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GRUNDBÜCHER : ELFRIEDE CZURDA
Die löbliche Reihe “Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945″ wird am Dienstag auf Elfriede Czurdas 1991 bei Rowohlt veröffentlichten und längst legendären Roman “Die Giftmörderinnen” fokussieren . Es ist – freilich oft trivialisiert – nachgerade ein Topos der Kategorisierung “weiblicher Methoden” der Gewalt . Man denke an Alfred Döblins 1924 erschienenen Erzählung “Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord” . Wobei übrigens Gift auch beim Suizid offenbar das weibliche Mittel der Wahl ist . Man denke an “Fräulein Else” oder Flauberts Emma Bovary.
Nach einer Lesung der SALON- Autorin gibt es ein Gespräch mit dem Kurator der Reihe , Klaus Kastberger sowie mit dem Bremener Literaturwissenschafter Heinz- Peter Preusser .
“Die Männer sind ein Gift auf der Welt”. Kapitalverbrechen als weibliche Notwehr und als Antidot in Elfriede Czurdas Die Giftmörderinnen. – “Die Giftmörderinnen” könnte man als Reminiszenz an den militanten Feminismus verstehen. Aber dieses zugleich beeindruckende und wunderliche Werk der Sprachartistin Elfriede Czurda zeigt vor allem, wie sich Macht verdichtet im gedachten und ausgesprochenen Diskurs, wie sich Welt bildet in der radikalen Prägung unserer Protagonistin durch das Wort, über das sie selbst nicht verfügt – aber ihre Autorin in ganz einzigartiger Weise. Der Titel lässt am letalen Ausgang gescheiterter Paarbindungen von Anfang an keinen Zweifel. Was sich entwickelt, ist deshalb nicht auf Spannung hin erzählt, sondern von erschreckender Folgerichtigkeit. Die Erzählstimme verfügt zugleich allwissend über ihre Figuren, gibt aber auch, fast unmittelbar, Gedankeninhalte als inneren Monolog und als Bewusstseinsstrom wieder: So lässt sich die Erzählposition nie klar fixieren. Der Roman changiert virtuos zwischen den Zeiten und den Redeoptionen, blendet Briefpassagen ein, modelliert die Stimmen der einzelnen Figuren. Aber anders als Döblin interessiert Czurda nicht der befremdliche historische Fall selbst oder die Sexualpathologie dahinter, sondern deren Verwobensein mit dem Sprachmaterial, in dem sie artikuliert werden. Erst im wilden Zertrümmern durchschaut Else, die heilige Einfalt, das Gefängnis des Diskurses, in dem sie gefangen war. Und in der materiellen Zelle erreicht sie, paradoxer Weise, wieder die Freiheit der Imagination und die Chance, von ihrem realen, fürchterlichen Leben absehen zu können. ( Heinz-Peter Preusser )
- Grundbücher | Elfriede Czurda : Die Giftmörderinnen – Literarisches Quartier Alte Schmiede , 1010 Wien – Dienstag 27. 11. 2012 , 19 H
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BRANDREDEN : ZEITSCHRIFT “PODIUM”
Protestmärsche von Tel Aviv bis Madrid , Riots in Frankreich und Grossbritannien , einbrechende Sozialsysteme , Aufbegehren der Massen im Occupy- oder Anonymus- Format und eine Europäische Union , die sich nicht als Utopie , sondern vielmehr als gläserner Käfig entpuppt : Aus diesen ( und noch einigen andren ) Gründen bietet das Herbstheft der Zeitschrift “podium” ( Doppelheft 165/166 , Redaktion: SALON- Autor Robert Prosser)
Anstoss für das gewählte Thema ist die Frage, wie es angesichts der gesellschaftlichen Umwälzungen um die Kritikfähigkeit jetzigen literarischen Schaffens bestellt ist. Motivation zur Einsendung mag die Aufforderung sein, sich als AutorIn zu positionieren und mit prosaischer Zeitkritik, politischen Essays oder lyrischen Protesten streitbar, angriffslustig und durchdacht zu Wort zu gehen – Blicke über Österreichs Grenzen sind nicht zwingend erforderlich, aber sehr willkommen.
Am Mittwoch präsentiert Prosser die “Brandreden”- Ausgabe des “Podium” . Weiters stehen Lesungen von Valerie Fritsch , Regina Hilber , Florian Neuner und Judith Nika Pfeifer auf dem Programm .
- “Brandreden” | Zeitschriftenpräsentation – Literaturhaus Wien – Mittwoch , 28. 11. 2012 , 19 H
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MILLESI , KÖHLE , HORVÁTH : NEUERSCHEINUNGEN
Wer Hanno Millesis bisherige Lesungen in der ÖGL oder vorige Woche in Lhotzkys Literaturbuffet verpasst hat , mag am Mittwoch im Hinblick auf Millesis intrikate Roman | Studie “Grandtourismo” ( °Luftschacht 2012 ) “auf” , wie man so sagt “seine Kosten kommen” . Des weiteren werden Neuerscheinungen von Martin Horváth ( Romandébut “Mohr im Hemd oder Wie ich auszog , die Welt zu retten” , DVA 2012 ) sowie des SALON- Autors Markus Köhle ( “Hanno brennt” , Milenea 2012 ) . Angelika Reitzer wird diese Textvorstellungen moderieren .
Pikareskes und das Spiel damit könnte man als poetologisches Konstrukt und inhaltlichen Antrieb in den Texten von Millesi, Köhle und Horváth festmachen, die jeweils sehr originell bzw. originär und außergewöhnlich humorvoll oder komisch Erzähler und Autorenschaft in Frage stellen. Horváth installiert in seinem Roman, der in einem Wiener Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge situiert ist, einen über-allwissenden Erzähler, der “offiziell” 15 Jahre alt ist, aus Afrika stammt und alle Sprachen spricht, dem Weisheit, Witz und Zynismus zur Verfügung stehen, der gleichsam durch Wände geht, um von den Asylbewerbern und deren prekären Situationen sowie viele dramatische Geschichten zu erzählen.
Köhle choreographiert sicher Haupt- und Nebenschauplätze und arbeitet intensiv an den Worten und Sätzen, einzelne Satzteile tun sich mit einer Zärtlichkeit füreinander hervor, dann wieder rauschen feuerwerksartige Reden durch den Text, dessen Held – der vorgebliche Tiergeschichtenschreiber – und seine Freunde im finalen Furor von ihrer Wirklichkeit gewordenen Fiktion eingeholt werden.
Schelmenhaftes hat Millesis Reisender nicht nur, wenn er zwischen Windrädern aus der Unterwelt auftaucht. Die Stationen seines Aufbruchs mit wahrhaft ur-komischen Szenen und außergewöhnlichen Wegbegleitern, die angedeutete Verselbstständigung des Protagonisten, aber auch der stationäre Aktionismus des Autors in “Granturismo” sind der Boden für den poetologischen Mehrwert dieses vorgeblich gescheiterten Reiseromans. ( Angelika Reitzer )
- Textvorstellungen | Neuscheinungen von Horváth , Köhle , Millesi – Literarisches Quartier Alte Schmiede , 1010 Wien – Mittwoch , 27. 11. 2012 , 19 H
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KLANGAPPARAT
100 % frische Sounds aus der Manufaktur Liesl Ujvarys sind eben auf soundcloud gelandet . Wir stellen vor .
Mehr auf Liesl Ujvarys soundcloud- channel …
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