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Salon Littéraire | Dieter Sperl :
DIARY SAMPLES VI
Wilde Männer kommen in einiger Entfernung einen Hügel herabgelaufen. Sie greifen die Stadt an, in welcher ich mich gerade aufhalte. Die Gewissheit, von hier nicht mehr lebend wegzukommen, breitet sich rasch aus. Jetzt zählt kein Pass und kein Geld mehr. In diesem Land habe ich nichts verloren und so zähle ich auch für niemanden etwas. Dennoch versuche ich zu flüchten, was mir selbst im Traum absurd erscheint.
Jedes Atom in und um uns ist im Herzen eines Sterns entstanden. Diese Erkenntnis habe ich einer BBC Dokumentation über die Sonne entnommen. Deshalb sind wir also tatsächlich Kinder der Sterne, folgerte ich.
Wir leben auf Feldern unterschiedlichster Aktivität und Kreativität, die sich ständig verändern und neu oder anders zusammensetzen, die einander bedingen, bekräftigen oder vertiefen, sich wechselseitig befragen oder herausfordern.
Geschichten sind Verstärker des bereits Vorhandenen, sie können Abflugrampen für unbeanspruchte Gedanken sein, vielleicht nur angerissene Träume, manche von ihnen werden Ratgeber spielen, die unsere Selbstbeobachtung schärfen, andere wiederum werden uns mir ihren Emotionen mitreißen.
Viele frisch gestrichene Fassaden und halbverfallene Straßenzüge wechseln sich ab. Die schiefen Häuser mit ihren Rissen am Mauerwerk. Bäume können in jede Richtung fallen. Die Sonne braucht nicht unterzugehen. Viele haben keine gültigen Reisepapiere mehr.
Jede Geschichte lebt von anderen Geschichten und zugleich für andere Geschichten; jede Geschichte lebt aber auch für sich selbst allein – ihrer eigenen Wahrheit gemäß.
In riesigen Schwärmen vom Tau besetzte Vögel, es klopft an der Tür, durch tausende von Menschen die Dialoge vom Montag wiederholen, die Dialoge vom Dienstag. Du beobachtest dein Sprechen, du beobachtest das Denken deines Sprechens, du beobachtest das Sprechen deines Denkens.
Literatur, wie ich sie proklamiere, ist der Wahrheit verpflichtet, und drückt diese auch in jedem bewusst wahrgenommenen Augenblick vollständig aus.
Bahnübergänge in der Dämmerung: Als ob sämtliche Tätigkeiten plötzlich Reißaus genommen hätten.
Als der in Taiwan geborene und dort aufgewachsene Filmemacher Ang Lee, der seit mehr als 30 Jahren in den USA lebt, nach seiner Heimat gefragt wurde, antwortete er: “Ich lebe in meinen Filmen. Ich borge mir einen Film nach dem anderen als meine Heimat.”
Ich möchte in einen Lieferwagen steigen, um mitzufahren. Auf dem Beifahrersitz befinden sich allerdings bereits zwei Personen, deshalb verzichte ich auf diese Gelegenheit. Mein Vater ermuntert mich jedoch, auf jeden Fall mitzufahren. Ich antworte, man dürfe Gelegenheiten nicht überstrapazieren.
Der Sternenrest schrumpft immer weiter.
Ein verwahrloster Plastikhund in der Ecke eines fast leeren Zimmers. Es regnet durch das Dach.
Letzte Nacht, als es gerade zehn nach zwölf war, stellte sich in einem Film die Hauptdarstellerin ihren Wecker, auf dem es ebenfalls zehn nach zwölf war.
Die Luft ist mit Stimmen gefüttert. Die Geister halten ein Loch offen.
Lebenshungrige alte Frauen mit einem Hauch Sehnsucht im fliederfarbenen Haar tanzen zu Walzerklängen über eine italienische Landschaft.
Verwunderung der linken Hand.
Die, die Federn haben, fliegen nicht hierher.
Friederike Mayröcker schreibt Briefe als Seelenbegleiter, zur Seelenerweckung, Quell-Behandlung. Religion der dunklen Wälder…
“Man merkt es sofort, wenn eine Geschichte schlecht erzählt ist. Meistens hat sie etwas Gespreiztes an sich und trägt egoistische Züge. Dann hat der Autor vergessen, was er ursprünglich erzählen wollte. Auch du musst mit deinen Figuren und deren Charakteren wirklich zusammen leben, darfst sie nicht sofort verscheuchen, wenn sie dir ihre Hand reichen. So wirst du langsam ihre Gewohnheiten erfahren, ihre Gedanken verstehen und wissen, was sie zu tun haben. Unberechenbar für unseren menschlichen Geist tritt die zu erzählende Geschichte von selbst auf, – wenn es notwendig ist und möglich. Mit ihren Farben, den Gerüchen, dem Wetter und den zu gehenden Wegen. Mit den Menschen, die sich darin zurechtfinden oder auch nicht. Sie wird ihre umfassende sinnliche Ausstrahlung entfalten, welche Intellekt und Gefühl, Gedanke und Handlung verbindet. Denn jede Geschichte arbeitet auf vielen Wegen. Sie schöpft vor allem aus den unbewussten und kollektiven Kräften einer Gemeinschaft und des Lebens im Allgemeinen, ist immer auch eine Verbindung und daraus resultierende Fokussierung mentaler Ströme.
Womit beginnt nun deine Geschichte?”
Im Kopf haben wir die Statistiken unserer Wahrnehmungen.
