NEUES VON FREUNDEN ( numero 100 )

||| VERLAGSPORTRAIT : MITTER VERLAG | BUCHPORTRAIT GERHARD RÜHM : LÜGEN ÜBER LÄNDER UND LEUTE | VERLAGSPORTRAIT : EDITION KRILL | INNENSCHAU – ZUSAMMENSCHAU : OSWALD WIENER | GESAMTSCHAU : 24 STUNDEN RUND UM DIR BURG | KLANGAPPARAT

monocle fff

via

czz-neuesvonfreunden

Beschaulicher Nachsommer ? – Von wegen , diese Woche gibt den Durchstarter in die literarische Saison : Viel Neues auf Lesetischen , von Verlagsmenschen und gleich zwei Personalen von damaligen Mitgliedern der Wiener Gruppe.

|||

VERLAGSPORTRAIT : MITTER VERLAG

Feine kleine Bücher verlegt Alfred Gelbmann im Mitter Verlag zu Wels : Die Linie ist anspruchsvoll ohne viel Tamtam doch mit Neugier und bibliophiler Liebe . Die drei Herren , welche in einem Verlagsportrait zu Wort kommen sind konzentriert und ganz bei der Sache : Helmut Neundlingers erster Gedichtband “tagdunkel” verrät ein aktuelles und an der Auslotung psychophysischer Extreme orientiertes Interesse . Mit “Connemara . Im Kreis der Winde” kehrt Richard Wall nach Irland und damit einem eminenten Lebensthema zurück .

Einen noch immer nachhallenden Stoff des literarischen Lebens reflektiert “éspace d’essays“- Autor Leopold Federmair . Mit seinem Band “Der Bedeutende und sein Fachmann . Mit einem Lob der Eitelkeit und einem Tadel des Neids” erinnert er an jene Binnenkatastrophe , die sich nach der Federmairs skeptischer NZZ- Rezension von Franz Josef Czernins Gedichtband “elemente . sonette” ( 2002 ) entspann . Der Lyriker fand sich persönlich verletzt , witterte eine systematische Attacke und beschwerte sich bitterlich bei Kritiker und Redaktion . In der Tat wird jeder , der die Rezension damals las und bei sich dachte “au weh , das wird Folgen haben” , den unbezweifelbaren “Gegenschlag” in der Literaturzeitschrift “kolik” ( No. 21 ) mit hochgezogenen Augenbrauen wahrgenommen haben .

Unter dem Titel “Der neue Populismus in der Lyrikkritik” holte der Literaturwissenschafter Sebastian Kiefer bis in die Barockzeit aus , um Material und Thesen gegen Federmairs Argumente und die Literaturkritik grosso modo zu sammeln . Der aggressive Ton ist noch heute erinnerlich und wirft , so Federmair zu recht , ein bemerkenswertes Schlaglicht auf Mechanismen im literarisches Leben , wo sich literarisch “Bedeutende” ihre Deuter und “Fachleute” mittels ebenso bekannter wie beschwiegener “Kontrakte” heranziehen . Der Versuch , somit Deutungshoheit zu stabilisieren ist jedem auch nur ein wenig vom Plan abweichenden Blick und Erkenntnisinteresse gegenüber advers und tendenziell dogmatisch . Federmairs Beobachtungen und Argumente treffen auf äusserst lesenswerte Weise einen empfindlichen Nerv des Literaturbetriebs .

|||

BUCHPORTRAIT GERHARD RÜHM : LÜGEN ÜBER LÄNDER UND LEUTE

czz-neuesvonfreundenIm Rahmen der Vorstellung ausgewählter österreichischer Neuerscheinungen des literarischen Herbstes ist einmal mehr der literarische , musikalische und bildende Universalist Gerhard Rühm zu erleben . Der Literaturwissenschafter Klaus Kastberger präsentiert den Band “lügen über länder und leute . vollständige erzählungen und gedichte” , der interessanterweise neben der bei Matthes und Seiz verlegten Gesamtausgabe eben im Ritter Verlag erschienen ist .

