DOKUMENTATION : Helmut Böttiger über Literaturkritik

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ALFRED-KERR-PREIS & KLEINE VORAB KRITIK AN HELMUT BÖTTIGERS DANKREDE

icon presseschauWie stets im Frühling , wurde diesjahr der Alfred- Kerr- Preis während der Leipziger Buchmesse verliehen . Mit diesem Preis wird das literaturkritische Werk eines Publizisten , einer Publistin auf Grund eines Jury- Entschlusses ausgezeichnet . Diesjahr wurde der “frei” ( also nicht im Stübchen einer bestimmten Redaktion ) publizierende Helmut Böttiger zur Ehrung erwählt .

Wie beim Ritual der Kerr- Preis- Vergabe üblich , pflegt der oder die Ausgezeichnete eine Danlesde zu halten , in welcher Grundsätzliches zur Literaturkritik reflektiert wird . Noch gut erinnerlich ist die brillante Rede Gregor Dotzauers bei der Preisüberreichung 2009 . Nicht weniger reflektiert und mitunter auch pointiert entfaltet Böttigers Rede eine Landkarte der aktuellen Formen , historischen Funktionen sowie der “Jounalistenliteratur” dieser Tage .

Wir dokumentieren einige Thesen / Argumente , welche uns als relevante Nachrichten aus dem Bunker des “Betriebs” dünken . Nicht zuletzt kommen einige Standardsituationen der literaturkritischen Praxis zur Sprache , z. B. mögliche Bekannt- oder Freundschaften zwischen Autoren und Rezensenten ;  inmitten dieser betrieblichen  Unschärfenzone vermag einzig und allein ein reflektierter Standpunkt zu trotzen : wider die Mechanismen der Vereinnahmung und  wider die kleinen wechselseitigen  Gefälligkeiten und nicht zuletzt dort ,wo ( wie in den Debattier- Zirkeln  im TV )  die professionelle Literaturkritik den Löffel abgibt zugunsten einer öffentliche Plauderei ,  in deren Parlando das Buch zum PR- Artikel mutiert  . - Ganz zu schweigen natürlich von der  Unsitte  ,  Rezensionen eines Buches unmittelbar nach Ablauf der Sperr der Sperrfrist ins Blatt zu schleudern : die Transformation des Kritikers zum Buch- Promotor .

Bei all dieser berechtigten Kritik am status quo , lässt Böttiger ebenso eine Alternative vermissen wie auch die Reflektion über das eigene Tun in Bezuf auf die Literaturkritik . Helmut Böttigers Ideal des Literaturkritikers ist seiner Rede ( allerdings verhüllt durch ein laus tempori actum ) eingeschrieben . Nämlich :

Der Kritiker aber, so wie man ihn aus der Literaturgeschichte kennt – oder das Bild von ihm, das als Ideal weitergereicht wird – ist unabhängig und hält Distanz. Es ist eher hinderlich, wenn er einen Autor persönlich kennt. Am besten, er sitzt unzugänglich zuhause an seinem Schreibtisch und nimmt nichts anderes wahr als den Text, den er sorgfältig liest und beurteilt. So etwas soll es tatsächlich einmal gegeben haben.

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HELMUT BÖTTIGERS DANKREDE

icon presseschauEin Preis für Literaturkritik setzt voraus, dass es eine Literaturkritik gibt. Das aber ist genau die Frage. Es gibt natürlich Literaturjournalisten, die Autoren porträtieren und auf Podien befragen, sie erarbeiten auf Anfrage auch Konzepte für Kulturamtsleiter oder Magazinredakteure, halten Kontakt zu Verlagen, Agenten und Leitern von Schreibwerkstätten. Der Literaturbetrieb ist leicht überschaubar und gut vernetzt, jeder ist ein kleiner Funktionär, der an Aufträge herankommen möchte, und mindestens einmal im Monat trifft man sich auf einem Festival oder einer öffentlichen Debattierrunde oder einer Jurysitzung, Autoren, Journalisten und Kulturveranstalter kunterbunt durcheinander, und wittert den nächsten Trend.

Der Kritiker aber, so wie man ihn aus der Literaturgeschichte kennt – oder das Bild von ihm, das als Ideal weitergereicht wird – ist unabhängig und hält Distanz. Es ist eher hinderlich, wenn er einen Autor persönlich kennt. Am besten, er sitzt unzugänglich zuhause an seinem Schreibtisch und nimmt nichts anderes wahr als den Text, den er sorgfältig liest und beurteilt. So etwas soll es tatsächlich einmal gegeben haben. ( … )

Was anderswo im Normalfall mit wenigen Sätzen über den Caféhaustisch hinweg geschah, erforderte in Deutschland einen ungleich größeren Aufwand: da spitzte der Kritiker seine Feder am einsamen Schreibtisch zuhause und verfasste unter großen Nöten gleich einen Text. Natürlich konnte man da viel besser vom Leder ziehen, als wenn man dem Kontrahenten gleich am nächsten Tag beim Apéritif gegenübersitzen würde. Und deshalb ging es gleich ums Ganze. Hier bildeten sich Maßstäbe der Kritik heraus. Ästhetische Auseinandersetzungen traten im sich entwickelnden deutschen Bürgertum oft an die Stelle von politischen Auseinandersetzungen – politisch hatte man nichts zu sagen, ästhetisch aber umso mehr.

