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CHRISTIAN BRÜCKNER : GEISTES- GEGENWART

ED : NZZ , 7. 3. 2014

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czz audio aktuell whiteczz – Noch war der Nobelpreis für Literatur nicht an Alice Munro ausgehändigt, als bereits am Vortag der Zeremonie die Hörbuchfassung des rezenten Erzählbandes “Liebes Leben” (“Dear Live”, 2012) erschien. Eingespielt mit den kongenialen Stimmen Christian Brückners und Sophie Rois’, kommt die absichtsvolle Kleinbild-Technik Alice Munros zu eindrücklicher Wirkung.

Als Musterbeispiele für das Genre der “short story” lässt Munro ihre Erzählungen meist offenen Endes, wodurch sie die Beunruhigung des Erzählanlasses nicht zu Gunsten einer behaupteten neuen Ordnung befriedet. Nachdem Munros meisterliche Narrativik sich in Szenen, Figuren und Konstellationen “hineinzoomt”, weitet sie gegen Ende ihrer Texte meist den Blick, das Panorama grösserer Zusammenhänge entfaltend und das Erzählte in Richtung des Allegorischen hin öffnend. Führen die Erzählungen der Kanadierin topografisch, historisch und sozial in die “Provinz des Menschen”, kartografiert Goethes grosser Roman “Die Wahlverwandtschaften” (1809) das Terrain der Ehe just in der Übergangszeit zwischen feudalen und bürgerlichen Verhältnissen.

Als Vorleser stemmt Christian Brückner den bis heute aufregenden Text mit Grazie und schlafwandlerischem Gespür für Rhythmus und Takt. Goethes kalkuliertes Szenario der illegitimen Leidenschaften hält dem Durchbruch der romantischen Liebe ein Ethos der Ehe entgegen und dem subjektiven Wildwuchs von allerlei Gefühlsdusel eine institutionalisierte Sittlichkeit, welche den oder die Einzelnen vor tendenziell (selbst-)zerstörerischen Wallungen bewahrt.

Die traurige Tatsache, dass nur die Hälfte der Protagonisten das Planspiel überlebt, lässt allerdings skeptisch aufhorchen und durchbricht das Thesenhafte dieses Jahrhundertbuchs. Womit – und darin der diskreten Erzählerin Alice Munro ähnlich – die Wunde offen bleibt jenseits konfektionierter moralischer Arznei. Wohl die Literatur, die solche Vorleser hat.

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ÉMILE ZOLA : AKTUELLES AKTIENFIEBER

NZZ , 7. 3. 2014

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czz audio aktuell blackczz – Als fieberkurvend furiose Frenesie konzipierte Émile Zola 1891 seinen Börsen-Roman “Das Geld“. Die Handlung, die der Autor in die Zeit 1864 bis 1869 situiert, könnte heute kaum aktueller gestaltet werden. Die Haussen und Baissen der Börse reagieren sensibel auf aktuelle Ereignisse wie den Bau des Suezkanals, die Schlachten von Custozza und Königgrätz und nicht zuletzt: die spektakuläre Pariser Weltausstellung 1867.

Mit Aristide Saccard schickt Zola einen der Faszination des Geldes völlig verfallenen Protagonisten in die Arena der Täuschungen und Enttäuschungen. Mit Passion betreibt Saccard die Gründung einer als Aktiengesellschaft angelegten “Banque Universelle”, mit welcher er nichts Geringeres beabsichtigt als “Paris zu beherrschen” und die Konkurrenten in den Staub zu treten. Einmal mehr entfaltet Zola auch in diesem Roman einen Bilderbogen unterschiedlicher sozialer Schichten, die als Grosskäufer oder Kleinaktionäre ihre letzten Sous in Saccards Bank anlegen. Die katastrophale Baisse, in welche die “Banque Universelle” nach einem giftigen Hoch unvermittelt stürzt, reisst Gross- und Kleinanleger mit in den Abgrund.

Christiane Ohaus, die den Roman als Hörspiel eingerichtet hat, modelliert effektvoll die Brisanz des Sujets indem sie Zola wie einen Döblin inszeniert: Dicht auf dicht knattern Zeitungs-Schlagzeilen. Das Sperrfeuer von Morse-Codes elektrisiert. Die Kakophonie der Stimmen mit ihren Geboten lasst die Börse des 2. Kaiserreichs wie die heutige Stock Exchange von New York klingen. Die musikalischen Muster, mit welchen der Komponist Michael Riessler das Hörspiel durchdringt, besteht aus minimalistischen Patterns, deren obstinate Wiederkehr das Geschehen manisch takten.

  • Émile Zola: Das Geld. Hörspiel, 2 CD (160 Min.), Radio Bremen / Osterwold Audio 2014

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