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Salon Littéraire : Literatur als Video |
Dieter Sperl und Michael Fischer : [ improvisation & kommentar ]
Foto © Georg Teuermann
Im Rahmen des bei Radio Orange fortdauernden Projekts connex : context haben sie bereits mehrfach zusammengearbeitet : Die Improvisationen , welche Dieter Sperls stimmliche Verlautung von Texten und Michael Fischers soundscapes in einer Live- Situation engführen , sind dazu angetan , die Ohren zu öffnen und das Ungewisse , Unabweisliche und Unmittelbare nicht a priori auszuschliessen .
Buchstäblich Einblick in die Praxis der Aufeiander- Reagierens von Text- Stimme und Feedback_Saxophon gewährt ein knapp halbstündiges Video , welches einen Auftritt des Duos im März d. J. dokumentiert : Unüberseh- und unüberhörbar sind in einer solchen zeitlichenr Erstreckung Dynmiken , Dis- und Konkordanzen zwischen den Improvisierenden beobachtbar .
Hier ein Text bzw. ein erläuternder Kommentar zur mehrjährigen Zusammenarbeit von Sperl und Fischer – unter besonderer Bezugnahme auf die im Video dokumentierte Aufführung .
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IMPROVISATIONEN ; INSPIRATIONEN
Seit einigen Jahren erkunden der Saxophonist und Instant Composer Michael Fischer, Gründer und Leiter des Vienna Improvisers Orchestra, und der Autor und Sprach-Performer Dieter Sperl gemeinsam poetisch-musikalische Hörräume in einem frei improvisierten Wechselspiel aus Text, Sound und Noise.
Wobei die von Michael Fischer erzeugten Soundscapes durch das spezielle Setup – 3 CD-Player + CDs + Mischpult + Live Mixing – zustande kommen, während der Autor zuletzt auf Samples aus seinem Buch Von hier aus, Diary Samples zurückgriff. [ Siehe übrigens auch “Diary Samples” I – VIII im Salon Littéraire .]
Die darin operierenden Bewusstseins- und Traumprotokolle organisieren sich, wie es der Lektor und Germanist Paul Pechmann formulierte,
herausgelöst aus der Ordnung datierter Journaleinträge im Eigensinn der in ihnen wirksamen poetischen Kräfte, was auch heißt: nach Kompositionsprinzipien, die jegliche Form gängiger Hierarchisierung überschreiten. Eine durch Aphorismen, Ideen, Maximen, Kurzerzählungen und Gedankensplitter vagabundierende Lektüre vermag überraschende Synergien zwischen dem scheinbar Unvereinbaren herzustellen und den ‘Geist beweglicher zu machen, um die Flugbahnen der eigenen Existenz variieren zu können‘” ( Sperl ) .
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SYNERGETISCH , SYNÄSTHETISCH
Der hier angesprochene synergetische Aspekt diversitärer Notationen gilt auch für die künstlerische Arbeit von Michael Fischer (und in seiner Verdopplung natürlich auch für die gemeinsame Performance), denn auch Fischer lässt – musikalisch gesehen – die verschiedensten “Aphorismen, Ideen oder Kürzesterzählungen” als Samples – herausgelöst aus ihren je spezifischen Ordnungen – neue Kräfte entwickeln, indem sie sich mit anderen zusammentun, einander befragen, Kontraste erzeugen, diffundieren… – und sich so dem Moment mit dem darin operierenden poetischen Potential völlig hingeben.
Seit mehr als 15 Jahren arbeitet Michael Fischer im Bereich Improvisierte Musik/Noise/Radiokunst an der Sprachimmanenz von Klängen, sowie seit 1999 zum elektroakustischen Phänomen feedback. Als Instrumentalist (Saxophon, Violine) hat er zahlreiche Projekt-Kooperationen und Festivalauftritte in Europa, Libanon, Kanada, USA und Japan vorzuweisen, sowie instant composition conductings (Begriff M.F.) für internationale Improvisationsorchester/Chor (u.a. für Wien Modern). Zudem gründete Fischer 2005 das Vienna Improvisers Orchestra mit Schwerpunktkooperationen experimentelle Lyrik.
