NEUES VON FREUNDEN

||| ALTE SCHMIEDE : GRUNDBUCH ZUR 5.000 VERANSTALTUNG | KLANGAPPARAT

Jandl mops

ALTE SCHMIEDE : GRUNDBUCH ZUR 5.000 VERANSTALTUNG

czz-neuesvonfreunden

Zur sage und schreibe 5.000 ( fünftausendsten ) Veranstaltung des Literarischen Quartiers Alte Schmiede wird heute eines diesem Jubiläum würdiges , sozusagen Grund- Grundbuch besprochen , nach dessen Erscheinen 1966 kein Laut der Lyrik auf dem anderen blieb : Mit Ernst Jandls “Laut und Luise” katapultierte Ernst Jandl die österreichische Literatur in die – so lange vernachlässigte – Moderne .

Gleichzeitig erinnert das “Arbeitsjubiläum” daran ,
dass ein Programmkontinuum wie das der Alten Schmiede nur als Gemeinschaftswerk von Tausenden von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, Dichterinnen und Dichtern, zusammen mit Hunderten von Personen, die auf deren Werke mitsamt ihrer künstlerischen Genealogie hingewiesen, diese interpretiert und mit den Autorinnen und Autoren diskutiert haben, entstehen kann. Dieses gemeinsame Wirken über Sprach-, Genre- und Generationengrenzen hinweg hat vielfache Folgen gezeitigt, etliches ist in Buchform festgehalten, aber auch als individuelle Erinnerung ins Zeitgedächtnis unserer Stadt eingeschrieben. Literatur bedeutet stete und explizite Bezugnahme auf die von Menschen definierte Welt, das möge wie bisher auch weiterhin, in ungezählten Varianten, in das öffentliche und individuelle Bewusstsein gerückt werden, mit Leidenschaft und Kenntnis, mit gegenseitigem Respekt und mit Zuneigung, allen auf blinde Konkurrenz setzenden Tendenzen des Zeitgeists zum Trotz.

Wir wollen dieses Veranstaltungsjubiläum mit einem Abend der Kooperationsreihe Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 begehen, die einen aktiven Beitrag zu einer gleichzeitig singulären und kollektiven Literaturgeschichtsschreibung der Gegenwart leistet und ein außergewöhnliches Instrumentarium künstlerischer (Selbst)Reflexion entwickelt hat.

Als Artikulationskünstler liest und kommentiert Michael Lentz die Jandl’schen Gedichte , wobei die Frage , wer nach Jandl jene Stimme und Stimmung mitbringt : energetisch , dynamisch , idiosynkratisch : so lange uns Jandl auch mit seinem akustischen Werk im Ohr klingt , bleibt die Tonspur dominant . Lentz :

Die insgesamt dreizehn Abteilungen des Bandes rekurrieren vom Liebesgedicht und Lied (»mit musik«: Lyra, Lyrik) über das Lehrgedicht, das politische und Naturgedicht, das Abendgedicht, das Tiergedicht und das Epigramm, bis zum visuellen und Lautgedicht auf vorgängige Gattungen bzw. Genres. Deren normative Vorstellungen, und seien sie auch noch so schemenhaft oder rudimentär gegenwärtig, rufen sie in ihrer medialen und ästhetischen Varianz auf und befestigen sie – gerade in der von Jandl unternommenen Abweichung von der Konvention. Dies geschieht, indem die Abweichung, das mutwillige Nichtbefolgen sich eben nur vor dem Hintergrund gattungstheoretischer und -historischer Dispositive vollziehen kann, deren (konventionalisierte) Merkmalbündel sie latent mitführt. Auch der poetologische Witz zwischen literalem und figürlichem Wortsinn speist sich aus dem Kontrast zur Gattungskonvention. Der poetologische Witz von Jandls Gedichten in »Laut und Luise« besteht – und das macht bis heute noch ihren ästhetischen Affront aus – in vielfachen gattungsinternen Unterbietungen und Dysfunktionen bzw. funktionalen Neubelegungen. Was hier partiell eine mutwillige Unterkomplexheit erzeugt, ist ein poetischer Elementargeist, den es schriftmündlich drängt, die Poesie in ihre Bestandteile zu demontieren und im Akt der rekonstruierenden Demontage ihre Wurzeln freizulegen.
[…]

Ein Gedicht von Jandl kommt ohne Jandl aus, spricht ohne Jandls Stimme. Der geeignete Sprecher von Jandls Gedichten außer Jandl wäre vielleicht der, der Jandl nie hat Jandl lesen hören, der ihn, noch besser, nie gehört hat. Dem kann entgegengehalten werden, Jandl habe sich seine Gedichte auf seine Stimme geschrieben, seine Gedichte seien mit seiner Stimme verklebt gewesen. Mag sein. Allerdings gibt es zahlreiche Jandl-Gedichte, die das Alphabet geschrieben hat und nicht seine Stimme. Es gibt eben Ordnungsprinzipien, die der Stimme eingeschrieben werden. Die Stimme führt bloß das Kommando der Schrift und ihrer Anordnung aus. Und es gibt den Atem. Dieser kann der Stimme ausgehen – und sie kann nicht mehr in die Luft schreiben. Gleichwohl, Stimme und Schrift sind bei Jandl auf derselben Spur. Diese Spur heißt: »In welchem Käfig du dich auch befindest, verlasse ihn.« (John Cage). Der Käfig, in dem man sitzt, ist mächtig. Es ist aber nur der schwächste Käfig. Um ihn herum gibt es andere Käfige, einer gewaltiger als der andere. Kann man den Käfig um den Käfig auch im Käfig verlassen? Einen paradoxen Fall von Levitation annoncierte Karl Valentin 1922 in einer Münchner Tageszeitung: »Schöner Papagei, gut sprechend, samt Messingkäfig entflogen.« Entflogen, weil er gut sprechen konnte. Wie Jandl. Münchhausiaden? Sprachspiele?

|||

KLANGAPPARAT

czz-hoerempfehlung

Kategorie “Kult” : Mittwoch legt der der dänische Elektroniker und Producer Anders Trentemøller in der “Grellen Forelle” auf : vor Mitternacht wird es wohl nicht starten . Inzwischen vertreiben wir ( uns ) die Zeit mit dem feinst getuneten Crash Course in Science “Flying Turns” ( Trentemøller Edit ) .

|||

 

There are no comments yet. Be the first and leave a response!

Leave a Reply

Wanting to leave an <em>phasis on your comment?

Trackback URL http://www.zintzen.org/2012/05/14/neues-von-freunden-124/trackback/