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Salon Littéraire | Sophie Reyer :
Insektizid , Romanauszug 2 | 2
Agnes hat ihre Haare karottenrot gefärbt und die stehen fransig in alle Richtungen.
Passt dir gut.
Agnes grinst. Drückt ihr einen Kuss an die linke Backe.
Agnes im Altbau. Die hohen Wände sind pastellfarben ausgemalt. Pinke Zimmerdecke. Orange zu beiden Seiten. Agnes spitzt die Lippen und gibt einen Ton von sich, der tief sitzt.
Agnes wackelt mit dem Arsch. Die bloßen Füße streifen über den kühlen Boden. Breite Fesseln. Agnes reckt den Arsch raus, der in einem Rock steckt. Pustet sich eine Strähne von den Augen. Nestelt im Nacken rum.
Ob sie Linsen esse.
Die Insektenfrau leert ein paar der klitzekleinen Kieselsteine in eine Schüssel.
Agnes schneidet Gurken in runde Scheiben. Dann rote Rüben. Die Insektenfrau gießt Öl in die Pfanne und brät Zwiebel an. Hitze. Sie verlagert das Gewicht auf ein Bein. Hebt das andere in die Höhe. Stellt die bloßen Sohlen des linken Fußes ab im rechten Kniegelenk. Einatmen. Der Schweiß pickt ihr das rote Top in den Achseln fest. Sie stockt. Starrt in die Pfanne. Agnes wäscht die Linsen. Lüpft an ihrem T- Shirt. Die Insektenfrau rührt die Linsen in die Pfanne. Muss schlucken. Die Muskulatur schmerzt ihr im Rücken.
Gefällt dir der Trompeter, was.
Agnes grinst und gafft in den Kühlschrank. Der sirrt.
Gestern wars aber auch schon wieder vorbei.
Er gefällt dir also, sagt sie und kichert von innen heraus.
Und dir gefällt dein Psychotherapeut.
Sie grinst.
Eigentlich ist er ein Engel und wir spielen ein Spiel.
Agnes stößt einen Pfiff aus. Klatscht ein bisschen Salz aus einer in Fimo eingehüllten Dose auf die Handfläche und lässt dann ein paar Prisen zwischen den Fingern durchrieseln. Die linke Hand steckt in einem Netzstrumpf.
Lass uns das Essen pink färben.
Die Insektenfrau nickt und rümpft die Nase.
Aber dann den Kaffee giftgrün.
Agnes leckt sich die Unterlippe mit der Zunge, grummelt Untertongesang. Kramt nach den Lebensmittelfarben in der Brotdose.
Ein tiefes Cis, sagt sie und zwirbelt sich die Haare an den Schläfen.
Die Insektenfrau setzt sich auf den aus Standard- Artikeln und Leim gepappten Riesensessel, an dem Agnes seit zwei Jahren bastelt. Nestelt an ihrer Glockenhose rum.
Wann wirst du ihn wiedersehn.
Hat er nicht gepasst.
Atemmoment. Pause.
Und du.
Ich überleb auch so.
Sie lacht. Agnes klatscht einen Kochlöffel pinkes Daal mit roten Rüben und Gurken in eine Schüssel. Dann in die zweite. Serviert dann giftgrünen Kaffee in dickbauchigen Keramiktassen.
Gedrungen, sagt sie und freut sich über das Wort.
Agnes stellt Soja – Milch auf den Tisch. Zieht einen Diddel- Kalender aus der Tasche und legt ihn neben ihren Laptop.
Dass ich den Kalender immer in Reichweite hab.
Overworked oversexed. Sagt sie. Und legt die Beine hoch.
