiller!» Kaum ein Autor hat Rimbauds jäher Erkenntnis, dass «ich ein anderer» sei, so systematisch nachgespürt wie Max Frisch, dessen Geburtstag sich unlängst zum hundertsten Mal jährte. Die Frage nach der Identität eines Menschen wollte Frisch nur im Plural gelten lassen, wovon die Romane «Stiller» (1954), “Homo faber» (1957) und «Mein Name sei Gantenbein» (1964) variantenreich handeln.
Dem Gefängnis des rationalen, rechtlichen und durch Zeugen beglaubigten Seins entspricht die Verhaftung des als Anatol Ludwig Stiller bisher Vermissten. Seinerseits versteht sich der in Gewahrsam genommene «Mr. White» als buchstäblich unbeschriebenes Blatt. Bogen um Bogen füllt er das in die Zelle gereichte Schreibpapier, um «sein Leben» niederzuschreiben. So ist aus nächster Nähe zu beobachten, wie «Mr. White» allmählich zur Figur des Stiller konvertiert, bevor ihn der Gerichtsbeschluss endgültig in die Rolle des Verschollenen zwingt.
Viel Liebe zum Detail und dennoch Mut zu grossen Bögen zeichnet die akustische Adaptierung des Romans für das Radio aus, die Norbert Schaeffer, Leiter der Hörspielabteilung des NDR, inszeniert hat. Nebst einer wirkungssicheren Besetzung – wohlklingend sonor Samuel Weiss in der Titelrolle – instrumentieren Originaltöne die Hallräume von Erleben und Erinnerung. Nicht zuletzt sind es die Kompositionen der «Wundergeigerin» Martina Eisenreich, deren metallisch-gläserne Valenzen, Schwebungen und Oszillationen den Zeit-Raum des Hörspiels poetisch punktieren.
Indem der Agnostiker Frisch, eine Notiz aus den «Tagebüchern» zitierend, das erste Gebot aufgreift («Du sollst dir kein Bildnis machen»), rückt die monogame Ehe ins Visier und mithin die Rollenspiele, in welche man einander zwingt. Das Motiv kehrt ein drittes Mal in einem Gespräch wieder, das Frisch mit Ekkehart Rudolph 1972 für den SWR führte: Dabei geht es nicht nur um die Freiheit von Festlegungen, die man für sich selbst in Anspruch nimmt, sondern auch um die eigene Erwartungsoffenheit anderen Menschen gegenüber. Was die öffentlichen Äusserungen anbelangt, mag man sich die ebenfalls im Hörverlag erschienene Edition von Originaltönen zu Gemüte führen. Die dichte O-Ton-Dokumentation versammelt Auszüge aus insgesamt acht Reden, drei Dialogen und zwei literarischen Werken, welche die wesentlichen Agenden des Autors und Citoyens Max Frisch aufzeigen.
- Max Frisch: Stiller – Hörspiel, 3 CD (180 Min.), NDR | Der Hörverlag 2011
- Max Frisch: «Nicht weise werden, zornig bleiben» – Porträt in Originalaufnahmen, hg. von Ingo Starz, 2 CD (151 Min.) – Der Hörverlag 2011
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KLANGAPPARAT
So ewtas Feines hat man selten auf der kalten Platte : mit der knapp vierzigminütigen e.p. “munique” legt dml ( aka Dirk Lamprecht ) einen tief in der Wolle gefärbten Dub ( oder Dubhouse ) vor , wie man sich’s nicht besser wünschen könnte .
Das Netlabel broque bestätigt sich einmal wieder als Manufaktur feinster Klangtexturen , welche gleichzeitig der Robustheit der Tanzbarkeit nicht entbehren . Ahoi und weiter bitte auf diesem Kursd !
sendling I
forstenried
neuperlach
sendling II
freimann
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