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TEXT- & SOUND- GENERATOREN
Im MuTH-Atelier (im Rahmen der von Alexander Peer konzipierten Reihe Wort und Ton) versuchten die beiden erstmals ein Zusammenspiel zwischen dem von Fischer entwickelten Feedback_Saxophon und den lyrisch-philosophischen Sprachpartikeln, welche Sperl seiner Textgenerierungsmaschine wenn die landschaft aufhört (http://www.hls-software.at/frame_sperl_en.html) entnahm.
Das von Fischer entwickelte Feedback_Saxophon ist ein ausschließlich analoges Instrument. Es kommen keine Effektgeräte oder Software/Computer zum Einsatz: ein Mikrophon im Saxophon in Verbindung mit einem Lautsprecher nahe dem Instrument wirkt als Tongenerator, der mittels der Bewegung der Klappen des Instruments und der Stimme des Musikers, die durch das Instrument klingt, moduliert wird.
Auf Basis von Resonanz und Obertonreihe entstehen so vielschichtige Klang/Geräuschskulpturen. Entlang (erarbeiteter / zu erarbeitender) Materialschöpfung, -ordnung und -bearbeitung wird ein Netz von Bedeutungszusammenhängen zu Sprache und Klang hergestellt, Konvergenzen und Divergenzen im Raum im Zeitfluss hör-, erfahrbar.
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RE- RE- RE- KONTEXTE
Bei Sperl wiederum setzt sich die Anwendung seiner Textgenerierungsmaschine aus 45 interpunktionslosen, miteinander in jeder beliebigen Folge kombinierbaren Textsequenzen zusammen. Diese Text-Samples, die verschiedenen Sprachfeldern zuzuordnen sind, werden durch einen Zufallsgenerator in stets anderer Reihenfolge zu immer neuen Fließtexten zusammengefügt.
Das solcherart erzeugte Wuchern, Sich-gegenseitig-Anstecken von semantisch-syntaktischen Konstellationen ist Teil einer solchen Konzeption: Texte, die sich verbreiten, aber man kann ihre Richtung nicht ausmachen.
So generiert Sperl ständig poetische Bilder, Gedanken, Szenen, wiederholt sie, lässt sie irgendwo liegen, greift sie wieder auf, reißt sie ab oder lässt sie im Mundraum oszillieren: Paradoxa, Gemeinplätze, Sprichwörter, Redewendungen und Alltagsweisheiten befinden sich in ihrem Aktionsradius stets zwischen Konstruktion und Dekonstruktion, wo das Jetzt seine ganze Kraft entfaltet, blitzen momentlang auf, um im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden zu sein, als hätte es sie nie gegeben…
Michael Fischer :
Eine mäandernde Reflektions- und Kreationsinstanz, vom Innersten zum Äußersten, vom Äußersten zum Innersten … im Dazwischen das Sein des zum Ausdruck gebrachten, in permanenter Verwandlung seiner Erscheinung… ; ein Wahrscheinlichkeitsfeld gebildet aus der Sprachmetaphorik der Textur des Klanges/Geräusches und der klanglichen Textur von Sprache.
Dieter Sperl :
Wenn wir zusammenspielen, sitze ich einfach da und schaue, was passiert. Ich nehme mir nichts vor und lasse alles geschehen.
