Literatur @ in|ad|ae|qu|at : Der SALON LITTÉRAIRE als www- Galerie für Bild und Text
Salon Littéraire | Dieter Sperl :
Hanging around to die
packages of life perceptions attractions hanging around up to this very moment smoking one cigarette after the other suddenly I hear you saying as if we would live backstage not knowing that there is a main stage somewhere outside or inside or wherever there is no fiction life in real life I answer so hug your story as if you would hug a good old friend I say & let him go let him finally go all my compassion to this song all my compassion to this song hear your laughing & crying up to this very moment fucking lifted off idiot you say -
Kurz nach Mitternacht, als ich die Stimme des TV-Schnüfflers Jack Taylor hörte, erwachte ich, mich seltsamerweise plötzlich in den 60er Jahren wähnend, aus einem Traum. Townes van Zandt’s Song Waiting Around To Die fiel mir ein. Bilder kamen als Stimmungen verkleidet um die Ecke gehechelt. Mit gelassener Klarheit wurde Whisky in einen Plastickbecher gefüllt. Mila Jovovich hatte mir eben zugewunken. Sie war neben einem Bonzen auf einer leeren Stadiontribühne gesessen und kam mir nun durch eine Art von Schlauch aus Glas entgegen. Wir wechselten flüsternd und die Köpfe zusammensteckend ein paar Worte, und ich freute mich. Nein, in Wahrheit war ich riesig stolz! Eine so attraktive Frau wie Mila Jovovich hatte ausgerechnet mir zugewunken und war anschließend auf mich zugeeilt. Zugleich musste jemand zugegen gewesen sein, wie sonst wäre das Gefühl des Stolzes überhaupt aufgekommen? Ich wollte, dass sie mich anrief. Sie lächelte, küsste mich auf den Mund und versprach es. Denn sie musste zurück. Auf die Tribühne. Sie mussten dort zu zweit sitzen. Die Frau. Und der Bonze. Allein in einem Stadion. Es regnete leicht.
In meinem wirklichen Leben watete ich längst schon durch Erschöpfungen wie durch morastige Bilder-Landschaften. Es war extrem anstrengend geworden, mich überhaupt noch zu bewegen, obwohl ich ständig zu tun hatte. Und dabei redete ich auch noch ununterbrochen. Außerdem hatte ich niemals das Gefühl, irgendetwas davon wäre wichtig oder gar notwendig zu erzählen gewesen. Oftmals erwachte ich schweißgebadet aus den absurdesten und schönsten Träumen. Sogar mitten am Tag! Wo ich doch eben noch vor mich hin fantasiert hatte. Das aber wollte ich überhaupt nicht mehr. Meinte, da schon längst durch gewesen zu sein. Nun fing das Ganze also wieder von vorne an? Als ob ich zurückggebeamt worden wäre. Transformiert zu einer Art Rumpelstilzchen. Diese extreme Ausdehnung von Empfindungen war grauenhaft. Oder handelte es sich dabei in Wahrheit um Formen von Erkenntnissen? Erschöpft. Ausgebrannt. Worthülsen rannen durch mich wie Wodkamolekühle.
Als ich unlängst einen Autor traf, der mir erzählte, er würde seit einiger Zeit nicht mal mehr eine Flasche Bier pro Tag schaffen, geschweige denn eine Zigarette rauchen können. Es ginge sich für ihn nicht mehr aus. Ginge sich für seinen Körper und seinen Geist nicht mehr aus. Da dachte ich, auch ich hatte mehr als zwei lang Jahre nichts getrunken und auch nicht geraucht, aber es war niemandem aufgefallen. Obwohl ich davor, um in meinem Bekanntenkreis Eindruck zu schinden, wie ein Verrückter geraucht und getrunken hatte. Jetzt erzählten mir so viele Leute davon. Dass sie nicht rauchten und nicht tranken. Ganze Horden kamen mir entgegen. Was war davon zu halten? Dass wir insgesamt älter geworden sein mussten? Angst bekamen. Vor unserer Hinfälligkeit. Der Hilflosgkeit. Verwüsteter Lungenlappen hier, zerfledderte Leber dort. Ganze Jahre in Regen getaucht. Aufmerksamkeit in Müllberge verstreut.