Maiwipferlhonig
2 kg Zucker
500 g Maiwipferl (Fichtenspitzen)
1 l Wasser
Maiwipferl in einen großen Topf mit Wasser geben und ca. 4 Tage stehen lassen. Die Maiwipferl 1 Stunde kochen, durch ein feines Tuch abseihen und die Flüssigkeit aufkochen lassen. Nun den Zucker dazu geben und so lange köcheln lassen, bis der gewünschte Geliergrad erreicht ist.
Ostern: Zitronenspalten für Mama, 1 Paar Würstel und Bärlauch für Papa.
Hüttenkäse mit reichlich Olivenöl, Bärlauch, Salz und Pfeffer abschmecken.
Erfolg greifbar um alle Ecken!
“Wir dürfen mit unserem Körper und Geist aber auch nicht zuviel in der Zukunft oder der Vergangenheit verbringen. Denn Zukunft und Vergangenheit trennen uns von der Quelle allen Seins. Wir müssen ganz hier sein, mit all unseren Sinnen, im Jetzt, das unermesslich ist und ewig. Auf diese Weise handeln wir richtig. Deshalb muss unsere Geschichte auch immer im Jetzt sein, sie muss uns mit den Kräften der Gegenwart zusammen führen.”
“Das Wesentliche ist, dass du deiner Geschichte kein Korsett verpasst, sie findet ihren Rhythmus, ihren Fluss, ihr Bett, ihre Seitenarme von selbst. Du bist dazu da, sie aufzuzeigen. Du musst mit allen Sinnen anwesend sein, wenn sie spricht, dabei selber niemand sein. Eine Radiostation, die Wellen aufnimmt. Schreiben, was dir gesagt wird, das Meer, die Hände, sie sind Kinder der Sterne.”
Kein Satz soll mich ablenken oder entführen, jeder Satz soll mich wacher werden lassen, meine Seinsverbundenheit und Autonomie stärken.
Schreiben ist ein Energie- und Wahrnehmungstransfer.
Zu nachts. Allein.
Ein Rhythmus, der zu dir gekommen ist, um Danke zu sagen, dich zu begrüßen, dich zu umarmen, mit dir ein paar Schritte zu gehen.
“Die Wanderwege und Steige sind nicht kunstvoll angelegt, sondern naturwild und sie erfordern bei schlechtem Wetter eine kräftige Seele.”
Alles eignet sich zur Erzählung. Es hängt nur von der Kraft deiner Wahrnehmung ab und ob du offen genug bist, dich von einer Geschichte affizieren zu lassen.
Marathonlauf, Wien.
“Laufen durch ein Spalier klatschender Hände.”
Solcherart aufgeladen durch die Unterstützung zigtausender Menschen.
Ganz in der Nähe schütteln zwei Prediger ihre Fäuste. Einige Kinder und Touristen bestaunen ein Ausstellungsplakat.
Die verschwenderische Natur kitzelt die Wahrnehmung, sie streichelt deine Sinne.
Wohlstandskulissen zeichnen unser Sprechen aus.
Der Winter kommt spät in diesem Jahr. Noch Ende November sind die Berge so gut wie schneefrei.
Mit jedem Atemzug sinkst du tiefer in die Erde hinein.
Das Schreiben bevölkern mit Impulsen aus verschiedenen Diskursregionen, Erkenntnisblitze evozierend, im besten Fall, mitfühlend, klar & visionär.
Eine Katze, die nicht mehr vom Baum herunter findet, und vor mir geht eine Frau im Stan-Laurel-Mantel.
Es könnte jetzt etwas passieren, dass auf seinen kosmischen Auftritt fünfzehn Milliarden Jahre gewartet hat.
Rauchen ganz gleichgültig / Vogel schmiegt sich an
“Es geht um die Grundeinstellung, die Erwartungshaltung und darum, Fehler zu vergessen. Das wichtigste ist, Ruhe, Gelassenheit und Demut zu lernen. (…) es geht darum, jeden Schlag gleich zu spielen, immer bei Null zu beginnen.” (Markus Brier, Golfprofi)
Sonst war kein Lebewesen zu sehen.
Ich will keine zögerlichen, sorgenvollen Gedanken mehr denken, welche Resultat anerzogenen Verhaltens sind. Ich will kein Wissen mehr erwerben, das nicht mit dem Sein spürbar verbunden ist, meine eigene Existenz und die aller Lebewesen vertieft.
Kein Erfolg spornt mich mehr zu irgendetwas an. Wenn eine Depression unter dem Auge auftrifft, dann verbeuge ich mich vor dem weiten Ozean.
Es geht nicht darum, etwas zu machen, um etwas anderes zu erreichen. Es geht darum, überall zu Hause zu sein, in jeder noch so winzigen Geste.
Freude ist das Empfinden tiefer Seinsverbundenheit.
In der 16. Minute des Champions League Semi-Finals zwischen ManU und Barca, das ich mir wie üblich in einem Admiral Sportwetten Stehcafe ansah, las ich plötzlich auf einem der mehreren Bildschirme, auf denen die aktuellen Wettquoten der Spiele auszumachen sind, den Satz: Derzeit keine Welten verfügbar.
In Wirklichkeit stand da: Derzeit keine Wetten verfügbar. Ein Text, der immer dann erscheint, wenn gerade ein Tor gefallen ist und die Quoten sich dadurch verändern.
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Dieter Sperl ( Bio – Bibliographie )
Bisher auf in|ad|ae|qu|at :
- DIARY SAMPLES
- DIARY SAMPLES II
- DIARY SAMPLES III
- DIARY SANPLES IV
- DIARY SAMPLES V
- Hitze oder Regen
- FACEMISSION mit Grafiken von Gerhard Kepplinger
- Postkarte 01
- Postkarte 02
- Postkarte 03
- Postkarte 04
- Postkarte 05
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