[ Texte und Statements für in|ad|ae|qu|at zusammengetragen von Dieter Sperl , April 2014 ]
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VIDEO
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Dieter Sperl ( bio- biblio- film- und audiografie )
Diary Samples @ in|ad|ae|qu|at :
- DIARY SAMPLES
- DIARY SAMPLES II
- DIARY SAMPLES III
- DIARY SANPLES IV
- DIARY SAMPLES V
- DIARY SAMPLES VI
- DIARY SAMPLES VII
- DIARY SAMPLES VIII
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Zu leise und: Ach, das Klackern kommt von den Tasten(0:30)
Eine Emulsion, keine Lösung. Viel Äußertes innenohrwärts, auf dem Feld viel Scheinlichkeit wahr. (9:57)
War das jetzt Klimax? (12:38)
Blick auf die Zuhörer, die verschränkten Beine und Arme und der Gedanke an Lebenszeit, die man in solchen Räumen und Umständen zubringt, freiwillig. (gelegentlich)
[Jetzt kreischen Möwen]
Wiederholung ist Abseitsstellung einer Prosodie auf den Steilpass eines Gedankens hin. Jegliches Zunehmen der Melodik des Instrumentariums lässt das Gelesene zu Kies auseinander fallen zu Kies auseinander …
(19:53): In ihren Wohnzimmern würden jeder der Leute im Raum aufstehen und der Quelle des Störgeräuschs auszuschalten trachten.
(22:31): Übernahme.
(23:05): Jetzt schalte ich ab, “kreaktiv”.
(23:59)Vollzug.
Abschicken des Kommentars.
“Wiederholung ist Abseitsstellung einer Prosodie auf den Steilpass eines Gedankens hin.”- was für ein satz! –
im übrigen betrachten wir eine solche freie inprovisation zunächst als geschmacksache , im weiteren als lektion für das ohr .
wenn Sie zugeben , dass in diesem fall eine “emulsion” entstanden sei
( und nicht etwa eine ausfällung ), klingt das doch im grunde recht positiv -
ja, positiv, durchaus. :) Wenngleich sich meine spontan unterm Zuhören und relativ zeitgleich notierten Anmerkungen nicht auf das Ganze beziehen, da ich kurz vor Schluss abbrach. Emulsion ist jedoch kritisch gemeint, da beides sich trotz aller Gleichzeitigkeit (mir) nicht einte oder gar “symbionierte”, sondern getrennt voneinander stattfand, selbst im Kleinsten sich fremd blieb, wie Öl- und Wassertröpfchen. Hätte ich im Auditorium gesessen, hätte ich gefragt, wie oft der eine dem anderen zugehört hat bzw. ob und wie oft es geprobt wurde.
Da ich mich in der Vertonung von Lyrik versuche, finde ich mich damit konfrontiert, dass selbst Dinge, die miteinander (gut/harmonisch) klingen,sich zwar auf einander beziehen mögen, nicht unbedingt aus einander entstehen. Das mit Zeit zum Ausprobieren und Nachdenken.
Daraus zu schließen, dass nur das spontane Aufeinandertreffen authentische Ergebnisse liefere, weigere ich mich. :)
gerne schliessen wir uns in|ad|ae|qu|at Ihrer ansicht an , dass zwei in einem ( bühnen- ) raum zusammengesperrte musiker / autoren / schauspieler NICHT automatisch eine gelungene improvisation erzeugen . nehmen Sie den jazz als beispiel : da gibt es musiker , welche – in wissen um klangfarben und performance ihrer mit- spieler -improvisierend ins offene spielen , um dann aber wieder ins thema zurückzukehren ( Coltrane ) . geradezu das gegenteil geschieht in einem von den futuristen über die beats und die revolutionäre der 70er , die im grunde eigendlich nicht mit , sondern praktisch gegen die mitspieler improvisieren .
diese “befreiung” dürfte inzwischen allerdings schon einigermassen gegessen sein -
Ich versuche nun, aus obiger Re herauszulesen, was ich wohl gemeint haben könnte.
Was ich nicht zum Ausdruck bringen wollte, was ich jedoch zustimme, ist: Sicherlich ist eine gelungene Improvisation möglich. Bezogen auf das vorangestellte Video und beschränkt auf mein Wahrnehmen sind es hier zwei (!) Improvisationen.
