Und nun schon wieder Latein. Dass etwas schön und edel tönt, so lange keine Gefahr besteht, das Gesagte ins Leben zu tragen, erweist sich am Zweiten Gedicht aus den Epoden des Dichters Quintus Horatius Flaccus (65 bis 8 v. Chr.).
Ausgerechnet einem Geldverleiher legt Horaz die Absage an Markt und Handel, Forum und Politik, Reichtum und Luxus in den Mund. Speziell die Entfernung vom Tagesgeschäft – “procul negotiis” – wird eine Karriere als Sprichwort im gehobenen Kreisen antreten: und zwar als Lob genüg- und einsamen Landlebens.
Dass der Redner, kaum mit seinem Sermon zu Ende, nichts Eiligeres zu tun hat, als auf seinen Stadt-Schacher-Platz zurückzukehren, dürfte dem zitierten Diktum jedenfalls nicht geschadet haben:
“Beatus ille, qui procul negotiis,
ut prisca gens mortalium,
paterna rura bobus exercet suis,
solutus omni faenore;
Neque excitatur classico miles truci
neque horret iratum mare”.
“Glücklich der Mann, der fern von Geschäften,
wie einst das Menschengeschlecht,
die väterliche Scholle mit seinen Ochsen pflügt,
frei von Schuldenlast;
weder wird er als Soldat vom wilden Signal aufgescheucht
noch vom grollenden Meer verängstigt;”
Nicht genug damit, reichert Horaz das Bild von stiller Eintracht und moralischer Grösse an mit der Forderung nach Verzicht auf Politik, Macht, Einfluss:
“forumque vitat et superba civium
potentiorum limina.”
Also er “meidet das Forum und die stolzen Paläste / der Mächtigen“.
Was Horaz hier in ruraler Verkleidung insinuiert, ist die Notwendigkeit, dem Schreiben nicht nur Ruhe, Raum und Musse angedeihen zu lassen.
Sondern eben auch Unabhängigkeit zu erlangen: Unabhängigkeit im Hinblick auf die Gebote des Marktes. Unabhängigkeit von der (Kunst- und Verlags-) Politik. Unabhängigkeit schliesslich vom “Betrieb”, dessen informelles Regelwerk den Künstler in die fetten Paläste von Geld | Ehre | Ruhm einzuführen vorgibt.
So schön. So theoretisch. So gut. So unabhängig. Das wäre man gern. Das trifft vielleicht auf ein paar Momente zu. Momente der Selbstvergessenheit. Momente der Gelassenheit. Momente voller Konzentration auf das zu Lesende. Momente der Konzentration im Schreiben.
Natürlich spricht Horaz diese ironische Utopie mit gespaltener Zunge: Nichts Eiligeres steht an, als den sentimentalen Banker flugs wieder in die Metropole zu expedieren.
Gerade Horaz musste es ja wissen, wie es in den Salons das Hauptstadt zuging. Wie es bestellt war um Geld und Ehren für Künstler. Um ästhetische Unabhängigkeit. Und brauchen aber doch auch Schreibende zum Schreiben – wie der Wiener sagt – “ein Geld”. Woher stehlen, wenn nicht nehmen. Weil es zu nehmen wenig gibt.
Die Tagespresse reduziert laufend die Honorare. Immerhin überlebt das Ehrenwerte in deren Wortlaut. Texte in Anthologien bringen finanziell ebenso wenig wie akademische Schriften. Literarische Journale geben mit etwas Glück ein paar Eulen. Grosses Glück, darf man die besprochenen Bücher immerhin behalten. Nicht einmal dies ist bei manchem Auftraggeber garantiert. Auftritt, Vortrag, Moderation: Landläufig Hungertuch.
Aber egal: Immerhin füttern wir uns mit Prinzipien. Löffelfertig und schön püriert aus dem Gläschen. Kleckern hilft. Dann haben zumindest etwas davon die Raum- und Zeitgenossen. Die sicherlich beeindruckt sind.
Aber was, fragen wir, und erkundigen uns pathetisch: Was täten wir, wären da nicht die Illusionen das Schreiben betreffend ? Was hielte uns dabei wenn nicht gar überhaupt am Leben ?
Kein Wunder, wenn man da nicht auf den berühmten grünen Zweig gelangt.
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Update: “Honorare” im Feuilleton – Wahrnehmungen von Nick Lüthi @ medienwoche.ch, 30. 9. 2014
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