audio aktuell

STRINDBERG : SZENEN EINER EHE | TOMAS TRANSTRÖMER : NOBELPREIS FÜR POESIE | HÖLDERLIN : HÄLFTE DES LEBENS

 

echt welt texte

STRINDBERG : SZENEN EINER EHE

NZZ , 3. 2. 2012

czz audio aktuell blackczz – Emphatische Emotion, Emanzipation der Frau, “Kampf der Geschlechter”: In welchem Mass um 1900 die Liebe ins Wanken geriet und die Institution der Ehe ins Räderwerk neuer Illusionen, verdeutlicht die ebenso kurze wie dramatische Ehe zwischen August Strindberg und der um 24 Jahre jüngeren Frida Uhl. Die hochbegabte und -gebildete Frida, Tochter des liberalen Chefredakteurs der “Wiener Zeitung”, war auf dem besten Wege, sich einen Namen als Feuilletonistin und Literaturkorrespondentin zu machen, als sie Anfang 1893 den aus Stockholm nach Berlin übersiedelten August Strindberg traf und für sich gewann.

Der Briefwechsel, welcher sich schon während der Zeit des Werbens zwischen den beiden entspann, dokumentiert bis ins Kleinste, wie die Beziehung aus der hochmütigen Freizügigkeit der Bohème in tiefste Niederungen kleinlichen Ehestreits stürzte. Keine Beleidigung ersparte man einander, um dann in Dutzenden von jähen Wendungen doch immer wieder neu an die Hoffnung einer Liebe zu glauben. De facto währte die 1893 geschlossene und 1897 offiziell geschiedene Ehe zwei knappe Jahre, ehe man nach kurzem Eintauchen in das intensive literarische Leben von Paris für immer auseinander ging.

Zu kontrovers prallten die – durchaus wechselnden – Ideen des meist getrennt lebenden Paares aufeinander. Während der von Alimentpflichten getriebene August für ein bescheidenes Leben in der österreichischen Provinz eintrat, stand der Sinn der dem engen Horizont der Mutterschaft entrinnen wollenden Frida nach dem geistig aufreizenden Klima der Grossstadt … wenn es nicht gerade einmal wieder umgekehrt war. Im regen Stimmwechsel der Lesung vernehmen wir Szenen einer Ehe auf dem Kampfplatz der Sprache: eine Katastrophe in Nahaufnahme.

|||

TOMAS TRANSTRÖMER : NOBELPREIS FÜR POESIE

NZZ , 3. 2. 2012

czz audio aktuell whiteczz – Seit 1995 der Ire Seamus Heaney und 1996 Die Polin Wislawa Szymborska für ihr lyrisches Werk mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurden, waren 18 Jahre lang keine Lyriker unter den Nominierten, bis 2911 endlich die Wahl auf den seit 1993 als möglichen Kandidaten gehandelten Schweden Tomas Tranströmer fiel.

Tranströmer, Jahrgang 1931, gilt als einer der grossen Stillen im Land, dessen Lyrik sich geduldig ihre oft kühnen Bilder sucht und die ihren Rahmen in äusserster Verknappung findet. Wie fern Tranströmer jedwedem Preziösen und der poetischen Selbstinszenierung stand, erweist eine Audio-Ausgabe, welche in acht Kapiteln aus den Kindheit berichtet. Es liest der mit Tranströmer gut befreundeten Verleger Michael Krüger, der im Hanser-Verlag seit 1985 die meisten der Texte Tranströmers in der Übersetzung von Hanns Grössel dem deutschsprachigen Publikum nahe brachte.

An die autobiografischen Aufzeichnungen schliessen sich sechs ausgewählte Gedichte organisch an, welche sowohl in schwedischer, vom Autor gelesenen Fassung erklingen als auch in Michael Krügers deutscher Rezitation: Ein hinreissendes akustisches Digest, dessen uneitle Diktion den Hörer sofort für den Dichter einnimmt.

|||

HÖLDERLIN : HÄLFTE DES LEBENS

NZZ , 3. 2. 2012

czz audio aktuell blackczz – Mit 37 Jahren wegen Zerrüttung entmündigt, verlebte Friedrich Hölderlin 36 Jahre als Pflegling einer Familie im Tübinger Turmgemach über dem Neckar. Was den Zeitgenossen unsäglich blieb, schrieb und schreibt sich laufend weiter in die Hochmoderne ein mit unzähligen Vertonungen (Heinz Holliger, Luigi Nono, Georg Friedrich Haas) und Literarisierungen (Friederike Mayröcker, Gerhard Falkner, Beatrix Langner). Letztere ziehen – meist unter der Sigle des von dem Kranken angenommenen Namens “Scardanelli” – den anwesend abwesenden Geist des Dichters als Projektionsfläche heran für Poetiken des Fragmentarischen und Zustände des Ausser-Sich-Seins.

Hatten Harald Bergmanns “Scardanelli”-Film und das daraus entwickelte Hörstück (NZZ 4. 1. 2006) vermittels Gedichtfragmenten, historischer Zeugnisse und wirkungsvoller Musik das Drama eines sich ver-rückt, entrückt aufbäumenden Geistes inszeniert, legt der 1930 in Hamburg geborene Autor und Biograph Peter Schünemann seinen Text “Scardanellis Gedächtnis” als Gedankenstrom an. Situiert in der dem Tod am 7. Juni 1843 vorausgehenden Nacht, laufen Erinnerungsbilder vor dem inneren Auge des Dichters ab, bruchstückhaft, chronologisch durcheinandergewirbelt, in irisierenden Visionen sich verlierend.

Indem sich Schünemann die Freiheit nimmt, ein gegenwärtiges Idiom diskret mit Zitaten zu durchwirken, erzielt er trotz oder gerade wegen mannigfaltiger Anachronismen eine verdichtete, vexierende Textur. In der weich schmiegsamen Lesart Christian Brückners erklingt ein Strom kaskadierender Bilder, die – in Wirbeln kreiselnd, als Gischt aufspritzend, in Brechungen glitzernd – sich dem Fluss unter dem Turmzimmer anverwandeln: ein poetischer Acheron, in “heilignüchterner” Erwartung des letzten Fährmannes Charon.

|||

 

There are no comments yet. Be the first and leave a response!

Leave a Reply

Wanting to leave an <em>phasis on your comment?

Trackback URL http://www.zintzen.org/2012/02/08/audio-aktuell-37/trackback/