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Arthur Schnitzler: Traumnovelle

Es liest: Matthias Schweighöfer
3 CDs
Spieldauer: 167 Min.
ISBN 978-3-8291-2209-2
Berlin: Deutsche Grammophon Literatur / Die Audiothek, 2008

Die Verfilmung von Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" durch Stanley Kubrick 1999 hat den Text gewissermaßen neu konfiguriert. Die Novelle kam wieder ins Gespräch, auch wenn oft nur der Film gemeint war. Das kam selbst in Rezensionen vor. Wo etwa von einem "beruflich erfolgreichen Paar" die Rede ist, kann man davon ausgehen, dass der Rezensent den Film meint, auch wenn er vom Buch spricht. Denn das Ehepaar in Schnitzlers "Traumnovelle" ist damit nicht charakterisiert. Schnitzler weist im Lauf der Geschichte immer wieder darauf hin, daß Fridolin eben kein besonders erfolgreicher Arzt und vor allem, zu seinem Leidweisen, aus Bequemlichkeit kein erfolgreicher Wissenschafter geworden ist. Wiederholt nimmt sich Fridolin vor, vielleicht doch wieder etwas mehr in die medizinische Forschung einzusteigen, und er ist nicht frei von Neidgefühlen auf andere, die er als erfolgreicher wahrnimmt. Gattin Albertine wiederum ist überhaupt nicht berufstätig; auch wenn die Novelle Ende 1925 / Anfang 1926 in der Zeitschrift "Die Dame" erschien, befinden wir uns in der Zeit vor der Berufstätigkeit der etwas besser situierten bürgerlichen Frau. Albertine ist also zu Hause, Gattin und Mutter, mit viel Zeit für Phantasien und imaginierte Ausbrüche, während ein realer Ausbruch mit einer kleinen Tochter und den damaligen Usancen für Ehescheidungen kaum eine Option darstellt. Diese Grundkonstellation prägt auch den Gang der Handlung: Die erotische Verwirrung, die auf einer Redoute beginnt, führt zu gegenseitigen Geständnissen früherer Abenteuer (Fridolin) bzw. Fantasien (Albertine) und mündet in Fridolins traumhaft verwischter aber doch erlebter Orgien-Nacht am Aschermittwoch bzw. in Albertines erotischem Befreiuungstraum inklusive der lustvollen Kreuzigung ihres Gatten. Während Fridolin bei all den verwickelten Erlebnissen und multiplen erotischen Optionen nicht ein Mal zum Zuge kommt, geht Albertine einigermaßen befreit und befriedigt aus ihrem Traumerlebnis hervor.
Mit dem jungen Matthias Schweighöfer, 1981 in Vorpommern geboren, wählte die Audiothek eine Stimme, die garantiert frei ist von jeden Anklang an die Klischees vom Wien der Jahrhundertwende. Auf die Idee, dass der Text damit zu tun haben könnte, würden uninformierte Hörer allerdings gar nicht kommen, denn man erfährt weder die Lebensdaten Schnitzlers noch einen Hinweis auf die Entstehungszeit der Novelle. Dafür prangt auf der Rückseite des CD-Covers die Information, dass es sich bei der "Traumnovelle" um "die literarische vorlage zum film 'Eyes wide shut'" handelt. Ein Booklet gibt es nicht einmal in einer wie immer geartete Schwundstufe dieser Hörerinformation. Ästhetisch setzt das Cover auf die schöne Maske (mit einem Kurzzitat aus dem Text) und hübschen Farbabtönungen der drei CDs: von bleu morant über nachtblau zu nachtschwarz, könnte man sagen.

Die stramm deutsche und sehr jugendliche Stimme Matthias Schweighöfers allerdings tut der Novelle durchaus gut, sie wirkt in diesem Durchlauf von höchster Geschwindigkeit und absoluter Texttreue - es gibt, abgesehen von minimalen Verlesern, keine Kürzungen - wie neu durchgelüftet. Dass einige preussische Eigenheiten wie die SCHirurgie, der BalkONG, die (P)Flicht oder der (P)Fad zu hören sind, nimmt man da gerne in Kauf, genauso wie den FI/aker oder das ÜBER/siedeln. Gerade diese fremden Töne schaffen auch Distanz und erhöhen die Aufmerksamkeit - wiewohl das rasante Tempo Hörer, die den Text nicht kennen, mitunter auch überfordern mag. Trotzdem werden etwa die in der Novelle wiederholt angedeutete bisexuellen Neigungen - die schon mehr die Atmosphäre der 1920er Jahre atmen - plötzlich hörbar (Fridolins Erlebnis im Rathauspark, damals Homosexuellen-Treffpunkt, oder der pathetische Ausruf der schönen Nonne an die anwesenden Masken beiderlei Geschlechts "Ihr könnt mich haben - alle" ).

Das Lesetempos Schweighöfers ist jedenfalls rekordverdächtig: Der gebürtige Wiener Peter Eschberg brauchte in der 2002 bei Patmos erschienen Hörversion immerhin 193 Minuten und Christian Brückners 2006 im Parlando Verlag erschienene Einspielung brachte es gar auf 201:24 Minuten. Das sind im übrigen nur drei der insgesamt 18 im Buchhandel erhältlichen Print- und Hörausgaben von Schnitzlers "Traumnovelle" - der Medienverbund Buch und Verfilmung hat sich also absolut bewährt. Da muss man einfach hinnehmen, dass die einzige Hörer-Information auf der Cover-Rückseite lautet: "Ein Klassiker der Weltliteratur von Stanley Kubrik als 'Eyes Wide Shut' mit Tom Cruise und Nicole Kidman verfilmt, auf drei CDs eindringlich und ungekürzt gelesen von Matthias Schweighöfer".

Evelyne Polt-Heinzl
15. Oktober 2008

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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