In seiner Wohnung in Köln gibt es ein Arbeitszimmer für Musik, eines für Bildende Kunst und eines für Literatur. In seinem Werk indes führt Gerhard Rühm die drei Bereiche zusammen, ganz so als ob es in Literatur, Bildender Kunst und Musik nie etwas anderes gegeben hätte als jene Grenzbereiche, die er mit seinen Arbeiten auslotet. Gerhard Rühm, das ist ein ungemein vielseitiger, ja wahrscheinlich gar einer der letzten universellen Künstler, radikal belesen und bei den Expressionisten ebenso zu Haus wie bei den Zwölftönern. Der Sammelband “lügen über länder und leute” vereint „vollständige“ Erzählungen und Gedichte aus sechs Jahrzehnten und bezieht sich damit auf die konsequente Vorselektion des verwendeten Wortmaterials: Listen, Vokabularien und Kataloge, denen bei Rühm eine ganz neue Art der poetischen Freiheit erwächst. ( Klaus Kastberger )

|||

VERLAGSPORTRAIT : EDITION KRILL

czz-neuesvonfreundenKleine feine Bücher , Numero zwei . Mit sympathischem Witz und spielerischem Esprit ersinnen und spinnen Wolfgang Gosch und Virgil Guggenberger in ihrem Verlag edition krill kuriose Preziosen in buchgestalterisch äusserst liebevoll realisierten Projekten . All dies geschieht im augenzwinkernd konsequent getextete Paradigma von Nautik und Meer , sodass der Verlag als “Hafen” vorgestellt wird und die Bücher als von dort auslaufende “Flotte” . Gleichzeitig laichen auch kleinere Fische in Form freitäglicher Kolumnen auf der Verlags- Website , deren Nummern 1 bis 57 in dem Brevier “Immer Freitag” erschienen sind ( die Laufzahl der aktuellen Kolumne steht eben bei No. 190 ) :

Wer suchet, der findet, der sammelt – so geschieht es aus Neugier an Raritäten und Kuriositäten. Allwöchentlich auch in der Kolumne “Immer Freitag” auf der hiesigen Internetseite: Da wird ein Pottwal aus Papier gefaltet, lümmelnd herzhaft in der Nase gebohrt oder aus einer Kugelschreiberkappe ein echter Bathyskaph konstruiert. Ganz nebenbei wird über ein Päckchen Buchstabennudeln das Fachgebiet vergleichende Literaturwissenschaften abgehandelt.

Im Verlagsportrait wird weiters der aus St. Gallen stammende Kurator , Drehbuch- , Theater- und Prosaautor Bruno Pellandini mit seiner Erzählung “Krawanker” vorgestellt sowie ein kulturgeschichtlich bemerkenswertes Bändchen , das in die kriminalistische Physiologie des positivistischen 19. Jahrhunderts zurück führt . Das 1894 erschienene Traktat “Roman eines geborenen Verbrechers – Selbstbiographie des Strafgefangenen Antonino M. … ” aus der Feder des italienischen Nervenarztes Silvio Venturi ist ganz offensichtlich orientiert am Dogma der biologisch-genetischen Prädetermination , wie sie Cesare Lombrosos paradigmatisches Kompendium “Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung” 1876 proklamierte . Als Erbe der Lavater’scher Physiognomik und der Gall’schen Schädellehre sowie als Grundlage der nationalsozialistischen Eugenik ist die forensische Physiologie des 19. Jahrhunderts just innerhalb des aktuellen Biologismus von Interesse .

|||

INNENSCHAU – ZUSAMMENSCHAU : OSWALD WIENER

czz-neuesvonfreundenIn gross angelegtem Rahmen findet – abseits der Metropolen – seitens des kunsthauses muerz ein Seminar samt Fest für , mit und zu Oswald Wiener statt . Konzipiert von ebendiesen und Thomas Eder versammeln die Sessionen unter dem Titel “Oswald Wiener . Innenschau – Zusammenschau” unterschiedlichste Stimmen zu Wieners “Werk und sein Beitrag zu dem, was er Denkpsychologie nennt” . Nach den entsprechenden Symposien 2009 und 2010 soll die diesjährige Arbeitstagung “das Gespräch über und die Arbeit an konkreten Selbstbeobachtungen” realisieren :

Die Gegenstandsbereiche der Selbstbeobachtungen umfassen u.a. Problemlösen in den Bereichen Geometrie und Mathematik, Kategorisierung, Orientieren beim Spaziergang und Schriftzeichenlernen. Zudem werden Erlebnisse und Verstehensversuche beim Produzieren wie Rezipieren von Musik, bildender Kunst und Literatur untersucht.
Den untertags stattfindenden Arbeitssitzungen wird an den Abenden ein Fest für Oswald Wiener mit Lesungen und einer musikalischen Präsentation angefügt: Dem Werk Wieners nahestehende Dichterinnen und Dichter lesen aus ihren Texten. Jan St. Werner zeigt unter Beteiligung von Karl Kliem erstmals seine Rotationsstudien, eine Komposition aus computergenerierten Farbfeldrotationen und granularen Klangmodulationen.

