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Leseprobe: Andrea Drumbl - Die Vogelfreiheit unter einer zweiten Sonne, weil die erste scheint so schön

Das Schutzengelmein


Denn es gibt Tage, jene dünnen Tage mit diesem rot-weiß-roten Licht darin und diesen Blitzzungenspitzen am trüben Himmel, Tage mit zu viel Regen in der Luft und diesen lichtschimmernden Spiegelungen auf nassem Kopfsteinplaster, Tage wie ausgespuckt und weggespült - und mit der kleinen Stille dann, am anderen Ende ist sie hell, so hell von Sonne. Sonnenhell.
   Aber die Fliegen in den trüben Pfützen, diese zarten Körperchen in platten Lacken, sie sind so grau im Morgengrauen, wie sie sich darin winden, wie sie ruckeln und zuckeln und dann nur mehr zusammenbrechen, das glatte Wasser in den platten Lacken nicht mehr zerstaken durch ihr letztes heftiges Lebenwollen und die Kinder ihre fiebrigen Pupillen im Wasser sehen können, wenn sie nur nah genug rangehen, die toten Fliegen in einem Wassersarg aus toten Blütenblättern über das stille Wasser treiben lassen und insgeheim ein Schutzengelmein zum weinend vom Himmel herabgestürzten Schutzengel mit den stumpfen Flügelresten auf seinen Schulterblättern sprechen, ja, Mörderisches besprechen.


Erster Teil
(September)

Wo sind bloß die Tage hin,
als alles noch so sanft und jung und federleicht,
das Leben selbst so hell gebacken
und von der Sonne heiß,
man hintenüberfallend aufgestiegen auferstiegen
in einem sommergoldenen Tanz?


Ihrer selbst

In diesem Jahr brach der Sommer alle Rekorde. Der Juni war so heiß und trocken wie noch nie zuvor. Der Himmel war immer blau, und jeden Tage stiegt aufs Neue die Sonne auf. Gleißend und heiß, wie für die Unendlichkeit, konnte sie so gänzlich in einen hineinsinken. Nach einem schweren süßen Frühling, in dem alles Gras und Grün so üppig voll aus der Saat ins Kraut geschossen war, brach die Hitzeperiode herein, die Sonne brannte vom Himmel, und eine große Mattigkeit mit einer genauso großen Erschöpfung auf den Straßen senkte sich über die ganze Stadt. Auf den Straßenrändern verdorrten die Blumen im Gras, und auf den Feldern vor der Stadt stand das Getreide dürr und halbreif. Nachts schien es in den Häusern noch heißer und schwüler zu sein, man sehnte den Regen richtig herbei.
   Den ganzen Juli über blieb der Himmel drückend blau, und die Menschen dieser Stadt zeigten sich mit in die Haut gebrannten Sonnenstichen auf den staubigen Straßen, wo die lasche Sommerlichkeit mit ihrer stumpf stehenden Hitze unerträglich lastete. Erst im August setzte der Regen ein, und es wurde schlagartig dunkler und kälter, mit einem blassen, vom Wind verwehten Himmel. Das Laub fiel von den Bäumen, und über dem Boden hing eine nebelverhangene Düsternis.
   So verging der Sommer. Die Blumen schossen weiterhin in die Höhe und in die Breite und wuchsen in Hülle und Fülle. Letzte Vögel sangen im Gebüsch, aber nicht für Günter und nicht Piotr, nicht für Susana und auch nicht für Felix. Für sie, so könnte man sagen, leuchtete der Mond wie ein fremde Sonne.

Draußen dunkelte es jetzt, dunkler, immer dunkler wurde es und kalt, und im Lampenlichterschein riess es das Laub vom Baum, und die Blumen hingen traurig welk mit ihren Köpfen im ausgehungerten Gras. Der ganze Tag war voll von durch die Lüfte wehenden, schwebenden, von durch die Lüfte fallenden Blättern.
   In diesem Jahr fielen die ersten Herbstnebel bereits im September über die Stadt und hängten sich wie eine Schaumkaskade über den Fluss. Es roch nach Fäulnis, und über dem Wasser tief unten im Graben schwirrten immer noch schwarze Insektenschwärme. Aus dem Wald mit seinen schwarzen Nadeln und grünen Zapfen kam der rasselnde Ruf eines Vogels, oben hängte sich ein Stück müder Himmel auf und unten am Boden lagen lagen die Wurzelknollen wie grausam verknöcherte Fingergelenke. Die Luft schwirrte noch vom Fliegen, dunkel dahin taumelnde Insekten mit hängenden, pendelnden Beinen, fleischig und doch so federleicht.
   Die Nächte waren warm für September und taghell vom Mond, der die meiste Zeit vom Himmel knallte und mit seinem gellgelbgrellen Licht die Straßen unter sich beschien. Es waren der Himmel, diese Nächte im September, diese letzten Feste, diese späten Feiertage.
  Aber der September zeigte sich auch als schwarzer Monat. Vier Menschen starben unabhängig voneinander innerhalb weniger Tage und im Umkreis von nur wenigen Kilometern.
   Sie starben allesamt von eigener Hand.



























































































 

 



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