Das Video ging mir langsam aus dem Kopf, war es als Hinweis gedacht? Notiert auf eine alte mehrfach gefaltete Zeitung. Mitten in der Nacht. Von dem finnisch-wienerischen Rockmusiker und Poeten Thomas A. J. Ratia, dessen paneuropäische Band Willam S. Burroughs Hurts mir wohl ein Begriff war. Trinken und Wildheit waren möglicherweise durch mich hindurch wiedergeboren worden. Konnte das sein? Meinte er das, als er auf die Zeitung den Namen Townes van Zandt notierte? Oder sah er den Song in meinen Augen Hanging Around To Die? Ich verwies auf die endlosen Selbsterzählungen hinter den Bergen, Schneeverwehungen, sagte ich, eigentlich Liebe, so weit man sehen konnte, dabei musste es sich um unsere Kraft handeln, sie anzunehmen und auszudehnen.
Und weil wir gerade knapp vor Weihnachten sind: Das nämlich ist Weihnachten! Diese unendliche Ausdehnung von Liebe. Meistens sind wir ja schon mit einem einzigen Menschen oder einer einzigen Familie völlig überfordert. Wenn wir es zulassen, zerreißt es uns fast das Herz. Die Liebe, meine ich. Schon eine einzige! An einem Tresen stehend, schnippte Jack Taylor mit Daumen und Mittelfinger der rechten Hand, und zwei Jahre meines Lebens waren wie weggeblasen. Ohne dass ich mir auch nur irgendetwas hätte bewahren können. Ich tauchte erneut auf. Ich? Dabei wollte ich immer jemand anders sein! Nie der, der ich gerade war. Und auch nie der, den ich gegenwärtig anvisierte. Wie also konnte ich ich sein, wenn bloß Sprach-Partikel im endlosen Meer an Selbsterzählungen durch Finger rannen? All die vielen Geschichten, die kursieren, blieben bloß unsere Hirngespinnste, dachte ich. Und jetzt? Ich musste in meine Träume zurückkehren. Von dort erhoffte ich mir Anerkennung und Unterweisung.
Am Morgen des nächsten Tages empfahl mir das Internet Videoportal You Tube You Are What Happens To You. Ausführungen von Allan Watts. Eastern Philosophy for Western Audience. Ich setzte die Reise also fort, folgerte ich. Den Blick aus dem Fenster gerichtet. Die Mitreisenden inständig schwatzend. Über den Feldern hingen gedrungene Wolken. Ausgewanderte Kraniche hielten ihre Münder offen. Oder nahmen sie zu voll. Elendes Gebrabbel, dachte ich. Als ich die Frau, die mir gegenüber am Fenster des blühenden Wintertages saß, anstarrte, sagte Alan Watts: Oben und unten sind eins. Wir können das eine ja nur durch das andere verstehen. Wer hätte das nicht gewusst! Wem aber hatte es geholfen? Solche Gedanken bestätigen doch nur unsere Argumente. Im Nachhinein ist uns allen alles klar. Wie allen anderen auch. “Das Leben, ein Hindernislauf”, sagte die Frau im offenen Mantel mehr zu sich selbst denn zu mir, als ob sie meine Gedanken erraten hätte. “Nein, wohl eher ein Hinweislauf“, antwortete ich süffisant. Da musste sie lächeln.
“Interessanter Gedanke. Falls Sie das so gemeint haben?”
Ich überlegte nicht lange. Nickte bloß. Ich war der Schnüffler, der Lebensschnüffler, hatte Witterung aufgenommen. Nun war es mir vollends klar: Ich wollte die finale Antwort. Für mein Leben. In jedem Moment.
|||
Dieter Sperl ( Bio – Bibliographie )
Bisher auf in|ad|ae|qu|at ( u. a. ) :
- DIARY SAMPLES I – VIII
- Postkarte 01
- Postkarte 02
- Postkarte 03
- Postkarte 04
- Postkarte 05
- Video : Driving Statement , 07:49 , 2013
|||
…ein wodkaklares “Ja”! – tnx – der “Sir”