Donnerstag , 15. September | Neuberg an der Mürz | Gasthof Holzer
18 H – Reflexionen der Ergebnisse des Symposiums 2009 und des Seminars 2010 / Vorstellung der Agenda

Freitag , 16. September | Kunsthaus Muerz
9:30 – 13 H – Impulsvorträge :
Stefan Schneider : Orientierungsvorgänge beim täglichen Spaziergang
Benjamin Angerer : Orientierungsaufbau in ungewohnten Zahlräumen
Cornell Schreiber : Akkommodationsprototypen und fokale Modelle beim Kategorisieren
15 – 18:30 H – Impulsvorträge :
Thomas Raab : Konstruktionskalibrierung
Michael Schwarz : Introspektive Aspekte des “Operativen” und “Figurativen” in Bezug zur Laufumgebung
Oswald Wiener : Beiträge der Selbstbeobachtung zu der Theorie des Gedächtnisses – “Assemblage” , “Gestrüpp” , “Gerüst”
19:30 H – Lesungen :
Ann Cotten
Hansjörg Zauner

Samstag , 17. September | Kunsthaus Muerz
9:30 – 13 H – Impulsvorträge :
Ann Cotten : Über die Einwirkungen der Gemütszustände und Formensympathien beim Lernen von japanischen Kanji
Thomas Eder : Beim Lesen von Gedichten . Verstehensversuche und -widerstände
Rosa Barba : Was ist eine Idee? Von der künstlerischen Vorstellung bis zur Realisierung
15 – 18:30 H – Impulsvorträge :
Rolf Winnewisser : Ein Blick ins Innere des Malers
Dimitrij Frank : Introspektion musikalischer Expressivität
Walter Fähndrich : Klangstrukturen und Gesten in wechselnden klanglichen Umfeldern . “Hör-Informationen” und ihr Einfluss auf die “Hör-Richtung”
19:30 H / Präsentation :
Rotationsstudien – Jan St. Werner , Karl Kliem

Sonntag , 18. September | Neuberg an der Mürz | Festsaal der Gemeinde
10 – 13 H : Resümee

|||

GESAMTSCHAU : 24 STUNDEN RUND UM DIR BURG

czz-neuesvonfreundenEs war – zugegeben ! – am Anfang ein kleiner Schock und ist auch heute noch für manchen Skeptiker befremdlich , dass eine Werbeagentur ein Literaturfestival ausrichtet . Es sind nun bereits 20 Jahre , als die Marketingfirma erstmals 1992 ein Festzelt neben dem Burgtheater aufzog und in einer etwas spektakelhaften Manier während 24 ununterbrochener Stunden Literatur zwischen “high” und “low” – pardon : aus dem Spektrum zwischen “Literatur-” und “Publikumsverlagen” – präsentierte . Auch diesjahr wechseln die Lesungen einander von Freitag 16 H bis Samstag 16 H in halbstündlicher Folge ab .

Mittlerweile pflegen auch literarische Institutionen ihre Repräsentationsstände rund um das Zelt , wärend Andere den niederschwelligen Apeal nicht um die Burg ertragen . Na , egal : wir haben jedenfalls in|ad|ae|qu|at das Programm online gestellt und empfehlen die Lesetermine von Friedrich Achleitner , Wolfgang Hermann , Susanne Scholl , Peter Rosei , Peter Clar , Daniel Wisser und Robert Prosser ( beide unter dem Stichwort Erotik ) , Josef Winkler , Clemens Setz und Gerhard Rühm .

  • Rund um die Burg – Wien , zwischen Burgtheater und Café Landtmann – Freitag , 16. bis Samstag , 17. 9. , 16 H – 16 H nonstop

|||

KLANGAPPARAT

czz-hoerempfehlung

Aller Anfang sei Trance : gerade an einem Montagmorgen kommt Oliver Stummers aka Tomoroh Hidaris sauberer ( sober ) Sound zu guter Stund :
Wir fühlen uns gleich ausdrücklich aufgeräumt .

 

Black Star Elevator DEMO 110911 by Tomoroh Hidari

|||

There are no comments yet. Be the first and leave a response!

Leave a Reply

Wanting to leave an <em>phasis on your comment?

Trackback URL http://www.zintzen.org/2011/09/12/neues-von-freunden-numero-100/trackback/