War da Sonne hinterm Haus, die auf die schilfige Ebene schlatzt mit ihrem Orange. Mutter raucht. Steht an der Veranda. Sagt: Verkühl dir nicht die Füße. Das Kind stellt sich auf die Zehenspitzen. Guckt übers Holzgeländer und in den Innenhof. Eufeu kriecht die weißen Wände hoch. Eine Fledermaus zackt in den Himmel rein. Schwarzer Blitz. Fast zu schnell für das Schauen des Kindes. Die Telephonleitungen teilen das Abendblau in zwei Hälften. Holzmasten. Aus dem bauchigen Topf aus Keramik wächst Flieder. Das Gelände des Balkons ist in Karomustern gerippt. Das Kind versucht, mit den Zehen in die Quadrate rein zu tapsen. Zieht sich hoch. Hält sich fest. Knarzen. Es hebt die Füße an, schaukelt ein bisschen in der Luft rum mit ihnen. Dass es den Körper hin und her schlenkert.
Oder auch: Die Sonne, die die Wolken leckt. Das Kind hockt in der Pergula. Sein Haar fransig von sämtlichem Schlamm, den die Mutter ihm noch nicht aus den Strähnen rausfrisiert hat. Das Kind kneift seine Augen zusammen. Guckt solange den leuchtenden Ball an, bis es ihm grell in den Blick schneidet, es die Fingerkuppen gegen die Augen pressen muss. Und die Fliegen. Fette Brummer. Knallen immer wieder mit plumpen Körpern an die Scheibe des halbrunden Fensters.
Dahinter Steppe. Wind wühlt in aschblondem Gras rum. Da kriecht eine Spinnerin auf dem Glas. Hantelt sich an ihrem Faden entlang bis runter ans Fensterbrett. Das Kind steht auf, guckt ihr auf den Rücken. Sieht ein dunkelblaues Kreuz schimmern. Das hebt sich ab von der Farbe des Korpus. Die Beinchen wuseln. Das Kind zuckt ein bisschen zurück und muss kichern über das Kribbeln im Mundraum.
Zuerst war Puszta. Goldgelbe Ähren im Nachbarhof. Singt der Vater Yello is the colour of my true loves hair. Hockt auf den Marmorstufen, die sommersprossengesprenkelten Beine barfuss, schräg übereinander gelegt. Schmale Gelenke. Die Fussohlen des Vaters reiben hin und wieder rum am Stein.
Eine Falte hat der Vater über den Augenbrauen. Die Unterlider angehoben. Kropf im Hals. Speck überm Kehlkopf. Er guckt in den Himmel. Das Kind erschlägt immer wieder Gelsen. Kickt sie mit den Zeigefingern von der Haut. Es ist kalt, schreit die Mutter. Schiebt dem Kind eine Wolldecke unter den Arsch.
Waren da Sonnenuntergänge. Die Mutter bläst Rauch aus. Leckt sich die schmale Oberlippe.
Später hocken sie am Fenster. Rauchen raus in den Regen. Agnes wischt sich über die pockennarbigen Wangen, immer wieder. Grinst aus den Augen raus. Pafft Rauchringe. Graue Stadt hinter Regenvorhang. Die Farbe der Ziegeldächer ist bunt. Es riecht nach Teer und Sommerende, sagt die Insektenfrau.
Lass uns ein Manifest schreiben, meint Agnes und wandert mit den knubbeligen Zehen des rechten Fußes über den Linken. Tapst sich an der Haut entlang. Auch die ist orange. Durchscheinend.
Sie knackst immer wieder mit dem linken Kiefergelenk. An Schokolade knabbern. Für Momente sieht sie Agnes hinterm Schleier. Zwinkert sich den Blick zurecht. Kopfschmerz dröhnt ihr an die Lider. Ihr Blick flackert.
Was siehst du schon wieder.
Ich brauch Dörrzwetschken.
Kannst schon wieder nicht kacken, sagt Agnes.