( … )

Der Nationalsozialismus beförderte die Kritik sofort ins Abseits. Es herrschte nun die sogenannte ‘Kunstbetrachtung’. Der deutsche Kultur- und Zivilisationsbruch zeigte sich auf diese Weise auch auf dem engeren Gebiet der Kunst. Und das setzte sich nach 1945 fort. Bis in die Mitte der fünfziger Jahre, das ist heute völlig vergessen, dominierten Schriftsteller wie der religiöse Lyriker Rudolf Alexander Schröder das Feld, und wenn er seine Festvorträge hielt, mit Titeln wie „Vom Beruf des Dichters in der Zeit“, herrschte eine weihevolle Stimmung. Man wusste nicht mehr, was Kritik war. Es herrschte Hochkultur. ( … )

Die Kritik bei der Gruppe 47, das war am Anfang gleichbedeutend mit Gesellschaftskritik. Aber dann setzte eine Eigendynamik ein, mit der der Kritiker wieder, wie in der Entstehungszeit des deutschen Bürgertums, eine besondere Rolle bekam. Die Gruppe 47 definierte für die Bundesrepublik den Literaturbetrieb und wurde dadurch immer wichtiger. Die Kritiker bildeten dabei den Transmissionsriemen, eine Art von Schmiermittel: sie sorgten für das Spektakel und den Widerhall in den Medien. Und so war es zwangsläufig, dass sich in Deutschland wieder eine journalistische Spezies entwickelte, die sich primär als Kritiker verstand. Überhaupt spielte in den sechziger und siebziger Jahren die Literatur generell für die Bundesrepublik eine große Rolle. Es entwickelten sich, gegen die kruden politischen Machtverhältnisse, moralische Instanzen wie Heinrich Böll oder Günter Grass, die immer in den Medien auftauchten und strukturell eine ähnliche Funktion hatten wie heute Harald Schmidt oder Thomas Gottschalk. ( … )

icon presseschauDer Literatur kommt zugute, dass sie sich leicht zitieren lässt. Sie wird gerne dienstverpflichtet. Gerade, wenn die Konjunktur gut läuft und Programme gefüllt werden müssen, sind landauf, landab die Podien voll besetzt. Die Diskursmaschine wartet nur darauf, angeheizt zu werden. Es gibt eine ausgesprochene Journalistenliteratur, man kann sie schnell verfeuern, sie ruft das bereits vorhandene Wissen und die Debatten-Parameter funktionsgerecht ab. Jeder Kulturveranstalter wird hellhörig, wenn es von einer Autorin heißt: die ist politisch, die kann gut reden. Oder: Dieser Autor hat verstanden, dass wir in der Globalisierung leben. Und immer wieder gut ist: Dieser Autor kennt keine Tabus. Verrisse gibt es dabei eher selten, denn jeder kann jedem nützen, und wenn es welche gibt, werden sie strategisch eingesetzt. Es geht nicht um ästhetische Auseinandersetzungen, sondern um die Positionierung im Literaturbetrieb. Und der Übergang vom Schriftsteller zum einflussreichen Funktionär ist manchmal fließend.

( … )

Geld verdient man heute durch Reden, durch Kommunizieren, durch Moderieren, aber nicht durch Schreiben. Und wenn man schreibt, sieht man sich sofort dem Druck der Ökonomisierung ausgesetzt und mit pseudowissenschaftlichen Expertisen über Konzeptjournalismus und Magazinformate konfrontiert. ‘Die kleinen Leidenschaften der Sultane der Literatur’, von denen Balzac spricht – man sieht den Feuilletons heute oft wieder genauso an, was die Chefredakteure und ihre Medienberater so denken. Es geht darum, Netzwerke zu bilden, sich flexibel innerhalb des Systems zu bewegen und das Bestehende als das Bestehende zu akzeptieren. Kritik ist obsolet, man beschreibt beim Hausbesuch lieber, wie die erfolgreiche Autorin beim Kaffeetrinken den kleinen Finger spreizt, als die vorgestanzten Schemata ihrer Satzkonstruktionen zu analysieren.

( … )

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QUELLEN

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KLANGAPPARAT

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Fleissig , fleissig , was das ( net- ) Label deepindub in den letzten Tagen auf soundcloud hochgeladen hat : somit wird sofort ohrenfällig , wie sehr einander die Tracks verschiedenster Künstler ähnelt .czz hörempfehlung Liegt dies wohl am deepindub Master Maurizio Miceli oder sucht man sich aus den Demos eben jene aus , welche sich harmonisch in das Dubtechprofil des Labels fügen ?

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