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VICKY BAUM: MENSCHEN IM MONDÄNEN LEBEN | H. C. ARTMANN: PROTHESENWESEN DER MODERNE | JEAN- HENRI FABRE: ENTOMOLOGIE ALS PASSION | KLANGAPPARAT

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VICKY BAUM: MENSCHEN IM MONDÄNEN LEBEN

In : NZZ , 1. 2. 2013

czz audio aktuell whiteczz – Elegante Posen, mondänes Flair: Das Grand Hotel, wie es die deutsche Autorin Vicky Baum (1888-1960) in ihrem 1929 erschienenen Roman “Menschen im Hotel ” prototypisch vorführte, gab dramaturgische Gelegenheit, Menschen und Schicksale auf begrenztem Raum engzuführen.

Auf der Skala der urbanen Anonymität bot der Hotelpalast das ganze Spektrum zwischen totaler Abschottung und offensiver Selbstdarstellung: eine hierarchisch stabil nach Herrschen und Dienen sortierte Welt des Luxus und der Moden.

Was noch heute trefflich bei Episoden von Fernsehserien funktioniert, figurierte Ende der “Roaring Twenties” als Inbild von Glamour und Hedonismus, nicht zuletzt aber auch als Bühne für Selbstentwürfe. Kein Wunder, dass die Theaterfassung zwischen Berlin und Broadway Furore machte und der Stoff bereits 1932 die Grundlage für Edmund Gouldings Hollywood-Verfilmung mit Greta Garbo bot.

Kurz vor der deutschen Verfilmung mit Publikumslieblingen wie O. W. Fischer und Heinz Rühmann lanciertes der SWR 1958 ein temporeich von Heinz-Günter Stamm ins Werk gesetztes Hörspiel mit den grossen Stimmen Brigitte Horneys, Paul Dahlkes und einer berückend bebenden Gisela Zoch-Westphal.

Wo der etwas forcierte Schicksalsfaden die in einem Berliner Grand Hotel zufällig anwesenden Figuren unablöslich aneinander heftet, gewährt die klangliche Szenenfolge der Imagination heitere Freiheit – und beiläufig einige instruktive Einsichten in genuin auditive Mittel der Narration.

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H. C. ARTMANN: PROTHESENWESEN DER MODERNE

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In : NZZ , 1. 2. 2013

czz audio aktuell blackczz – Mondänes Flair, elegante Posen: die Fallhöhe dessen, der sich in fashionablen Seebädern als Beau, Held und Lebemann produziert, ist beträchtlich und dies nicht nur, weil er den sportiven Aeronauten markiert. H. C. Artmanns Prosagroteske “Flieger, grüss mir die Sonne” paraphrasiert Hans Albers’ berühmtes Lied in wenig rühmlichen Sinne, indem er der totalen Demontage des heldenhaften Mannsbildes das kunstvoll gedrechselte Wort borgt.

Mit seinen mannigfaltigen Zitaten trivialer Muster nahm der Universalpoet Artmann manchen Moment von Quentin Tarantinos “Pulp Fiction” literarisch vorweg und sparte seinerseits nicht an Drastik. Hinter der Figur des feschen Fliegers René de Clavigny steckt das Mängelexemplar eines totalen Prothesenwesens, dessen kunstvolle Kaschierungen von der katastrophal- vergnüglichen Tücke des Objekts systematisch hintertrieben werden.

Mit Artmanns “Flieger” – von Erwin Steinhauer in schönstem stimmlichen Pokerface tariert – setzt der Wiener Mandelbaum-Verlag die audio- wie bibliophile Reihe seiner “Klangbücher” fort, welche im Zwischenspiel von Wort und Musik den Soundraum ausgewählter Texte sondieren.

Ob H. C. Artmann, Franz Kafka oder Henri Michaux: Stilsicher arrangiert der zwischen Jazz und Weltmusik agierende Schlagwerker Peter Rosmanith Atmosphären aus Genres und Emotionen, die er mit kleinem Ensemble höchst wirkungssicher instrumentiert: ein Fest für Sprach- und Spielwitz mit Intelligenz und Pfiff.

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JEAN- HENRI FABRE: ENTOMOLOGIE ALS PASSION

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In : NZZ , 1. 2. 2013

czz audio aktuell whiteczz – Was wäre Vladimir Nabokov ohne seine geliebten Lepidoptera, jene Schmetterlinge also, die, von dem russisch amerikanischen Autor nicht nur entdeckt, sondern auch nach Nabokov oder seinen Romanfiguren benannt worden sind? – Ähnlich fruchtbar fasste der französische Insektenforscher Jean-Henri Fabre (1823-1915) eine Fülle von Mikrobeobachtungen zu behutsamen “Souvenirs Entomologiques “, wobei der Naturwissenschafter im Jahr 1912 für den Literaturnobelpreis nominiert wurde.

Wenn Jean-Henri Fabre die Grabewerkzeuge des Heilige Pillendrehers (Scarabaeus sacer) ins Auge fasst, beschreibt er fasziniert die Vielzahl an körpereigenen “Werkzeugen”: Als Bioniker avant la lettre regte Fabre wiederholt an, den Formenreichtum der Insekten, bei der Entwicklung neuer Werkzeuge für Menschengebrauch zu Rate zu ziehen.

Zahllos sind die Manöver zur Vorbereitung einer Dungkugel, am welche die Weibchen ihre Eier legen, um den Larven-Nachwuchs hinreichend zu alimentieren. Das Manövrieren mit der vergleichsweise riesigen Kotkugel lässt sich getrost mit den Mühen des Sisyphos vergleichen, es sei denn, ein kräftigerer Dieb knöpft den Unterlegenen die Dungkugel einfach ab.

Da Käfer – im Unterschied zu Schmetterlingen – über eine Fülle von “Instrumenten” verfügen, setzt die feinsinnige Edition auf elektroakustische Mittel, um die vielfältigsten Geräusche des Schnarrens und Zirpens abseits naturalistischer Illustration zu evozieren: Mit Gert Heidereich als Sprecher und Robert Rehnik an den Reglern ist hier ein mikroskopisches Gesamtkunstwerk zu bestaunen.

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KLANGAPPARAT

Ganz knusprig aus der Brennerei erscheint dieser Tage die neue Release czz hörempfehlungdes E- Trios Brandt Brauer Frick : Nachdem wir in|ad|ae|qu|at ausführlich das nette Blue- Box- Video “Bop” vorgestellt haben sowie die detailliert dokumentierte Release “You make me real” ( 2011 ) , freuen wir uns , dass die neue “Miami ” solchen Erwartungen graziös entgegenkommt .

brandt bauer frickWie bisher tarieren Daniel Brandt , Jan Brauer und Paul Frick ihr minimalistisches Spiel haarscharf in der Grenzzone zwischen dem , was man vielleicht als “neue Musik” bezeichnen könnte und dem Biotop elektronischer Gefälligkeit , wie sie typisch ist für das namhafte Label !K7 – also dem Label der “DJ- Kicks” , von Kruder & Dorfmeister oder Cobblestone Jazz . Ein bisschen Eazy Listening , ein bisschen akustisches Schöner Wohnen und ein bisschen Bildungswissen zu Seriellen Konzepten von John Cage oder Steve Reich : ein paar Krümel intelligenter musikalischer Wellness sollte da schon in die Tüte dürfen .

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