Sie wölbt die Lippen zum Schnabel. Der Atem wird ihr schwer im Mund. Lässt sich nicht runterschlucken. Atem wie Mandarinenfasern. Sie hustet auf. Versucht erneut, zu singen. Jetzt kommen die Klänge aus dem Rachenraum. Sie lutscht an den Obertonlauten, die ihr aus dem Mund schießen. Agnes kreischt. Der Regen drischt ans Fensterbrett.
Sie lachen. Lachen.
Bevor ich abhau werd ich den Wienfluss grün färben, das sag ich dir.
Der Klavierlehrer ist zu groß für sich selbst, denkt das Kind. Dem schlenkern die Arme nur so runter. Die schlaksigen Beine. Die schmalen Handgelenke. Das ovale Geisicht mit der Halbglatze, die tiefliegenden Augen. Er hockt neben ihr, gafft ihr auf die dünnen Gelenksknöchelchen, wenn sie mit den Fingern über die Tasten plänkelt. Spitzt hin und wieder die Lippen, lächelt schief. Schiebt den linken Mundwinkel zur Seite. Säuerlich, denkt das Kind.
Irgendwann hat er ein Heft aufgeschlagen. Liest dem Kind was vor von einem Mädchen, das von seinem Bruder in den Arsch gefickt wird. Schüttelt dabei den Kopf. Hinterm Fenster zackt das Licht in einzelnen Sonnenstrahlen runter. Das Kind nestelt sich am rötlichen hellen Haar herum, dem Kind wird heiser im Mund. Es kann nicht mehr schlucken auf einmal. Knabbert am Daumennagel der linken Hand.
Der Lehrer seufzt. Dann hocken sie sich wieder an den Flügel, das Kind schlägt ein kariertes Büchlein mit Generalbassübuungen auf, streift sich den Schweiß aus den Handtellern und in den langen schwarzen Rock, legt den Kopf ein wenig zur Seite. Schwappt rein in die Musik, die ihre Fingerläufe in die Tasten drücken.
Schlimm, sowas, sagt der Klavierlehrer. Seine langen dünnen Finger wandern ihm langsam zwischen die Beine. Die Augen des Kindes zucken auf, stieren dann auf die Tasten. Vorbeischaun an seinem Geschlecht. Die Hände des Klavierlehrers beginnen, rum zu wetzen. Das Kind schnupft, atmet aus und dreht den Kopf in die andere Richtung. Blinzelt ihn an aus den Augenwinkeln. Sonne im Rücken. Geruch nach Kreide.
Schlimm, schlimm. Der Adamsapfel des Kavierlehrers wippt, die Kiefergelenke verschieben sich. Der nagt in sich selbst rein, denkt das Kind.
Hört weg und schwappt über. Zuckt mit den Augenbraun, während es spielt. Der Mund halboffen. Murmelt mit.
Dann die Phrasen. Das Kind schließt die Augen. Atmet mit den Melodien ein und aus. So hebt und senkt sich der Brustkorb des Kindes im Takt.
Die Hände des Lehrers zucken nervös auf. Die Beine ruckeln. Wetzen aneinander rum. Er hebt die Sohlen kurz an. Sieht dem Kind in die Augen.
Wache Augen, sagt er.
Das Kind kneift den Blick zusammen, starrt auf den Papierkorb in der Ecke, aus dem ein karogemusterter Regenschirm ragt.
Ich hab acht Kinder, weißt du. Die jüngste ist so alt wie du.
Das Kind will dem Lehrer ins Gesicht sehn. Es dreht den Kopf ein wenig zur Seite. Die Haare lappen dem Kind in den Blick rein. Die Sonne blendet. Der riecht nach Apfelschalen aus dem Mund. Riecht tief in ihre Richtung. Riecht in sie hinein.
Plötzlich: Mit einem Ruck hebt er die Hände. Steht auf. Streicht dem Kind einzelne hellgelbe Strähnen hinter die winzigen Ohren. Dem Kind zucken die Schulterblätter. Sonst nichts.
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Sophie Reyer ( Bio – Bibliographie )
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