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Marlen Haushofer: Die Wand

Sprecherin: Julia Stemberger
Spielzeit: CD 1: 77:18 min; CD 2: 71:35 min
ISBN 3-7085-0020-2
Preiser Records 2000

Als der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels 2001 in Kooperation mit dem ORF und dem Magazin "Profil" eine Publikumsumfrage zu den "50 Klassikern fürs Leben" durchführte, landete auf Platz 39 als erste Schriftstellerin überraschenderweise Marlen Haushofer mit ihrem Roman "Die Wand".
Unabhängig von der Frage nach der Sinnhaftigkeit derartiger Bestenlisten symbolisiert dieses Ranking einen Rezeptionshöhepunkt des 1963 im Sigbert Mohn Verlag erschienenen Romans, der damals sowohl begeistert gelobt als auch vehement abgeurteilt worden war und nur eine kleine Leserschaft erreichte, bevor er ab 1970 (nach Haushofers Tod) überhaupt aus dem Handel verschwand. Der Neuen Frauenbewegung und ihrer Geschichtsforschung ist es zu verdanken, dass der 1983 im Claassen Verlag neuaufgelegte Roman als ein Stück Emanzipationsliteratur einer schreibenden Frauengeneration der 50er und 60er Jahre erkannt und alsbald zum vielgelesenen und -besprochenen 'Klassiker' der Frauenliteratur wurde. Marlen Haushofer hatte diesen Roman als ihren großen 'Wurf' bezeichnet, als Stoff, den man 'wahrscheinlich nur einmal im Leben findet'. Dieser Stoff ist das Schicksal einer etwa 40jährigen Frau, die sich nach einer Umweltkatastrophe plötzlich allein hinter einer Wand in einem rauhen Gebirgstal eingeschlossen findet. In Form eines Erinnerungsberichtes schildert die Ich-Erzählerin ihre etwa zweijährige anstrengende Lebensorganisation zwischen Nahrungsbeschaffung, Tierbetreuung (sie lebt mit einem Hund, mehreren Katzen sowie einer trächtigen Kuh, die einen Stier zur Welt bringt) und innerer Neuorientierung, bis hin zu ihrem traumatischen Erlebnis im zweiten Sommer, wo auf einer Alm ein verwilderter Mann zwei ihrer Tiere erschlägt und sie ihn daraufhin tötet.

Dass Marlen Haushofer ihren Roman selber etwas kokett als 'Katzengeschichte' bezeichnet hatte, war möglicherweise nun richtungsweisend für die Textregie der CD, die in den zweieinhalb Stunden Vorlesezeit nur etwa 40% des Romans zu Gehör bringen konnte (genauso knapp gehalten ist das Booklet, in dem darüber hinaus fehlerhafte Lebens- und Buchdaten irritieren). Zwei von 7 Kapiteln der CD 1 sind so reine Katzengeschichten (dahinter mag auch marktstrategisches Kalkül stecken), und auch viele weitere Textpassagen thematisieren die Beziehung der Protagonistin zu ihren Tieren. Dieser Überhang der Tierepisoden auf beiden CDs ist Ausdruck einer problematischen Romankürzung mit akzentverschiebendem Charakter, zudem noch kommt, dass auch andere der (erfundenen) 14 Kapitelüberschriften wie etwa "Die Lampe", "Herbst", "Die Alm" den Fokus auf die kreatürlich-naturbezogene Dimension des weiblichen Überlebens im Walde legen. Die Elemente der 'weiblichen Robinsonade', wie sie im feministischen Diskurs als Aneignung bzw. Überschreitung des männlichen Gattungsmusters gelesen und als positiven Austritt aus der Zivilisation und weiblichem Rollenverhalten gedeutet und von der Autorin unmissverständlich beschrieben werden, gehen in dieser unterschwelligen Schnittregie unter.
Unterstützt wird diese Fokussierung auch durch den Vortrag der Schauspielerin Julia Stemberger, die in verhaltenem, schwebendem Ton diesen Text fließen lässt, so als wären ihm nicht auch Überlebenskampf, Verzweiflung, Aufbegehren und Neuorientierung eingeschrieben. Gewünscht hätte man sich hier eine weniger zarte, erdigere Frauenstimme, vielleicht eine, wie sie jener Weggefährtin, die die Protagonistin herbeisehnt ("... eine alte Frau ... eine gescheite, witzige, mit der ich manchmal lachen könnte"), eigen sein könnte.

Das Abschlusskapitel unter dem verharmlosenden Titel "Verlust", - damit ist die zentrale Passage der zweifachen Tötung gemeint -, signalisiert einmal mehr den schwierigen Umgang mit dem Faktum der ungerührten Ermordung des einzigen überlebenden Mannes durch die Protagonistin. Darüber hinaus negiert die Kapitelüberschrift auch jene Hoffnungsperspektive, die Marlen Haushofer in ihrem letzten Buchkapitel mit dem Bild der weißen Krähe auf einer Lichtung eröffnet hat.

"Sie wartet schon auf mich", lautet der letzte Satz, mit dem die Hörenden aus dem CD-Roman entlassen werden. Vielleicht könnte dieser Ausklang hier auch so verstanden werden, jetzt die Printversion in die Hand zu nehmen und über die vollständige Romanfassung nun alle Facetten dieses weiblichen Lebensentwurfes hinter der Wand zu erforschen.

Originalbeitrag

Christine Schmidjell
3. März 2003

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