Was ich, da ich las, bevor ich das Video ansah, erwartet, war jedoch eher eine, eine gemeinsame, da vorangestellt bzw. nachgesagt wurde:
“…
vagabundierende Lektüre vermag überraschende Synergien zwischen dem scheinbar Unvereinbaren herzustellen
…”
“…
SYNERGETISCH , SYNÄSTHETISCH
…”
Synergie? Ja, wenn man wohlwollend Sinn sucht. Eigentlich müsste dann Synergie sein, wenn sich die Stimme hebt, wenn ein Auto vorüberfährt. Da sträube ich mich. Nach-sich-Ziehen ist etwas anderes als Fördern.
Und Synästhesie ist, meine ich, hier an einem sehr dünnen Haar herbeigezogen.
Ein zunächst nachdenkliches, im weiteren Verlauf der Befasse jedoch überzeugte Ja jedoch zur Erläuterung, dass eine gelungene Improvisation sich durchaus aus dem Gegeneinander ergeben kann.
Dann lag ich mit (meinem spontanen) “Emulsion” doch einigermaßen richtig. Reichlich Gegen im Einander “zweier Zusammengesperrter”.
Dann ist mein Kommentar oben eine weitere Improvisation.
Ein weiteres Gegen-Teil eines sich nicht wirklich aus (eher: in) sich selbst erschöpfenden Ganzen.
Also: Nichts weiter als das alltägliche Gewusel auf Erden, dessen Ganzes sich darin erschöpft, dass es zeitgleich in immer weiter greifender (und sich in Ferne erschöpfender) Nähe stattfindet und tatsächlich der Stimme vergleichbar, deren Lautstärke für einen Moment durch ein vorüberfahrendes Auto bedingt wird.
Danke schön für die Anregung zum Nachdenken!
“…
ein Wahrscheinlichkeitsfeld gebildet aus
…”
Alles klar: Amorphium. Intraohral. Vor und Sehleuten.
ich muss mich entschuldigen für einen entscheidenden fehler im kommentar zu “improvisation” :
hier der satz , in welchem das – jetzt eingefügte – wörtchen “nicht” natürlich eine umkehrung der ganzen aussage nach sich zieht ; also heisst es korrekt “gerne schliessen wir uns in|ad|ae|qu|at Ihrer ansicht an , dass zwei in einem ( bühnen- ) raum zusammengesperrte musiker / autoren / schauspieler NICHT automatisch eine gelungene improvisation erzeugen” . darüber hinaus sind modewörter wie “SYNERGIE” ( das lautlich die “SYNÄSTHESIE” mitschleift ) überhaupt verdächtig .
allerdings darf man in einem literaturbetrieb , wo die antragsprosa und kühne selbstdarstellungen // kuzum : “reklame” & “eigenwerbung” // leicht in die übertreibung rutschen , manche äusserung nicht auf die apothekerwaage legen .
wenn dieses WORDING wie von Ihnen angesprochen zu weiter reichenden auseiandersetzung mit werk , intentionslyrik und schlagwort- inflation führt , dann wäre dies schon an und für sich eine “raison d’être” …
Ludwig Janssen hat’s ja gut getroffen: eine Emulsion, keine Lösung – obwohl er das doch eher kritisch gemeint haben wird. Wenn es eine Lösung wäre, dann müsste das eine Medium das andere auflösen, aber so ist es hier nicht, die “Moleküle” bestehen nebeneinander weiter.
Dieter Sperl macht das Mit-Improvisieren sehr gut – es ist nicht leicht, ohne Melodie oder Instrument den (so wichtigen) musikalischen Rhythmus zu erzeugen, aber man bekommt hier das Gefühl, die Stimme wäre eine Art Schlaginstrument. Die Konsonanten (vor allem die S-Laute) passen gut zum Feedback und zum Klicken der Saxophon-Tasten.