SHERLOCK HOLMES UND DIE SHAKESPEARE-VERSCHWÖRUNG
Stephen Moriarty, der Sohn von Prof. James Moriarty, berichtet über einen Besuch im Hause seines verstorbenen Vaters.
Ich war froh, daß mich der Detektiv auf dieser wichtigsten Reise meines Lebens begleitete, auf dieser Höllenfahrt in das Haus meines Vaters. Es war nie leicht gewesen, mit der Tatsache zu leben, daß mein Vater kriminell gewesen war. Das ist für einen Sohn nicht erfreulich. Aber das Wissen darum bleibt meist im Allgemeinen, im Abstrakten.
Seit dem Tag jedoch, an dem mich Mr. Holmes in dieses furchtbare Haus am See begleitete, weiß ich, was die Hölle ist. Ich habe nun Gewißheit, daß mein Vater ein Teufel war.
Das Haus lag lauernd am Berghang, um jederzeit unbarmherzig noch vorne, in die dunkle Bucht, vorstoßen zu können. Es wirkte unscheinbar, grau. Nur das gelegentliche Blinken in den Fenstern im ersten Stock, hervorgerufen durch Reflexionen von Sonnenstrahlen, die sich im See spiegelten, deutete die Gefahr an, die von ihm ausging. Es wirkte auf mich wie der Kopf einer Schlange, die seit Ewigkeiten auf ihr Opfer wartet, um es in einer Orgie der Gewalt zu lähmen, zu zerstückeln und zu verschlingen.
Genau dieses Schicksal wäre mir beschieden gewesen, hätte ich das Innere des Gebäudes ohne meinen Begleiter aufgesucht. Ich hätte es, von dem was es enthielt, überwältigt, nie mehr verlassen können.
Das Haus war voll Gift. Voll ätzendem, heimtückischem Gift. Es beherbergte Gemälde, Bücher, Gegenstände, die ausschließlich mit Mord, Krankheit, Gemeinheit und widerwärtigster Perversion in Verbindung standen. Ein süßlicher Geruch der Verwesung lastete über allem.
Meine Angst vor diesem Augenblick, vor dem Augenblick der Wahrheit, war berechtigt gewesen.
Sogar der Detektiv war ob des Grauens verstummt. Das Blut war aus seinem Gesicht gewichen.
Er reagierte erst wieder, als ich das einzige Objekt in diesem Haus, das so etwas wie Schönheit und Würde ausstrahlte, berühren wollte. Es war ein großes, offenes Uhrwerk aus Metall, mit Unruh, Unruhfeder und Ankerrad.
Lassen Sie die Hände davon! rief Sherlock Holmes heftig. Sie ahnen nicht, was Sie damit anrichten können.
Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Dann erklärte mir der Detektiv, welche teuflische Erfindung er hinter dem Uhrwerk meines Vaters vermutete.
Ich habe all dies in einem eigenen Manuskript festgehalten, aber bis heute nicht den Mut und die Kraft aufgebracht, es an die Öffentlichkeit zu bringen.
Ich blieb stehen und starrte schweigend vor mich hin. Holmes mußte mich wie einen kleinen Jungen an der Hand aus diesem schrecklichen Gebäude ins Leben zurückführen.
Mein Gott, sagte ich zu ihm. Dieses Blut fließt auch in meinen Adern!
Sie haben ja auch eine Mutter. Und die war offenbar ein Engel, sagte der Detektiv.
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