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Arthur Schnitzler: Amerika / Der Sohn / Die Fremde - Eine Novelle / Halbzwei - Ein Dialog

Gelesen von Vilma Degischer und Heinrich Schnitzler
Aufgenommen im Frühjahr 1962
Mono
ISBN - Spielzeit: 66:05
Preiser Records 1999

Etwas quasi Tautologisches haftet dieser CD an. Der Sohn liest aus dem Werk des Vaters. Aber: Der Text, der den Titel "Der Sohn - Aus den Papieren eines Arztes" trägt, wird von Vilma Degischer rezitiert.

Jemand, der einen Text vorträgt, steht in einer gewissen Beziehung zu diesem. Der aufmerksame Zuhörer hört es heraus, wie sich diese Beziehung gestaltet, wie nahe der Vortragende dem Text ist oder auch wie ferne, ob er sich darin verliert oder ob er die adäquate Distanz herstellen kann. Und wenn der Sohn die Stücke des Vaters liest, was dann?

Nun, eines kann gewiss gesagt werden: Heinrich Schnitzler macht seine Sache gut, es kann hier sogar von höchster Stimmigkeit gesprochen werden, in des Wortes vielfältiger Bedeutung. Wie in der Musik ist auch beim literarischen Vortrag die Pause von großer Gestaltungskraft: mit der Pause fängt die Musik an und mit der Pause endet sie. Heinrich Schnitzler beweist Musikalität und setzt die Pausen so, dass man ihm dankbar ist für den Raum und die meditative Gelassenheit, die er damit evoziert.

Dass Amerika in Wirklichkeit eine erotische Landschaft irgendwo zwischen Ohr und Hals der Geliebten ist, können wir auch erfahren, indem wir Arthur Schnitzlers Skizze "Amerika" (geschrieben 1887, Erstveröffentlichung in der Zeitschrift "An der blauen Donau" 1889), selbst zur Hand nehmen.
Wenn wir uns jedoch diese meisterhafte Aufnahme anhören, erleben wir, was eine Stimme zu bewirken vermag: Sie trägt uns von Kontinent zu Meta-Kontinent, und ein Licht geht uns auf: Hier liest jemand, der - die Grenzen der biografischen sowie geografischen Determination sprengend - fühlt und weiß, was er liest.
Heraushören kann der konzentrierte Zuhörer auch, wie es um die ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse des Vortragenden bestellt ist. Und gerade beim ersten Stück der vorliegenden CD, "Amerika" erkennen wir Heinrich Schnitzlers wissendes Lächeln, das um seinen Mund spielt: "Das habe ich ja selbst erlebt!" klingt es zwischen den Zeilen durch - und doch wahrt er, beinahe tänzerisch, Distanz.

Es steht mir nicht zu, inhaltliche Kritik an Arthur Schnitzlers Stücken zu üben, und doch bin ich mit "Der Sohn - Aus den Papieren eines Arztes" unzufrieden: Der Kreis schließt sich nicht, das Stück ist nicht auf die Spitze getrieben und verharrt in gesellschaftlichen Konventionen: Warum stellt sich nicht heraus, dass der Sohn der armen Frau letztendlich vom Arzt selbst gezeugt wurde? Dem Stück fehlt etwas - und auch dem Vortrag: Vilma Degischer, die erste Frau in der Geschichte Österreichs, die (1959) das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erhielt und die - laut Homepage der Stadt Wien - ihre höchste Kunst im Fach der Salondame kultivierte, findet nicht so richtig in den Text hinein, schlägt einen unverbindlichen Ton an, der der Materie zunächst völlig unangemessen ist. Aber der Wind dreht sich: Im Lauf der Lesung gelingt es ihr dann doch, sich der Sozialkritik des Textes zu nähern.

Im Begleitheft der CD heißt es, bei manchen Schnitzler-Figuren hätte man den Eindruck, Schnitzler hätte sie extra für Vilma Degischer geschaffen. "Halbzwei - ein Dialog", das letzte Stück auf der CD, könnte ein triftiges Argument für diese These darstellen. Vilma Degischer und Heinrich Schnitzler liefern sich ein Wortduell, das an Ambivalenz nicht zu überbieten ist: Ein Liebespaar um halb zwei Uhr in der Früh. Der Mann will nach Hause, weil er um halb acht aufstehen muss, um zur Arbeit zu gehen - eine Tatsache à propos, die er als "Naturgesetz" zu definieren versucht. Wie die Stimmung changiert beim Abschiednehmen, wie die (Salon-)Dame die kalte Schulter zeigt und dennoch lockt, das könnte wohl kaum jemand besser lesen als Vilma Degischer. Heinrich Schnitzler übernimmt nicht nur die Rolle des Mannes, sondern auch die Regieanweisungen für die Bühne, woraus ein durchaus berührender Verfremdungseffekt resultiert.

Und nicht zuletzt: "Die Fremde". Was gibt es da zu sagen? Fin de Siècle. Fatalismus. Finis. Anhören. Die Stimme stimmt, das Timbre Heinrich Schnitzlers tut das seine.

Ein edler Zugang zu Arthur Schnitzler. Ein Zeitdokument, in mehrfacher Weise, auch in medientechnischer Hinsicht.
Die Aufnahmen, die wir hören, sind 1962 entstanden und lagen zunächst als Langspielplatte vor.
Sie wurden jetzt von Preiser Records vorzüglich auf 44,1 kHz-CD transponiert. Vilma Degischer war 1962 einundfünfzig Jahre alt, Heinrich Schnitzler sechzig und seit siebzehn Jahren wieder aus Amerika zurück.

Bei "Amerika" handelt es sich übrigens um eine Erstveröffentlichung auf Tonträger (!), da die Aufnahme damals aus Zeitgründen nicht auf Schallplatte gepresst werden konnte.

Originalbeitrag

Winfried Wessely
10. Jänner 2002

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