"Übersetzen ist anders"
ERICH FRIED TAGE 2007
"Mit den Worten des Anderen"
22. bis 25. November 2007
Podium 2 "AutorInnen übersetzen AutorInnen".
Viele, die nie übersetzt haben, glauben an das Märchen, dass in Wörterbüchern die Wörter praktisch und schön geordnet hintereinander stehen, wobei ein Wort in der Sprache A das Äquivalent zum anderen Wort in der Sprache B ist. Jeder, der einen Text übersetzt hat, wird bestätigen, es ist selbstverständlich nicht so. Natürlich sind Wörterbücher eine große Hilfe - wenn man etwas nicht versteht - aber in den meisten Fällen wird man beim Nachschlagen nicht das passende Wort finden. Sprache ist leider ein irrlichterndes, unkonkretes, im Weltraum waberndes Gebilde, das sich den meisten Zugriffen geschickt und heimtückisch entzieht - durch Flucht, unvermitteltes Verschwinden, Bedeutungsänderung, etc.
Dazu kommt das Problem, dass der Übersetzende seine eigenen Fehler oft nicht bemerkt (merke: wie es kein Gasgeben ohne anschließendes Bremsen gibt, gibt es auch kein Übersetzen ohne Fehler). Er begeht sie nämlich in der Regel auf jenem Terrain, das ihm völlig vertraut scheint. Denn dort, wo er ins Schwimmen, ins Grübeln, ins Wanken gerät, verfügt er über Hilfsmittel, die ihn auf den richtigen Weg bringen, während er dort, wo er geradewegs forsch ins vertraute Gelände schreitet, glaubt, Dinge zu verstehen, die in Wirklichkeit ganz anders gemeint waren. Deshalb gehört zu einer guten Übersetzung ein gutes Lektorat.
Der dritte wichtige Punkt, den ich ansprechen möchte, liegt beim Tonfall. Da es aus nahe liegenden Gründen keine "perfekte" Übertragung eines Texts von der einen in die nächste Sprache gibt, ist es nötig, jene zunächst unfassbaren Nebengeräusche, die ein Text aussendet, zu registrieren und aus ihnen einen Paralleltonfall zu formen, der den Text in der Zielsprache neu erfindet. Deshalb gibt es kaum gelungene Probeübersetzungen von Romanausschnitten. Und deshalb ist der unter Umständen weniger geübte Gefühlsübersetzer dem akademischen, "perfekten", in vielen Fällen vorzuziehen.
© Martin Amanshauser, 2007